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KAPITEL DREIZEHN

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12:14 Uhr Eastern Daylight Time

Vor dem Weißen Haus

Washington, D.C.


„Niemand kommt hier rein“, sagte der große Mann in sein Walkie-Talkie. „Ist das klar? Ich möchte Männer am Eingang, aber auch Überwachung vom Himmel aus für jeden möglichen Einstiegspunkt. Schützen auf dem Dach.“

„Verstanden“, antwortete eine Stimme.

„Teilen Sie den Schützen mit, dass sie autorisiert sind, zu schießen. Ich wiederhole, tödliche Schüsse sind freigegeben, natürlich nur im Notfall.“

„Von wem kommt die Freigabe?“

„Von mir“, sagte der Mann. „Meine Verantwortung.“

„Verstanden“, sagte die Stimme.

Sein Name war Charles „Chuck“ Berg.

Er war 40 Jahre alt und seit fast 15 Jahren beim Geheimdienst. Er war seit mehr als zwei Jahren Leiter des Sicherheitsteams der Präsidentin. Eigentlich war er nur durch Zufall an diese Stelle geraten, durch den Anschlag. Am Abend des Mount Weather Angriffs war er Teil ihres Sicherheitsteams gewesen, als sie noch Vizepräsidentin gewesen war. Er hatte ihr Leben gerettet. Sein gesamtes Team war bei dem Angriff ums Leben gekommen.

Er hatte sich in dieser Nacht verändert, auch wenn er das erst rückblickend gemerkt hatte. Damals war er bereits 37 Jahre alt gewesen und hatte eine Arbeit mit äußerst hoher Verantwortung. Er war verheiratet und hatte zwei Kinder – aber auf eine gewisse Art war er erst in dieser Nacht zum Mann geworden. Er war zu dem geworden, was er schon immer hatte sein sollen. Davor? Davor war er nur ein großes Kind gewesen, dessen Arbeitgeber ihn mit einer Waffe spielen ließ.

Susan hatte ihm nach dieser Nacht vollends vertraut. Und er vertraute ihr. Mehr noch – er fühlte sich verantwortlich für sie – und nicht nur, weil es sein Job war. Er war zehn Jahre jünger als sie, aber trotzdem kam es ihm manchmal so vor, als wäre er ihr großer Bruder.

Überleben – das Leben von jemandem retten – ist eine intime Affäre.

Er wusste, dass weder an diesen Korruptionsvorwürfen noch an der Mordanklage etwas dran war. Und er würde es nicht zulassen, dass irgendjemand einfach ins Weiße Haus spazierte und die Präsidentin der Vereinigten Staaten in Gewahrsam nahm – besonders keine Verrückten, die einen fabrizierten Haftbefehl in sein Gesicht hielten.

Er war gerade fertig damit, das Gelände zu Fuß abzugehen. Er ging die Einfahrt hinauf zurück zum Weißen Haus. Direkt vor ihm gingen ein Dutzend schwer bewaffneter Männer in Geschäftsanzügen die Straße entlang. Es war ein sonniger, kalter Tag. Die Schatten der Männer zeichneten sich scharf am Boden ab, zusammen mit ihren automatischen Gewehren und Schrotflinten, die sie an ihrer Seite trugen.

Das Wachhaus war direkt vor ihm. Betonbarrieren standen vor dem Häuschen. Sowohl ein STOPP als auch ein KEINE EINFAHRT Schild hingen am Zaun. Weitere Männer in Anzügen standen neben der Einfahrt. Sie sahen wachsam und angespannt aus. Ihre Anzüge sahen aus, als würden sie gleich platzen – sie hatten schusssichere Westen an.

Baufahrzeuge stellten gerade größere, dickere und schwerere Barrieren vor den kleineren Betonblöcken ab. Sie waren dabei die Konstruktion abzuschließen. Die neuen Barrieren sorgten für einen engen Gang, ein Labyrinth an scharfen Rechts- und Linksdrehungen. Jedes Fahrzeug, das sich näherte, müsste auf Schrittgeschwindigkeit abbremsen. Breitere Fahrzeuge wie Trucks oder Humvees würden nicht einmal durchpassen.

ACHTUNG, stand auf einem Schild. SPERRZONE. 100% AUSWEISPFLICHT.

Heute würde kein Personalausweis überprüft werden. Niemand kam heute rein oder raus.

In kurzer Entfernung, vielleicht 200 Meter entfernt, bezogen Männer in schwarzen Uniformen Position auf dem Dach des Weißen Hauses. Das waren die echten Experten, wusste Berg. Die Scharfschützen. Scharfschützen vom Geheimdienst, und jeder einzelne könnte aus dieser Entfernung mit Leichtigkeit eine Kugel in sein Herz jagen.

Ein Black Hawk Helikopter hob von einem Landeplatz hinter einem kleinen Wäldchen hinter dem Weißen Haus ab. Er flog nach Osten und drehte dann langsam Richtung Norden ab. Scharfschützen saßen in seinen offenen Seitentüren.

