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9. Kapitel - Malcolm

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Nach anfänglichen Vorbehalten seitens von Sandra gegen eine Fahrt nach Bath, sitzen die Vier nun nach einer Sightseeingtour und einem Besuch im Handyshop in einem der zahlreichen Restaurants am Fenster und genießen wortlos den Blick auf den Fluss Avon. Sandra hatte schon als Jugendliche immer mal den Drang verspürt, es sich in den römischen Bädern, gespeist von warmen Quellen, gutgehen zu lassen, aber dazu war es nie gekommen. Sie glaubt nicht daran, es in diesem Leben noch einmal nachholen zu können. Immerhin geht es ihr nun besser als am Vormittag, als sie sich in einer sehr düsteren Verfassung befunden hatte. Grund dafür war das bärtige, geifernde Gesicht dieses besoffenen Tiers, das vor zehn Jahren wie von Sinnen auf sie eingestochen hatte, bis die anderen beiden den Kerl von ihr runter rissen und mit ihm flüchteten. Genau dieses Gesicht war auch im Flug nach Bristol aufgetaucht, nicht wie sonst als Halluzination, sondern live. Der Mann war in der Maschine an ihr vorbeigegangen und hatte sie angeschaut. Der Albtraum hatte sich damit ein Höchstmaß an Lebendigkeit verschafft.

In ihre geistige Abwesenheit hinein schallt die Stimme der Bedienung wie aus einer anderen Welt. „War alles in Ordnung? Kann ich abräumen?“

Gwynn nickt. „Ja, super.“

„Darf es sonst noch etwas sein?“

Gwynn schaut in die Runde. Alle schütteln den Kopf. „Ich glaube, das war’s“, antwortet sie. „Wenn Sie uns die Rechnung bringen würden?“

„Selbstverständlich.“

Bevor Gwynn noch etwas sagen kann, klingelt ihr Handy. Sie kramt es aus der Tasche, die über der Rückenlehne des Stuhls hängt, und meldet sich mit einem knappen „Ja.“ Sandra geht davon aus, dass sie den Anrufer kennt. Schon schaut Gwynn sie an und sagt: „Ja, die ist bei mir. Soll ich sie dir geben? – Moment.“ Sie streckt Sandra das Handy entgegen mit den Worten: „Hier, für dich.“

Sandra nimmt es umständlich mit beiden Händen entgegen und fragt erstaunt: „Für mich? Wer ist es denn?“

„Nun geh halt ran, dann weißt du es“, drängt Gwynn.

Sandra führt das Handy ans Ohr. „Mr. McKell“, entfährt es ihr. „Was kann ich für Sie tun? – Nein, heute eher nicht mehr. Wir sind gerade unterwegs. Reicht es auch morgen noch? – Das ist super. Morgen um Neun passt gut. Ich bin pünktlich.“ Sie reicht Gwynn das Handy zurück. Diese vergewissert sich, dass Duncan aufgelegt hat und steckt es weg. „Was wollte er denn von dir?“, fragt sie mit aus den Augen strahlender Neugier.

„Er möchte mich einem Mr. Malcolm House vorstellen. Sagt dir der Name was?“

„Ja, natürlich“, gibt Gwynn zurück. „Du hast ihn auch schon gesehen. Als du den Termin mit Duncan hattest, verabschiedete er ihn gerade in der Hotelhalle. Erinnerst du dich? Ich glaube, da bahnt sich was für dich an.“

Die Bedienung tritt heran und legt einen Kassenbon auf den Tisch, den Sandra sich sofort schnappt und den Geldbeutel zückt. „Ich übernehme das“, sagt sie. Als Gwynn protestieren will, legt sie den Zeigefinger auf den Mund und schüttelt den Kopf. Dann zaubert sie einen Schein hervor, drückt ihn der Bedienung in die Hand und sagt: „Stimmt so.“

Auf dem Weg nach draußen fragt Sandra: „Wer ist denn dieser Malcolm House?“

„Du kennst Malcolm House nicht?“, fragt Gwynn verwundert zurück. „Na gut, woher auch! Er ist ein sehr bekannter Konzertpianist, ein guter Freund von Duncan und permanenter Gast im Golfclub. Vor ungefähr zwei Jahren hat er sein Haus in Bristol verkauft. Seither bewohnt er eine Suite und lässt es sich gutgehen. Geld genug hat er ja bestimmt. Er ist alleinstehend, dürfte so zwischen 70 und 75 sein und hat seinen Beruf an den Nagel gehängt. Das Klavierspielen kann er aber trotzdem nicht lassen, weshalb er abends manchmal im Club sein Können beweist. Es ist immer wunderschön, wenn er was spielt.“

Sandra denkt laut nach. „Was wird er denn von mir wollen?“

„Sicher will er dir zeigen, wie man Klavier spielt“, antwortet Jessica.

