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KAPITEL ZEHN
Оглавление12. November
08:53 Uhr Eastern Daylight Time
Westflügel
Das Weiße Haus, Washington, D.C.
„Es gab die ganze Nacht über gewalttätige Ausschreitungen“, sagte Kat Lopez. „Kurt hat die Details, aber am Schlimmsten war es in Boston, San Francisco und Seattle.“
„Warum erfahre ich erst jetzt davon?“, fragte Susan.
Sie gingen durch die Flure des Westflügels zum Oval Office. Ihre hohen Hacken klackerten auf dem Marmorboden. Susan fühlte sich so gut wie schon lange nicht mehr – erholt von einer langen Nacht. Sie hatte in ihrer privaten Küche gefrühstückt, ohne sich die Nachrichten anzusehen. Sie glaubte, dass sich die Dinge langsam zu ihren Gunsten entwickelten. Zumindest hatte sie das bis vor einer Minute noch geglaubt.
Kat zuckte mit den Schultern. „Ich wollte, dass Sie ein wenig Schlaf bekommen. Mitten in der Nacht hätten Sie sowieso nichts unternehmen können und ich habe damit gerechnet, dass heute ein langer Tag wird. Kurt war derselben Meinung.“
„Okay“, sagte Susan. Sie wusste, dass Kat sich nur Sorgen machte.
Ein Geheimdienstagent öffnete ihnen die Türen, während sie das Oval Office betraten. Kurt Kimball stand bereits da, Hemdärmel hochgekrempelt und bereit für was auch immer kommen mochte. Luke Stone saß in einem der Sessel, fast in der gleichen Position wie gestern Abend.
Stone trug ein schlichtes schwarzes T-Shirt, eine Lederjacke, Jeans und schicke Lederstiefel. Er sah frischer aus, weniger unnahbar, mehr bei der Sache als noch gestern. Seine Augen funkelten. Stone war wie ein Weltraumcowboy, dachte Susan. Manchmal war er einfach mit den Gedanken woanders, irgendwo im Äther verschwunden. Aber jetzt war er zurück.
„Hi, Kurt“, sagte Susan.
Kurt wandte sich ihr zu. „Susan. Guten Morgen.“
„Nette Stiefel, Agent Stone.“
Stone zog seine Jeans ein wenig hoch, um ihr mehr von den Stiefeln zu zeigen. „Ferragamo“, sagte er. „Meine Frau hat sie mir einst geschenkt. Sie sind sowas wie ein Liebhaberstück.“
„Mein Beileid wegen Ihrer Frau.“
Stone nickte. „Danke.“
Sie schwiegen einen Moment. Wenn sie gekonnt hätte, hätte Susan – oder Susans emotionale Hälfte – die nächsten 20 Minuten damit verbracht, Stone wegen seiner Frau auszufragen. Seine Beziehung zu ihr, wie er ihren Tod verarbeitet hatte, was er tat, damit er nicht depressiv wurde. Aber Susan hatte im Moment nicht die Zeit dafür. Ihre praktische Hälfte wusste, dass es Zeit war, den Plan für den heutigen Tag abzuarbeiten.
„Okay, Kurt, was haben Sie für mich?“
Kurt zeigte auf den Fernsehbildschirm. „Die Ereignisse überschlagen sich geradezu. So weit keine Überraschung. Gestern Nacht gab es eine Schießerei in New York Citys Chinatown. Eine große Gruppe Mitglieder von Gathering Storm sind um ungefähr 08:30 Uhr aufgetaucht und haben einen Marsch südlich von Canal Street veranstaltet. Natürlich war es eine Provokation. Innerhalb von Minuten gab es Schlägereien mit Einwohnern.“
„Gathering Storm, wie?“ Gathering Storm war eine der Organisationen, die Monroe unterstützte, von denen Susan ganz schlecht wurde. Sie fragte sich manchmal, was diese Leute dachten, dass sie taten. Natürlich hatten sämtliche Gewaltandrohungen bis jetzt ausschließlich im Internet stattgefunden. Doch jetzt war es real.
Kurt nickte. „Ja. Es scheint, als gäbe es eine Mindestgröße, um ihnen beitreten zu können. Die Schlägereien waren ziemlich einseitig, bis zwei Auftragsmörder der Triaden aus Hong Kong – die scheinbar für einen Auftrag in New York waren – das Feuer mit Uzi-Maschinenpistolen eröffnet haben. Aktuellen Zahlen zufolge gab es 36 Verletzte, einschließlich ein Dutzend Chinesen, die wahrscheinlich aus Versehen getroffen wurden, sowie sieben Tote, allesamt Mitglieder von Gathering Storm. Weitere drei Mitglieder schweben noch in Lebensgefahr.“
Susan war sich nicht sicher, was sie dazu sagen sollte. Gut so? Das war zumindest das Erste, was sie dachte.
„Die Triadenmitglieder?“
„Sind verhaftet aufgrund von mehrfachem Mord, versuchtem Mord und illegalem Waffenbesitz. Sie haben gerichtliche Übersetzer und so weit ich gehört habe, ist bereits ein Anwaltsteam aus Hong Kong unterwegs. Die Triaden haben tiefe Taschen, um es milde auszudrücken, und wir erwarten, dass die Anwälte versuchen werden, die Mordanklage auf Selbstverteidigung abzuschwächen und ein Plädoyer für die Waffen abzugeben.“
„Was denken Sie darüber?“, fragte Susan.
Kurt lächelte und schüttelte den Kopf. „New York hat keine Todesstrafe. Das ist so ziemlich das einzige Glück, was diese Typen momentan haben.“
„Was, wenn ich sie begnadige und sie mit Medaillen nach Hause schicke?“
„Ich glaube, wir haben genug Probleme.“
„Die da wären?“, fragte sie.
„Naja, als die Nachrichten aus New York sich verbreiteten, haben sich die Leute wohl ermutigt gefühlt. Gruppen an jungen Männern sind um ungefähr 10 Uhr in Bostons Chinatown auf die Straße gegangen und haben angefangen, Leute anzugreifen. Es handelte sich scheinbar um junge Männer, die in Bars unterwegs waren, da alle vier Verhaftete betrunken waren.“
„Vier Männer wurden verhaftet? Sie sagten, es seien Gruppen –“
„Ja. Es scheint, als wäre die Bostoner Polizei ein wenig großzügiger gewesen, als uns lieb wäre. Sie haben die meisten Täter mit einer Verwarnung davonkommen lassen.“
„Was noch?“
„Einige Mitglieder der Motorradgang Nazi Lowriders in Oakland ist in San Francisco in Chinatown eingedrungen und hat Leute auf offener Straße mit abgesägten Billard-Queues angegriffen. Mehr als 40 von ihnen wurden verhaftet. Zwei ihrer Opfer sind in kritischem Zustand im Krankenhaus.“
Susan seufzte und schüttelte den Kopf. „Großartig. Sonst noch was?“
„Ja. Wahrscheinlich die aufregendsten Neuigkeiten. Jefferson Monroe will heute Morgen auf einer Versammlung sprechen, vielleicht um die Gewalt letzte Nacht anzusprechen, vielleicht auch wieder, um Sie dazu aufzurufen, das Amt abzutreten. Niemand ist sich sicher, was er genau sagen wird. Aber das Beste ist, wo er seine Versammlung abhalten wird.“
Susan mochte es gar nicht, wenn Kurt nicht direkt mit der Sprache herausrückte.
„Na los, Kurt, raus damit. Wo?“
„Lafayette Park. Direkt auf der anderen Straßenseite.“