Und das waren nur die sichtbaren Verteidigungskräfte. Es gab noch mehr als 100 weitere Männer und Frauen, die das Gelände des Weißen Hauses überwachten, sowohl vom Geheimdienst als auch vom Militär. Kein Zentimeter des Zauns oder der Mauern rund um das Gelände war in diesem Moment unbeobachtet. Zusätzlich zu den Black Hawks waren noch drei Apache Kampfhubschrauber in der Luft, die über dem Potomac Fluss schwebten. Diese Apaches könnten eine ganze Reihe an Polizeifahrzeugen innerhalb weniger Sekunden auslöschen.

Die beiden Fronten waren so asymmetrisch, wie es nur ging. Die NBA Champions gegen das örtliche High School B-Team.

Chuck nahm sein Handy in die Hand. Er hatte den verrückten Sheriff aus Wheeling, West Virginia auf Kurzwahl. War der Mann auf einer Selbstmordmission? Chuck wollte es herausfinden.

Das Telefon klingelte drei Mal.

„Paxton“, sagte der Mann. Seine tiefe, raue Stimme klang leicht schleppend. Chuck würde seinen Dialekt nicht wirklich als südlich bezeichnen. Eher als Hinterwäldler aus den Appalachen.

Chuck stellte ihn sich vor. Er hatte einen Hintergrundcheck angefordert, als er gehört hatte, dass sie auf dem Weg seien. Bobby Paxton war ein breiter Mann Mitte 50, ein ehemaliger Marine, der seine Haare immer noch kurzgeschoren trug. Er war bekannt dafür, die Gesetze strikt durchzusetzen. Mehr noch – seit Jahren gab es Beschwerden über Polizeigewalt unter seiner Aufsicht, insbesondere gegen junge schwarze Männer in seinem Gewahrsam.

Paxton selbst war auch dafür bekannt, dass er eine Menge durchgeknallter Verschwörungstheorien unterstützte. Er glaubte scheinbar daran, dass Mitglieder der Regierung mit einer Rasse zwei Meter großer Aliens zusammenarbeiteten, die dem amerikanischen Militär Technologie wie Partikelwaffen und Antigravitationsflugzeugen versprochen hatten.

Es war durchaus möglich, dass Paxton verrückt war. Und wenn das stimmte, würde das ein langer Tag werden.

„Sheriff“, sagte Chuck. „Wo sind Sie jetzt?“

„Wir sind in zwei Minuten bei Ihnen. Sie sollten uns schon bald sehen können.“

„Sir, ich habe es Ihnen schon einmal gesagt und ich werde mich noch ein letztes Mal wiederholen. Wir nehmen gerne am Eingang jegliche Art von Nachricht entgegen, die Sie für die Präsidentin haben. Weder Sie noch einer Ihrer Mitarbeiter wird das Gelände des Weißen Hauses heute betreten. Auf keinen Fall – mit Nullprozentiger Wahrscheinlichkeit – werden Sie die Präsidentin heute in Gewahrsam nehmen. Weder auf bundesstaatlichem Gelände noch in der Stadt Washington haben Sie die Befugnis –“

„Und ob wir die Befugnis haben“, sagte Paxton. „Meine gesamte Polizeitruppe –“

Chuck sprach weiter, ohne auf ihn zu achten. „Und die Behörde, die hier tatsächlich Befugnis hat, die Polizei von Washington, D.C., hat abgelehnt, den Haftbefehl auszuführen, den Sie bei sich tragen.“

Doch auch Paxton sprach unbeirrt weiter. „…wurde von der Stadt Washington, D.C. als Hilfskraft beordert.“

„Sir, Ihr Einsatz ist vergeblich und dazu noch gefährlich. Ich mache mir Sorgen, dass heute jemand ernsthaft verletzt werden könnte. Und ich kann Ihnen versprechen, dass es niemand von meinem Team sein wird.“

„Mein Sohn“, sagte Paxton, „Sie sind auf der falschen Seite der Geschichte. Wenn Sie auch nur ein bisschen Verstand besitzen, werden Sie beiseitetreten und mich meine Arbeit machen lassen. Wir werden reinkommen, egal wie Ihre Entscheidung aussieht.“

Chuck Berg ließ seine Schultern hängen. Er seufzte ausgiebig. So wollte er es also haben? Auf die harte Tour? Nun gut.

„Sheriff, wir haben Kampfhubschrauber in der Luft. Wir haben Scharfschützen auf dem Dach. Sie befinden sich bereits jetzt im Visier. Das muss Ihnen klar sein. Ich möchte Ihnen außerdem mitteilen, dass ich vor fünf Minuten die Verwendung tödlicher Gewalt autorisiert habe, um die Integrität der Sicherheitszone um das Gelände des Weißen Hauses zu bewahren. Ich rate Ihnen dringend, mir Ihre Unterlagen am Wachhaus zu übergeben. Sollten Sie oder einer Ihrer Männer den Versuch unternehmen, weiterzugehen, liegen die Konsequenzen ganz allein in Ihrer Verantwortung. Sollten Sie oder einer Ihrer Männer eine Waffe ziehen, werden Sie ebenfalls –“

Der Kandidat

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