„Das wahrscheinlich eher nicht“, gibt Sandra lachend zurück. „Auf jeden Fall bin ich sehr gespannt drauf, was er vorhat.“

„Genau. Und jetzt hast du ein Handy mit Prepaid-Karte, dein erster Schritt auf dem Weg zur erfolgreichen Geschäftsfrau.“

Jessica und Boy sind ein paar Yards vor ihren Müttern und necken sich gegenseitig. Sie sind so sehr mit sich beschäftigt, dass Sandra sicher sein kann, dass sie ihre Frage an Gwynn nicht hören werden. Trotzdem flüstert sie: „Apropos Handy. Hat schon jemand wegen meiner Anzeige angerufen?“

Gwynn schüttelt den Kopf. „Nein, niemand. Ein Zeichen dafür, dass du niemanden brauchen wirst für Jessica. Nur du kannst ihr die beste Mutter sein.“

„Da gebe ich dir recht. Aber das ändert nichts an den Tatsachen.“

Gwynn nimmt Sandra an der Hand, bleibt stehen und dreht sie zu sich hin. „Ich will dich nicht verlieren.“

Der Satz trifft Sandra mitten ins Herz, und auch, wenn sie für sich keine Genesung mehr sieht, nickt sie.

Nach einer geruhsamen Nacht ohne Störungen durch den nächtlichen Verfolger betritt Sandra pünktlich um Neun die Hotelhalle und hält schnurstracks auf die Rezeption zu. Ihr Herz pocht in freudiger Erwartung auf das, was sich ihr offenbaren soll. Die Empfangsdame weist auf eine braune Ledersitzgruppe neben dem Eingang und bittet Sandra, noch ein wenig Platz zu nehmen. Sie folgt der Anweisung und vertreibt sich die Zeit mit einem Prospekt des Hauses, das auf dem Tisch liegt. Wenig später kommt Malcolm House auf sie zu. Sandra möchte aufstehen, aber Malcolm drückt sie nieder, streicht über ihre Hand, die er sich vom Tisch angelt und meint: „Bleib sitzen. Ich bin Malcolm House. Nenn mich Malcolm, ja?“ Ohne eine Antwort abzuwarten, lässt er sich in einem Sessel nieder, winkt in Richtung Rezeption und schnippt mit den Fingern. Als die Frau reagiert, spreizt er Daumen und Zeigefinger auseinander und signalisiert damit die Zahl Zwei. „Du trinkst doch einen Tee mit mir?“, fragt er, und als Sandra nickt, hebt er zur Bestätigung noch einmal den Daumen. Das Hotelpersonal hat seine Signalsprache in den zwei Jahren, die er hier wohnt, bestens verinnerlicht, und seine Wünsche werden zu Malcolms vollster Zufriedenheit ausgeführt. Natürlich erfreut er sich als gut zahlender Dauergast gewisser Hoheitsrechte, aber auch ohne seine Bekanntheit wäre hier der Service 1A. Malcolm deutet auf das Prospekt. „Wunderschön hier, nicht wahr?“ Er wartet Sandras Meinung erst gar nicht ab und fügt hinzu: „Natürlich hab ich recht. Es gibt keinen schöneren Platz auf Erden, als diesen gepflegten Golfclub. Ich habe ihn bereits vor 20 Jahren kennengelernt, als ich anfing, Golf zu spielen und noch nicht mal wusste, was ein Caddy ist. Inzwischen macht mir da keiner mehr was vor. Mein Gott, wie oft ich am Anfang den Ball suchen musste.“ Er schlägt sich lachend vor die Stirn, und Sandra muss unwillkürlich mitlachen. „Da draußen gibt es einen Teich. Hast du den schon gesehen? Wahrscheinlich nicht. Da hatte ich meinen Ball einmal versenkt. Zwar nur etwa zwei Handbreit tief, aber er war unter Wasser. Es hat meine Hose und die Schuhe ruiniert und mich viel Zeit gekostet, ihn wiederzufinden, und dann brauchte ich 20 Schläge, um ihn aus dem Wasser heraus zu katapultieren und an Land zu befördern. Das war kein guter Tag. Spielst du Golf?“

