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FlugzeugherstellerEmbraer


Die EMB 120 mit Turboprop-Antrieb wurde von Anfang an für den zivilen Markt konzipiert.

Embraer Die Geschichte Embraers ist der beste Beweis, dass ein Neuling nur mit massiver staatlicher Unterstützung Aufnahme in den Kreis der etablierten Flugzeughersteller finden kann. Sie ist aber auch ein Musterbeispiel dafür, wie ein ehemals staatliches Unternehmen erfolgreich – und allem Anschein nach dauerhaft erfolgreich – privatisiert werden kann. Die Fliegerei hat in Brasilien Tradition. Nicht nur, weil mit Alberto Santos-Dumont einer der ersten Flugpioniere aus dem südamerikanischen Land stammte. So wurden in den 1920er-Jahren mit deutscher Unterstützung erste Fluggesellschaften gegründet, mit deren Hilfe die riesigen Entfernungen zwischen den Städten entlang der Atlantikküste innerhalb von Stunden statt wie zuvor innerhalb von Tagen oder Wochen zurückgelegt werden konnten. Eine eigene Luftfahrtindustrie gab es zu jener Zeit noch nicht in Brasilien, doch das sollte sich spätestens im Jahr 1953 mit der Gründung eines nationalen militärischen Forschungszentrums für Luft- und Raumfahrt (CTA) ändern. In den Folgejahren entstanden, speziell unter Federführung des zugehörigen Forschungs- und Entwicklungsinstituts IPD (heute IAE) mehrere Flugzeug- und Hubschrauberprojekte, die zwar allesamt nicht kommerziell umgesetzt wurden, aber dem Land wichtiges Know-how vermittelten.

Ab 1965 wurde beim IPD ein zweimotoriges Flugzeug mit Turboprop-Antrieb entwickelt, das den Namen Bandeirante trug und 1968 zum ersten Mal flog. Für die industrielle Produktion wurde – auch mangels privater Interessenten – im Juli 1969 vom Luftfahrtministerium die Firma Embraer (Empresa Brasileira de Aeronáutica S.A.) gegründet.

Die Anfänge

Im Januar des folgenden Jahres nahm das junge Unternehmen die Arbeit auf, und 1971 schließlich lief die Serienfertigung der EMB 110 Bandeirante an. Die ersten Exemplare gingen im Februar 1973 an die brasilianische Luftwaffe, aber bereits wenig später setzten auch die heimischen Fluggesellschaften Transbrasil und VASP das neue Regionalflugzeug ein. Erste Exporte folgten 1977. Bereits 1974 hatte Embraer ein Abkommen mit Piper über die Lizenzfertigung diverser ein- und zweimotoriger Modelle unterzeichnet, und im Oktober 1976 startete die EMB 121 Xingu, ein zweimotoriges Geschäftsreiseflugzeug mit Turbopropantrieb und die erste wirklich eigenständige Embraer-Entwicklung, zu ihrem Jungfernflug. 1980 schließlich begannen die Arbeiten an der EMB 120 Brasilia, die anders als die Bandeirante von vornherein ausschließlich auf den zivilen Markt ausgerichtet war und vor allem in Nordamerika, wohin 1985 auch die ersten Auslieferungen erfolgten, sehr populär wurde. Parallel zu diesen kommerziellen Erfolgen sorgte auch der brasilianische Staat für das Wohlergehen seines wichtigsten Flugzeugherstellers. So wurde ihm die Fertigung der anderweitig entwickelten Modelle Urupema (ein Segelflugzeug) und Ipanema (ein Sprühflugzeug für die Landwirtschaft, das auch heute noch produziert wird) ebenso übertragen wie die Lizenzproduktion des italienischen Militärtrainers MB-326. Ab 1981 verschaffte das mit den Firmen Aeritalia und Aermacchi (beide aus Italien und heute Teil des Leonardo-Konzerns) entwickelte Kampfflugzeug AMX Embraer Zugang zu neuesten Technologien, die sich später als nützlich erweisen sollten.


