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KAPITEL SIEBEN
Оглавление18:47 Uhr Eastern Standard Time
Das Oval Office
Das Weiße Haus, Washington, D.C.
Sie war allein, als Luke ins Büro gebeten wurde.
Einen Moment lang dachte er, sie würde schlafen. Sie saß in einem Sessel in der Mitte des Raums. Sie sah aus wie ein kaputter Crashtest-Dummy oder ein Schulkind, das seinen Unmut ausdrückt, indem es sich so lässig wie möglich hinsetzt.
Das neue Resolute Desk stand hinter hier. Die schweren Vorhänge waren zugezogen. Auf dem Boden, rund um die Umrisse des ovalen Teppichs befand sich eine Inschrift:
Das Einzige, was wir zu fürchten haben, ist die Furcht selbst – Franklin Delano Roosevelt
Die Worte liefen rund um den Teppich und hörten genau da auf, wo sie auch begonnen.
Sie trug eine blaue Hose und eine weiße Bluse. Ihr Blazer hing auf einem der Stühle, die am Schreibtisch standen. Ihre Schuhe lagen wie unachtsam weggeworfen auf dem Teppich.
Trotz ihrer Haltung waren ihre Augen wachsam. Sie beobachtete ihn.
„Hi, Susan“, sagte er.
„Hast du meine Pressekonferenz gesehen?“, fragte sie.
Er schüttelte den Kopf. „Ich schaue schon seit einem Jahr kein Fernsehen mehr. Seitdem fühle ich mich viel besser. Du solltest es auch mal ausprobieren.“
„Ich habe dem amerikanischen Volk gesagt, dass ich mein Amt nicht abgeben werde.“
Luke lachte fast. „Ich wette, das ist gut gelaufen. Was ist passiert? Hast du so sehr gefallen an deinem Job gefunden, dass du nicht mehr aufhören willst? Ich bin mir ziemlich sicher, dass das Ganze so nicht funktioniert.“
Ein zurückhaltendes Lächeln umspielte ihre Lippen. Dieses Lächeln, auch wenn es kaum zu sehen war, erinnerte ihn daran, warum sie einst ein Supermodel gewesen war. Sie war wunderschön. Ihr Lächeln brachte jeden Raum zum Leuchten. Es konnte sogar den Nachthimmel erhellen.
„Sie haben die Wahl gestohlen.“
„Natürlich haben sie das“, sagte er. „Und du wirst sie jetzt zurückstehlen. Klingt wie ein guter Plan.“ Er schwieg für einen Moment. Dann sagte er ihr, was er wirklich dachte. „Hör zu, ich glaube, du bist ohne diesen Job besser dran. Sie werden keine Susan Hopkins mehr haben, die sie herumschubsen können. Lass sie doch sehen, wie schlimm die Dinge laufen, wenn du nicht da bist. Sie werden dich darum anbetteln, zurückzukommen.“
Sie schüttelte ihren Kopf und lächelte jetzt noch mehr. „Ich bin mir ziemlich sicher, dass das Ganze so nicht funktioniert.“
„Ich auch nicht“, sagte er.
Sie schüttelte ihren Kopf. Ein langes Seufzen entfleuchte ihr.
„Wo warst du, Luke Stone? Du hättest hierbleiben sollen. Wir haben ganz schön viel Spaß gehabt, sobald das Chaos sich ein wenig beruhigt hatte. Wir haben viel Gutes erreicht. Und du wolltest mir zeigen, wie man schießt. Schon vergessen?“
Er zuckte mit den Schultern. „Stimmt. Du wolltest den Vorsitzenden des Vereinigten Generalstabs erschießen. Ich erinnere mich. Aber ich habe selbst seit neun Monaten keine Waffe in der Hand gehabt. Ich wollte eigentlich ab und zu auf den Schießstand gehen, um nicht völlig einzurosten. Aber dann dachte ich mir, wozu? Ich will niemanden mehr erschießen. Und selbst, wenn ich eines Tages muss, bin ich mir ziemlich sicher, dass ich schon nichts verlernt haben werde.“
„Wie Fahrradfahren?“, sagte sie.
