Читать книгу Marseille.73 - Dominique Manotti - Страница 11

Donnerstag, 23. August

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Das Team Daquin zieht Bilanz in Sachen UFRA-Ermittlung. Grimbert hat zwei ernst zu nehmende Fährten, die man verfolgen kann.

»Das Kommissariat des 15. Arrondissements ist möglicherweise mit der Susini-Bande verquickt …«

Das macht Eindruck auf Daquin und Delmas. Man hat es mit der Spitzenklasse zu tun.

»Eine andere Fährte: Brigadier Picon, dem ich mal begegnet bin. Ich war noch bei den Uniformierten, als er 1962 kam. Er ist kein guter Bulle, nicht zuverlässig, nicht sorgfältig, nicht geduldig. Aber er verfügt über eine Form von Schläue und ein Gespür für Kontakte, was ihm erlaubt hat, Karriere zu machen. Er gehört zum engen Kreis vom Dicken Marcel, der ihn als Brücke zu den Pieds-Noirs braucht.«

»Und wie wird der Dicke Marcel reagieren?«

»Keine Sorge. Ich war bei ihm. Ich habe meinen Passierschein.«

»Jetzt Sie, Delmas.«

»Ich habe mich für Asensio interessiert, den UFRA-Verantwortlichen für das Departement Bouches-du-Rhône. Sagen wir, ein Werdegang wie aus dem Bilderbuch. Er hatte eine schöne Weinhandelsfirma in Oran, verheiratet, kinderlos. Seine Frau stirbt 1960. 1961 kommt er mit der ersten Heimkehrerwelle nach Marseille. Da ist er fünfundvierzig und hat alles verloren, als er Algerien verließ, aber er geht vor der großen Welle und lässt sich in Marseille nieder. Weniger als ein Jahr später: Geniestreich, er tut sich mit einem Korsen zusammen – ungewöhnlich für einen Pied-Noir –, um eine Peugeot-Konzession zu erwerben. Umso ungewöhnlicher, als sein Partner, Battiste Paolini, ein Vertrauter von Charles Pasqua ist, diesem Gaullisten der ersten Stunde und Mitgründer des SAC, des gaullistischen Ordnungsdiensts. Der führte damals einen geheimen und brutalen Krieg gegen de Gaulles Gegner, zu deren erbittertsten die Männer der OAS gehören, die wiederum eng mit dem Pied-Noir-Milieu verflochten sind. Paolini wird sehr schnell eine wichtige Figur im SAC. Ich habe in der Presse Artikel und Fotos gefunden. Als guter Korse erweist er den Guérini-Brüdern einige Dienste, den Bossen der Marseiller Unterwelt, was leichte Spuren in seinem Strafregister hinterlässt. Unterdessen baut Asensio seine Beziehungen zu den Pied-Noir-Verbänden aus und freundet sich mit Alvarez an, dem Gründer der UFRA. Ich war in der Handelskammer, wo ich ein Dokument gefunden habe, das ein Loblied auf die Peugeot-Konzession singt und uns außerdem ein paar Orientierungspunkte gibt. Die Firma wächst, diversifiziert sich. 1965, als Pasqua Marseille verlässt, um nach Paris ›aufzusteigen‹, reist Paolini nach Abidjan, um dort eine Verkaufsniederlassung für Peugeot-Neu- und Gebrauchtwagen aufzumachen. Zwei Jahre später gründet er eine Tochterfirma in Marseille, die Luxus­autos mit Chauffeur-Leibwächter vermietet und sechs oder sieben Wagen besitzt. Die Kundschaft besteht aus durchreisenden Milliardären, die in der Region und bis in die Umgebung von Nizza unterwegs sind. Das Geschäft scheint zu brummen.