Sandra schüttelt den Kopf. „Nein. Noch nicht einmal Minigolf. Aber ich höre gerne zu, wenn du davon erzählst, Malcolm.“

„Gut, das ist wunderbar. Ich bin jetzt 72 und noch so voller Energie, dass ich das Golfen brauche, um nicht zu verbrennen, weißt du? Dafür ist dieser Platz genau richtig. Riesig, von einzigartiger Gestaltung und vorwitzigen Hindernissen, die es zu erforschen und zu erfahren gilt. Ich liebe es, mit dem Caddy hier herum zu düsen, und wenn mir mein Gefühl sagt: Stopp, dann halte ich an, packe meinen Schläger aus und lege los. Aber was ich nicht verstehe: Ganz England hat Linksverkehr, und die Caddys sind auf Rechtsverkehr ausgelegt. Sie haben das Lenkrad auf der falschen Seite. Ganz komisch. Macht aber nichts, man gewöhnt sich an alles, und auf dem Platz ist es egal. Auf diese Weise haben wir sogar ein bisschen Europa hier.“

Eine Küchenkraft bringt zwei Kännchen Tee und die dazu gehörenden Tassen, etwas Milch und Zucker und verteilt alles auf dem Tisch. „Wohl bekomm’s, sagt sie.

Malcolm bedankt sich, sagt: „Schreib’s auf mein Zimmer, Darling“, und wendet sich wieder Sandra zu. „So, mein Kind. Duncan sagt, du suchst einen Job?“

„Ja, das stimmt“, bestätigt sie. „Eigentlich wollte ich bei ihm eine Putzstelle aufnehmen. Dann hat sich aber gezeigt, dass ich dem nicht gewachsen bin. Bin leider ziemlich krank.“

„Ich hab davon gehört“, berichtet Malcolm. „Sieh es Duncan bitte nach, dass er dich nicht einstellen kann. Es ist ihm schwergefallen, dir abzusagen, aber er hat mit seiner Mutter erlebt, wie es ist, wenn sich jemand plagt, obwohl er Ruhe bräuchte. Sie hatte trotz ihrer Krankheit bis zuletzt im Hotel mithelfen wollen. Es war ihr Ein und Alles. Sie hatte es mit aufgebaut. Vor vier Jahren ist sie dann gestorben. Zu arbeiten, wenn es einem nicht gutgeht, ist eine Herausforderung. Es ist aber auch wichtig, dass wir Geld verdienen. Unsere Gesellschaft ist nun mal darauf ausgerichtet. Ohne Geld läuft nichts. Manche plagen sich mit Arbeit ab, die sie nicht mögen und die ihnen nicht liegt. Andere schlagen sich als Minimalisten durchs Leben, und wieder andere machen ihr Hobby zum Beruf, gehen darin auf und verdienen gut. Ich darf von mir behaupten, dass ich zur letzten Kategorie gehöre.“

Das Gespräch wird für Sandra immer interessanter. Sie hat ganz vergessen, dass ihr Tee auf dem Tisch wartet, erinnert sich wieder daran, als Malcolm seine Kanne hebt und ihr zunickt und füllt sich ihre Tasse. Bisher hat sie den Tee immer ohne Milch und Zucker getrunken. Jetzt aber, beim Gespräch mit diesem interessanten Herrn, steigt ihre Lebenslust ein wenig. Es genügt, um in ihr den Funken zu entfachen, sich was Extravagantes zu gönnen, und seien es nur Milch und Zucker im Tee. Sie macht reichlich davon Gebrauch und eifert damit Malcolm nach, der sich fleißig der Zugaben bedient. Sie nimmt einen Schluck und dreht sich im Sessel Malcolm zu. „Erzähl weiter“, fordert sie ihn auf. „Ich bin total neugierig. Wirklich sehr spannend.“

„Diese Worte aus dem Mund einer schönen Frau beflügeln mich.“

Sandra errötet. „Ich gebe im Moment bestimmt kein gutes Bild ab.“

„Stelle dein Licht nicht unter einen Scheffel, mein Kind.“

Nur aus Verlegenheit, und um Malcolm nicht anschauen zu müssen, nimmt Sandra ihren Löffel auf und rührt in der Tasse herum.