Er lächelte. „Oder wie von einem herunterfallen.“
Sie setzte sich auf und zeigte auf den Stuhl vor ihr. „Du weißt wirklich nicht, was vor sich geht?“
Luke setzte sich hin. Der Stuhl war aufrecht, weder gemütlich noch unangenehm. „Ich habe ein paar Gerüchte gehört. Der Neue ist Rechtsaußen. Er mag die Chinesen nicht. Er will die Fabrikarbeiter unterstützen. Nicht sicher, wie er das anstellen will – will er all die Roboter auf den Müll schmeißen? Wie dem auch sei, wenn es das ist, was die Leute wollen…“
„Unwissenheit ist ein Glück, schätze ich“, sagte Susan.
„Das Ganze wirkt nicht gerade glücklich auf mich, aber –“
„Er ist ein Faschist“, sagte sie. „Er ist ein Milliardär, ein Räuberbaron, der schon seit Jahrzehnten Gruppen für die Weiße Vorherrschaft unterstützt, scheinbar schon seitdem er im Senat sitzt. Er will an seinem ersten Amtstag einen Krieg mit China anzetteln, möglicherweise mit taktischen Nuklearschlägen, auch wenn ich mir nicht sicher bin, wie viele dem wirklich Glauben schenken. Er will Sicherheitszäune und Mauern um Chinatowns in verschiedenen Städten errichten. Seine Reden sind voll mit Hass für Minderheiten, Homosexuelle, Menschen mit Behinderungen, für jeden, der nicht seiner Meinung ist. Außerdem hat er sich deutlich gegen die Unabhängigkeit der Judikative ausgesprochen.“
Luke war sich nicht sicher, was er davon halten sollte. Er hatte das politische Geschehen schon seit langem nicht mehr verfolgt. Er vertraute Susan und er sah, dass sie daran glaubte, was sie ihm erzählte. Aber er hatte auch Schwierigkeiten, selbst daran zu glauben. Als er Teil des Militärs gewesen war, hatte er unter konservativen Präsidenten gedient, als Mitglied des Special Response Teams unter liberalen Präsidenten. Natürlich unterschieden sie sich voneinander, aber so sehr? Weiße Vorherrschaft, Sicherheitszäune um Enklaven, in denen Minderheiten lebten? Nein. Das war nicht möglich. Egal, wer an der Macht war, es gab immer noch etwas, was man den American Way of Life nannte.
„Und du willst mir sagen, dass Leute für ihn gewählt haben?“
Sie schüttelte den Kopf, ebenso ungläubig wie er. „Wir glauben, dass es Wahlbetrug in unerhörtem Ausmaß gab, Unterdrückung von Stimmen in mindestens fünf Staaten. Deswegen habe ich gesagt, dass sie die Wahl gestohlen haben.“
Luke fing an, das große ganze Puzzle zu sehen, aber einige Stücke fehlten ihm noch. „Willst du, dass ich das untersuche?“, fragte er. „Hast du mich deswegen hierherbestellt? Mir scheint, als gäbe es da hunderte andere –“
„Nein“, sagte sie. „Du hast recht. Es gibt tatsächlich hunderte andere Leute, die das tun können. Unsere Analysten schauen sich die Wahlmaschinen bereits an. Wir haben Ermittler, die Untersuchungen über Wahlunterdrückung anstellen, insbesondere in schwarzen Bezirken in den Vororten im Süden. Und die Indizien sind schon jetzt ziemlich eindeutig. Für die Untersuchung brauchen wir dich wirklich nicht.“
Ihre Antwort verwirrte ihn, verärgerte ihn sogar ein wenig. Er war alleine gewesen, hoch in den Bergen und hatte sich um seine eigenen Probleme gekümmert. Er hatte sich selbst herausgefordert. Er hatte Gott herausgefordert, ihn umzubringen. Vielleicht, um der Erleuchtung ein wenig näher zu kommen.
Doch jetzt war er zurück in Washington, D.C. und wurde von seinem Sohn angeschrien und von seiner ehemaligen Schwiegermutter belächelt. Er hatte sich durch den Feierabendverkehr geschlängelt und sich Sicherheitschecks unterzogen. Er hatte seinen Bart abrasiert und seine Haare geschnitten. Er war wieder unter normalen Menschen und ihren Problemen und Sorgen. Als er noch Soldat gewesen war, hatten sie es „zurück in der echten Welt“ genannt – ein Ort, an dem er eigentlich gar nicht sein wollte.