Um auf Asensio selbst zurückzukommen, so hat er keine Geldsorgen. Er bewohnt ein Appartement in einem Gebäude der UFRA, das hat er gekauft, als der Verein sich im selben Haus eingerichtet hat. Die Sekretärin, Nadia Mokhrani, wohnt ebenfalls dort. Ich frage mich, ob nicht ein Finanzschwindel dahintersteckt …«

Daquin unterbricht ihn. »Oder etwas anderes. Nadia Mokhrani ist eine sehr schöne Frau.«

»Richtig. Ich habe ein bisschen gegraben, um herauszufinden, in welcher Beziehung sie zu Asensio steht. Ich war überrascht. Vor 1967 habe ich nichts über sie gefunden. Zu diesem Zeitpunkt ist sie fünfzehn und Asensio wird ihr gesetzlicher Vormund, und zwar dank einem surrealistischen Procedere: Über das Mädchen existieren keinerlei Daten zur Person, sie kommt aus dem Nichts, kein gesetzlicher Elternteil am Horizont, aber dank zahlreicher Fürsprecher, darunter Alvarez, der UFRA-Geschäftsführer, geht der Vorgang glatt durch. Asensio übernimmt im gleichen Jahr die Leitung der Vereinsniederlassung im Departement Bouches-du-Rhône, Alvarez und er werden unzertrennlich. Jetzt ist Nadia einundzwanzig, sie ist volljährig, und sie hat gerade einen französischen Ausweis bekommen.«

»Asensio und Alvarez, eine politische oder eine geschäftliche Verbindung?«

»Beides ist möglich und dürfte sich kombinieren lassen.«

»Sehr guter Start, vielversprechend. Sie haben beide genug für ein Treffen mit den Toulonern. Wie wir weitermachen, schauen wir nach Ihrer Rückkehr. Ich übernehme es, Percheron zu informieren und ihn um technische Ausrüstung zu bitten.«

Daquin sucht Percheron in seinem Büro auf. Die beiden Männer sitzen einander gegenüber, Percheron mit steifem Oberkörper, nach hinten gelehnt, in der Defensive. Die Antipathie ist eindeutig gegenseitig. Daquin umreißt in aller Kürze die zwei Ermittlungsrichtungen seines Teams.

»Fährten, noch keine Ergebnisse. Meine beiden Inspecteurs sind heute in Toulon, um unsere Kollegen zu treffen.«

»Gut. Ich erneuere meinen Rat: Vorsicht, was die Marseiller Polizisten betrifft.«

»Ist notiert. Weiß der Staatsanwalt von Marseille von der Mission, mit der Sie uns betraut haben?«

»Ich habe ihn informiert. Er wird den Staatsanwalt von Toulon kontaktieren. Er hält es für verfrüht, in Marseille ein Ermittlungsverfahren zu eröffnen …«

»Da hat er recht.«

»… und sollte es Ärger geben, haben wir seine Rücken­deckung.«

Daquin lächelt skeptisch. »Ich habe verstanden. Außerdem brauche ich technische Unterstützung. Für den Anfang die Telefon­überwachung der Marseiller Vereinsniederlassung und der Privatleitung ihres Geschäftsführers.«

»Die beschaffe ich Ihnen. Ergibt sich logisch aus dem Kontext des Auftrags, den ich Ihnen erteilt habe. Sie haben sie bis morgen. Aber mehr ist bis auf Weiteres nicht drin.«

»Ich bräuchte auch einen guten Fotoapparat, um die Leute zu identifizieren, die das Vereinslokal aufsuchen. Und vielleicht Abhörwanzen.«

»Fotoapparat ja. Abhörwanzen nein. Das gehört nicht zu den Gepflogenheiten der Brigade Criminelle.«

»Genauso wenig wie die Sorte Auftrag, die Sie uns erteilt haben. Wir agieren an der Grenze zur Geheimdienstarbeit.«

Die beiden Männer Auge in Auge, angespannt. Daquin denkt: ›Spuck’s aus, sag mir, warum du uns in diese Scheiße schickst. Willst du die Kontrolle behalten und misstraust dem Geheimdienst, der sich deinem Einfluss entzieht? Willst du uns reinreiten?‹, und das sieht man ihm an.

»Gut, belassen wir es dabei, Daquin. Und halten Sie mich auf dem Laufenden.«

Marseille.73

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