„Wo waren wir stehen geblieben? Ach ja, bei der Kategorie der Geldverdiener. Wie gesagt, ich habe mein Leben lang gut verdient, indem ich mein Hobby zum Beruf machte. Weißt du, welches Hobby ich habe?“

Sie legt den Löffel ab und schaut ihn wieder an. „Klavierspielen?“

„Perfekt. Spielst du auch ein Instrument?“

„Nein, leider nicht.“

„Sonst irgendwelche Hobbys?“

Sie schüttelt den Kopf.

„Talente? Außergewöhnlichkeiten?“

„Auch nicht.“

„Vorlieben? Interessen?“

„Malcolm, ich fürchte, ich kann Ihnen nicht geben, was Sie sich von mir erhoffen.“

„Erstens, mein Kind, waren wir bereits beim Du, und zweitens: Was glaubst du, dass ich mir erhoffe? Ist es nicht vielmehr so, dass du einen Job suchst, also viel mehr du dir was erhoffst?“

„Ja, das ist natürlich auch irgendwie richtig“, sagt Sandra.

„Ich habe mein Berufsleben auf der Sonnenseite verbracht, Darling. Ich habe mich nie groß anstrengen müssen. Warum auch, wenn ich doch mein Hobby zum Beruf hatte und nur das tat, was ich richtig gut kann und das mir riesigen Spaß macht. Ich habe bereits mit vier Jahren angefangen, Klavier zu spielen. Die Verwandtschaft hatte mich schon als Wiedergeburt von Mozart bezeichnet. Nun, diesen Vergleich möchte ich gar nicht zur Diskussion stellen, weil ich ihm nicht standhalten könnte. Aber dass ich am Klavier besser bin als viele andere, die damit ihr Geld verdienen, das ist, so glaube ich, Fakt. Wie gesagt, ich hatte das Vergnügen, mein Geld leicht und mit Spaß zu verdienen, und diesen Vorzug möchte ich nun auch dir zur Verfügung stellen.“

„Mir? Was könnte das denn sein, was ich für Sie – für dich – tun könnte und das dir so viel Wert ist, dass du Geld dafür bezahlst?“

„Du könntest mir etwas geben, das ich nicht habe: Gesellschaft.“

„Du möchtest dir die Gesellschaft einer kranken Frau erkaufen, die hin und wieder, oft mehrmals am Tag und auch nachts zur Toilette läuft, weil der Körper am Ende ist?“

„Damit keine falschen Gedanken aufkommen, mein Kind: Es geht nicht um Nächte. Nur um die Tage. Fangen wir klein an, zum Beispiel mit zwei Tagen die Woche?“

Sandra hebt die Schultern. „Das hört sich wirklich gut an, aber was soll ich dann bei dir machen?“

„Ich kann wirklich gut Klavier spielen, und meine Kompositionen haben noch immer die Audience begeistert“, antwortet Malcolm. „Aber Töne zu einer Melodie zusammen zu fügen und Worte zu einem Text, das sind zwei ganz verschiedene Paar Schuhe, zumindest für mich. Es gelingt mir nicht, was Vernünftiges auf Tasten zu gestalten, auf denen Buchstaben abgebildet sind. Dabei würde ich so gerne meine Memoiren niederschreiben. Es geht gar nicht mal darum, dass du den Text dafür verfasst. Das kann ein professioneller Schreiber, der sich auf Biografien spezialisiert hat, sicher besser. Es geht um die Substanz an sich. Wenn ich jemandem gegenüber sitzen und ihm mein Selbsterlebtes chronologisch erzählen müsste, dann würde diese Person schnell das Handtuch werfen, weil ich mich ruckzuck in eine Sackgasse manövrieren würde. Aber wenn wir beide uns zusammensetzen, hier auf der Sitzgruppe, oder auf meinem Zimmer, bei schönem Wetter auf dem Caddy, beim Spaziergang durchs Dorf oder im Wald, dann könnten wir daraus einen Dialog machen, und der Stoff würde fließen. So in der Art eines Frage- und Antwortspiels, verstehst du?“

„Ja, schon, aber würdest du das nicht wieder vergessen, wenn wir es nicht aufschreiben?“

„Wir haben ein Diktiergerät dabei und nehmen es auf. Am Abend höre ich es mir an und mache mir Notizen darüber. Damit hat ein Autor dann später genug Stoff, um eine Biografie zu verfassen. Es sind recht lustige Episoden dabei, aber auch traurige. Na? Machst du mit?“