„Was tue ich dann hier?“, fragte er.
„Da bin ich mir auch noch nicht ganz sicher“, sagte sie. „Aber ich weiß, dass ich dich brauche. Indem ich mich geweigert habe, mein Amt abzutreten, habe ich etwas getan, was noch nie vorher jemand getan hat. Das ist das erste Mal in der Geschichte Amerikas. Die Dinge könnten hier sehr schnell den Bach runtergehen und ich habe nicht viele Leute in meiner Verwaltung, denen ich traue. Ich meine uneingeschränkt, zu hundert Prozent, ohne Zweifel. Ein paar, ja, aber nicht viele.“
Sie zeigte auf ihn. „Und dich. Als ich frisch im Amt war, hast du das Land wieder und wieder vor dem Untergang bewahrt. Du hast mein Leben gerettet. Und meine Tochter. Vielleicht hast du sogar die Welt vor einem Atomkrieg gerettet. Und dann bist du verschwunden, als es gerade gut wurde. Ich habe noch nie jemanden wie dich getroffen, Luke. Du bist für schlechtes Wetter gebaut, um es milde auszudrücken. Und für mich fühlt es sich so an, als wenn gerade ein Sturm aufzieht.“
Für schlechtes Wetter gebaut.
So hatte es noch nie jemand ausgedrückt. Aber natürlich hatte sie recht – sie wusste, wie er tickte, vielleicht besser als Becca es je gewusst hatte. Besser vielleicht, als er sich selbst kannte. Er war nicht nur für schlechtes Wetter gebaut, er lebte dafür. Wenn die sprichwörtliche Sonne schien, langweilte er sich schnell. Er ging davon. Und suchte nach dem nächsten Hurricane, in den er sich verirren konnte.
„Also, was soll ich tun?“
„Bleib nah bei mir. Wohn für eine Weile in der Residenz des Weißen Hauses. Wir können uns einen offiziellen Titel für dich ausdenken – persönlicher Bodyguard. Informationsstratege. Das klingt vielleicht ein bisschen komisch, aber egal. Chuck Berg ist immer noch Leiter für den Personenschutz beim Geheimdienst. Er kennt und respektiert dich. Es gibt hier genug Räume, in denen man unterkommen kann. Du kannst sogar ins Lincoln-Schlafzimmer, wenn du willst. Da haben wir schon einige Prominente untergebracht. Der Sänger der Rockband Zero Hour und seine Frau haben erst vor einigen Wochen darin übernachtet. Nette Leute – ganz anders als auf der Bühne. Er hat einige Spendenprojekte in Afrika organisiert, hat für Wasserfiltersysteme bezahlt und so weiter.“
Sie holte kurz Luft, bevor sie weitererzählte. „Offensichtlich weißt du, dass das Weiße Haus vor zwei Jahren komplett neu gebaut wurde, also hat Lincoln selbst natürlich nie wirklich im neuen Lincoln-Schlafzimmer geschlafen, aber…“
Es schien Luke, als würde sie jetzt nur noch schwafeln. Sie war wie ein kleines Mädchen, das versucht, einem Erwachsenen etwas zu erklären, ohne jemals zu erwähnen, was sie überhaupt meinte.
„Du willst ein Schmusetuch“, sagte er. „Deswegen bin ich hier.“
Sie nickte. „Ja. Als Kind hatte ich eins. Es war weich und hatte einen süßen Dinosaurier aufgestickt. Später irgendwann war es nur noch ein großer grüner Fleck. Ich habe es Decki genannt. Oh Mann, ich vermisse dieses Teil.“
Jetzt lachte Luke laut auf. Es klang wie ein plötzliches Hundebellen. Es fühlte sich gut an, zu lachen. Er konnte sich nicht erinnern, wann das das letzte Mal passiert war.
„Decki, wie?“
„Genau. Decki.“
Gab es da noch mehr, um das sie ihn beten wollte? Er wusste es nicht genau. Zum Teufel, die Residenz des Weißen Hauses? Das war ein eindeutiges Upgrade im Vergleich zum Zimmer im Marriott, das sie ihm letzte Nacht zur Verfügung gestellt hatten.
„Okay“, sagte er. „Ich bin dabei.“