Embraers Hauptwerk liegt in São José dos Campos, eine gute Stunde von São Paulo entfernt.

Die Krise

Zunächst musste Embraer jedoch die größte Krise der Unternehmensgeschichte überstehen. Der Kalte Krieg, der immer wieder für Nachfrage nach Militärflugzeugen gesorgt hatte, ging zu Ende, gleichzeitig kürzte die Regierung – nicht zuletzt aufgrund der leeren Staatskasse – die Unterstützung, so dass es Embraer an finanziellen Mitteln für die Entwicklung des geplanten 50-sitzigen Regionaljets EMB-145 fehlte. Die Zahl der Mitarbeiter sank innerhalb kürzester Zeit von fast 14.000 auf unter 10.000, und die Zukunft des Flugzeugherstellers war mehr als ungewiss. Das änderte sich 1994, als im Zuge der Privatisierung mehrere Finanzinstitute und Pensionsfonds die Mehrheit an dem Unternehmen übernahmen und mit Mauricio Botelho ein erfahrener Geschäftsmann, der seinen Mangel an Luftfahrterfahrung durch seinen Elan und sein Verkaufstalent mehr als wettmachte, das Ruder in die Hand nahm. Nachdem sich eine Reihe von Zulieferern als Risikopartner an der Entwicklung beteiligt hatten, konnte auch die Finanzierung der EMB-145 (später ERJ 145) auf solide Beine gestellt werden, und der Verkaufserfolg des zur exakt richtigen Zeit auf den Markt kommenden Regionaljets etablierte Embraer endgültig in der Spitzengruppe der Flugzeughersteller.

Eine Position, die das Unternehmen in den Folgejahren geschickt zu festigen verstand. Beispielsweise 1999 durch den Einstieg einer Gruppe französischer Luftfahrtunternehmen, darunter Aerospatiale, Dassault und Snecma, die 20 Prozent der Aktien übernahmen. Im selben Jahr wurde die Entwicklung einer komplett neuen Familie von Flugzeugen für zwischen 70 und 118 Passagieren angekündigt (die „E-Jets“ Embraer 170, 175, 190 und 195), und 2000 folgte der Einstieg in die Geschäftsluftfahrt, als der Businessjet Legacy auf Basis der ERJ 135 vorgestellt wurde. Mit der Präsentation der Neuentwicklungen Phenom 100 und 300 im Jahr 2005, der Lineage 1000 (eine modifizierte Embraer 190) zwölf Monate später und dann der Legacy 450 und 500 im Jahr 2008 wurden diese Aktivitäten noch ausgebaut. Diese Ausweitung des Produktportfolios, dank der das Unternehmensschicksal nicht mehr einzig von der Entwicklung eines Marktsegments abhängig ist, die Einrichtung einer zweiten ERJ-145-Endmontagelinie im Rahmen eines Joint Ventures mit der chinesischen AVIC I, der Einstieg beim portugiesischen Hersteller OGMA und eine Vereinfachung der Aktienstruktur im Frühjahr 2006 sollten Garanten dafür sein, dass Embraer auch in Zukunft eine gewichtige Rolle im (Verkehrs-)Flugzeugbau spielt. Doch der Einstieg von Airbus in Bombardiers CSeries-Programm änderte die Situation in der Branche grundlegend, und es kam zu Gesprächen zwischen Boeing und Embraer über eine Zusammenarbeit. Schließlich wurde 2018 die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens beschlossen, in das Embraer seine Verkehrsflugzeug-Baureihen einbringen und an dem der brasilianische Hersteller 20 Prozent der Anteile halten sollte. Doch im April 2020 kündigte Boeing überraschend die Vereinbarung, und Embraer muss sich einen neuen Partner suchen.


Die E-Jets: Embraer 170, 175, 190 und 195 bieten Platz für zwischen 70 und 118 Passagiere.

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