Sandra lächelt, nickt und streckt Malcolm die Hand entgegen. „Ja, ich mache mit. Auf gute Zusammenarbeit.“

„Möchtest du nicht deinen Preis nennen, mein Kind?“

Daran hat Sandra gar nicht gedacht. Sie ist noch total geflasht von den 500 Pfund, die ihr Brian am Tag zuvor gegeben hat. 500 Pfund! Wann hatte sie zuletzt so eine Summe besessen, ohne, dass sie gleich wieder für etwas draufging. Sie kann sich nicht erinnern. Mit dem Geld fühlt sie sich so reich wie schon lange nicht mehr. Als Kind hatte es ihr an nichts gefehlt. Da hatten Oma und Opa immer dafür gesorgt, dass alles da war, was sie brauchte. Aber diese Zeiten sind nun lange vorbei. Und nun sitzt sie einem reichen, erfolgreichen Mann zur Seite und hat die Chance, ihr kleines Vermögen auszubauen. Sie wendet sich ihm zu und sagt: „Ich habe eine solche Art von Arbeit noch nie geleistet, Malcolm. Daher weiß ich nicht, was sie wert ist.“

„Ich bin kein Arbeitgeber, der einen festen Lohn bezahlt“, sagt Malcolm. „Also müssen wir uns schon auf eine Summe einigen. Bist du mit 50 Pfund pro Tag zufrieden? Bei – sagen wir mal – vier Stunden?“

50 Pfund. Dann hätte Sandra in nur 10 Tagen noch einmal 500 Pfund zusammen. Freudestrahlend stimmt sie zu.

„Das habe ich mir gedacht. Für Zwölffünfig die Stunde würde ich mir nicht mal die Schuhe anziehen.

Unwillkürlich schaut Sandra auf Malcolms Füße. Unter seiner weißen Hose schauen schwarze Sportschuhe mit weißen Streifen hervor. Sie sehen richtig teuer aus und haben sicher einen Preis, den Sandra dafür niemals ausgeben würde. In diesem Moment gesellt sich der Gedanke zu ihr, dass Malcolm sich wohl jeden Stundenlohn, den sie für sich für realistisch hält, leisten kann. Seine ordentliche, bis ins Detail gepflegte Erscheinung lässt diese Vermutung zu. Doch was ist für ihre Arbeit ein realistischer Stundenlohn? Für wie viel Geld in der Stunde würde Malcolm sich wenigstens seine Schuhe anziehen? Sie muss lächeln, als sie sich dazu entschließt, es herauszufinden. Unter den staunenden Blicken Malcolms, der wohl im ersten Moment vermutet, Sandra würde sich verabschieden wollen, verlässt sie ihren Sessel. Sein Erstaunen wächst, als sie sich vor ihm niederkniet, einen Fuß nimmt und den Schnürsenkel löst. Sanft streift sie ihm den Schuh vom Fuß, und dann die weiße Socke. Sie knetet seine Zehen mit beiden Händen und reibt über die Fußsohle und den Fußrücken.

Malcolm lacht laut.

Sie massiert ihn noch ein wenig mehr, nimmt den Schuh und weitet ihn. Sie zieht ihm die Socke an und stülpt ihm den Schuh genauso sanft über den Fuß, wie sie ihn abgenommen hat. Langsam und zart zieht sie den Schnürsenkel zu und bindet Knoten und Schlaufe. Sie setzt sich wieder in den Sessel und sagt: „Für welchen Stundenlohn würdest du dir so deine Schuhe anziehen?“

Malcolm holt tief Luft und antwortet mit seligem Grinsen: „Und du sagst, du hast keine Talente. Puh! Wären 50 Pfund die Stunde für dich in Ordnung?“

Bevor dieser Gedanke sie überwältigen kann, willigt sie ein. „Wollen wir unsere Handynummern tauschen? Dann kläre ich alles mit meinen Mitbewohnern ab, und wir machen einen Starttermin klar.“

„Eine gute Idee“, sagt Malcolm und zückt sein Handy. Während Sandra ihm ihre Nummer nennt, tippt er sie ein und speichert sie ab. Dann ruft er diese Nummer an. Als Sandras Handy klingelt, sagt er: „So, jetzt hast du auch meine Nummer. Ich warte also auf deinen Anruf.“

„Klar.“ So beschwingt wie nie, macht Sandra sich auf den Heimweg.

Im Strudel des Schicksals

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