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KAPITEL FÜNF

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16:57 Uhr Eastern Standard Time

Bubba’s Lounge

Chester, Pennsylvania


Niemand erinnerte sich daran, wer Bubba gewesen war.

Die kleine Bar stand seit dem Zweiten Weltkrieg hier an der Straßenecke am südöstlichen Ende von Chester, nahe des Flusses. Zehn verschiedene Besitzer hatten sich die Klinke in die Hand gegeben und sie hatte schon immer Bubba’s geheißen, so weit man sich erinnerte. Doch niemand wusste genau warum.

„Schätze sie wird aufgeben“, sagte ein Mann an der Bar.

„Wurde auch Zeit“, sagte ein anderer.

Marc Reeves arbeitete heute. Marc war ein Oldtimer, 67 Jahre alt. Er hatte über die letzten 25 Jahre hinweg immer mal wieder an dieser Bar Bier ausgeschenkt und hatte drei verschiedene Geschäftsführer miterlebt. Er war hier gewesen, während diese Stadt langsam den Bach runterging. In einer Stadt, in der fast jedes andere Geschäft früher oder später zugenagelt wurde, war Bubba’s ein Erfolgsgeschäft. Aber trotzdem blieben die Besitzer nie lange.

Der Laden holte seine Ausgaben wieder rein – das war das Problem. Er schrieb weder rote noch schwarze Zahlen. Hier zu arbeiten oder hier zu trinken war besser, als die Bar zu besitzen. Wenigstens bekam man so etwas für seine Mühen.

In der Ecke hinter der Bar stand sich ein großer alter Farbfernseher. Zu dieser Tageszeit befanden sich vier oder fünf Tagtrinker auf den Hockern, die ihre Sozialversicherungschecks und was auch immer von ihren Lebern übrig war verschwendeten. Normalerweise lief der Sportsender. Heute war es jedoch anders. Heute hielt die Präsidentin ihre erste Pressekonferenz, seitdem sie die Wahl verloren hatte.

Marc war skeptisch gewesen, als sie ihr Amt angetreten hatte, insbesondere wenn man die Umstände bedachte, unter denen es geschehen war. Aber er hatte sie liebgewonnen. Insgesamt dachte er, dass sie gute Arbeit geleistet hatte. Sie und das Land als Ganzes hatten einige Schwierigkeiten überstanden. Also hatte er gestern etwas getan, was er nur selten tat – er hatte seine Stimme für sie abgegeben. Es war das erste Mal seit zwölf Jahren, dass er in einem Wahllokal gewesen war.

Nicht jeder war seiner Meinung.

„Ich mag den Neuen“, sagte ein dicker Mann an der Bar. Man nannte ihn Skipper. Aber wahrscheinlich hatte er in seinem Leben noch nie einen Fuß auf ein Schiff gesetzt. „Was hat Susan Hopkins je für Chester, Pennsylvania getan? Das will ich mal wissen. Es ist Zeit, dass jemand diese ganzen Chinesen davon abhält, in unser Land zu kommen.“

„Und unsere Jobs zurückbringt, wenn er schon dabei ist“, sagte ein Mann namens Steve-O. Steve-O war so dürr, dass Marc unwillkürlich an einen Pfeifenreiniger denken musste, wenn er ihn sah. Er kam jeden Tag her und trank Bier und Bourbon. Marc hatte noch nie gesehen, wie Steve-O auch nur einen Bissen fester Nahrung zu sich nahm. Es schien, als würde er sich nur von Alkohol ernähren.

Marc trocknete gerade Biergläser ab, die aus dem Geschirrspüler kamen. „Steve-O, du bekommst doch seit zwanzig Jahren Behindertengeld.“

„Ich meinte ja nicht meinen Job“, sagte Steve-O.

Ein paar der Anwesenden lachten.

Auf dem Fernsehbildschirm tauchte jetzt ein leeres Podium auf. Es war umgeben von amerikanischen Flaggen.

„Meine Damen und Herren“, sagte eine leise Stimme, „die Präsidentin der Vereinigten Staaten.“

Susan Hopkins kam von rechts auf die Bühne. Sie trug einen beigefarbenen Hosenanzug und trug ihr Haar in einem kurzen blonden Bob. Wunderschön. Marc erinnerte sich an eine Zeit, in der sie Model gewesen war. Insbesondere an eine gewisse Sports Illustrated Badeanzug-Ausgabe von vor 25 Jahren. Damals war er ein Mann mittleren Alters gewesen, verheiratet und Familienvater. Ihre Bilder waren nahezu herzzerreißend gewesen – sie war himmlisch, unerreichbar, wie von einer anderen Welt. Er konnte nicht in Worte fassen, wie sie auf ihn gewirkt hatte. Und wenn überhaupt, dann sah sie jetzt noch besser aus – bodenständiger, reifer. Marc mochte Frauen, die ein wenig Erfahrung hatten.

„Zieh dich aus, Baby!“, sagte Steve-O, woraufhin erneut einige Anwesende kicherten.

Marc hatte Steve-O heute sechs Shots und sechs Biere in den letzten Stunden serviert. Steve-O war sichtlich angetrunken. Und er fing an, Marc auf die Nerven zu gehen. „Bald gibt’s nichts mehr für dich, Steve-O.“

Steve-O schaute ihn an. „Was?“

„Halt die Schnauze oder geh nach Hause, hab‘ ich gesagt.“

Marc drehte sich zurück zum Fernseher. Hopkins hatte noch nichts gesagt. Es schien, als müsste sie ihre Emotionen unter Kontrolle bringen. Das war es also. Sie würde ihr Amt abtreten. Es hatte so gewirkt, als wäre sie beliebt gewesen, aber letzten Endes hatte sie nur eine Amtszeit regiert – und noch nicht mal eine volle.

„Meine verehrten Mit-Amerikaner“, sagte sie.

Die Bar war still. Auch der Raum, in dem sie ihre Rede hielt, war fast still – Marc konnte lediglich das Surren und Klicken von Kameras hören.

„Ich werde mich kurzfassen. Wir haben eine harte Kampagne hinter uns, in der zwei sehr unterschiedliche Visionen von Amerika miteinander gekämpft haben. Eine dieser Visionen ist voll von Optimismus, Verständnis und Stolz dafür, was wir als Nation geschafft haben. Die andere ist eine Vision voll mit Wut, Verzweiflung, Ressentiment und sogar Paranoia. Sie stellt unsere Nation als ruinierte Landschaft dar, die nur durch einen Mann gerettet werden kann. Und sie verspricht uns Gewalt – Gewalt gegen unseren wichtigsten Handelspartner, sowie Gewalt gegen unsere eigene Gesellschaft, gegen unsere Nachbarn und gegen unsere Freunde.

„Ich bin mir sicher, Sie wissen, für welche Vision ich einstehe. Ich kann keine Weltanschauung akzeptieren, die auf Rassismus, Vorurteilen und Misstrauen basiert. Und doch wäre meine Aufgabe unter normalen Umständen, trotz aller Bedenken, dem augenscheinlichen Gewinner dieser Wahl zu gratulieren und ihn willkommen zu heißen, damit die Macht friedlich in seine Hände übergehen kann, so wie es unsere Demokratie will.“

Sie machte eine Pause. „Doch dies sind keine normalen Umstände.“

Marc richtete sich auf. Er spürte, wie ein Kribbeln seinen Rücken hinunterlief. Er schaute sich um und blickte die Männer an, die an seiner Bar saßen. Jeder einzelne von ihnen klebte geradezu am Bildschirm. Jeder von ihnen war plötzlich aufmerksam geworden, wie Tiere, die spürten, dass sich ein Gewitter nähert. Was wollte sie damit sagen?

„Meine Kampagne hat Beweise dafür gefunden, dass es in mindestens fünf Staaten Unregelmäßigkeiten bei der Stimmabgabe gab, einschließlich Wahlunterdrückung, aber ebenfalls offene Manipulation und eventuelles Hacken von Wahlmaschinen. Wir haben Grund zur Annahme, dass die Wahl gestohlen wurde, nicht nur von unserer Kampagne, sondern vom amerikanischen Volk. Wir haben das FBI sowie das Justizministerium bereits kontaktiert und erwarten eine vollständige, unabhängige Untersuchung. Bis diese Untersuchung abgeschlossen ist – egal wie lange es dauert – kann und werde ich die Ergebnisse dieser Wahl nicht anerkennen und werde meinen Pflichten als Präsidentin der Vereinigten Staaten und meinem Amtseid nachgehen, unsere Konstitution zu wahren und sie zu schützen. Vielen Dank.“

Präsidentin Hopkins ging zurück nach rechts und verließ die Bühne. Die Stimmen der Reporter überschlugen sich, schrien Fragen in den Raum und versuchten, ihre Aufmerksamkeit zu gewinnen. Blitzlichter blinkten wie wild. Der Kamerawinkel wechselte und fokussierte sich auf die Präsidentin, während sie durch eine Seitentür hinter einem Meer von riesigen Geheimdienstagenten verschwand. Sie hatte keine einzige Frage beantwortet.

„Was soll das bedeuten?“, fragte Steve-O. „Kann sie das einfach so machen?“

Niemand antwortete ihm.

Marc trocknete weiter seine Biergläser ab. Auf diese Frage wusste er selbst keine Antwort.

Der Kandidat

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