Читать книгу Pläne sind zum Ändern da - Dorina Kasten - Страница 14

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Es klopfte. Johannes steckte seinen Lockenkopf durch den Türspalt. „Sie wollten mich sprechen, Chefin?“

„Setzen Sie sich, Johannes. Ich hab Ihnen den neuen Zeitplan gemailt. Wie wir ja nun seit gestern wissen, haben wir nicht mehr so viel Zeit bis zur Eröffnung. Schauen Sie sich’s mal an! In diesem Monat muss unbedingt noch die Liste mit den exakten Nummern für die einzelnen Exponate fertig werden. Die Nummern sind ja dann später identisch mit den Beschriftungsnummern in den Vitrinen. Wie weit sind Sie denn damit?“

„Fast fertig. Nur der Abschnitt Neustadt im neunzehnten Jahrhundert fehlt noch.“

„Ja, ich weiß, darum kümmere ich mich in den nächsten Tagen. Da wollten wir die aufstrebende Wirtschaft anhand von neu entstehenden Unternehmen zeigen. Ich glaube, im Fundus des ehemaligen Stadtmuseums finden wir dazu schöne Beispielobjekte. Ich werde mich mit Leo mal umsehen. Dann kann er gleich den Zustand prüfen und zur Not noch das eine oder andere restaurieren. Wir bringen die Sachen ins Zwischenmagazin, sodass Sie alles aufnehmen und vermessen können. Die Karteikarten mit Angaben zu jedem Exponat lege ich bei. Ach ja, und geben Sie gleich alles in das Inventarisierungsprogramm ein! Das ist ein Abwasch. Der PC dort ist wieder in Ordnung.“

Ihr Handy klingelte. Hanna war dran. Sie gab Johannes ein Zeichen, dass sie fertig waren.

„Hanna! Na, Schwesterherz? Was gibt’s denn?“

„Oh, nichts Besonderes. Ich dachte nur, wir könnten mal wieder zusammen Kaffee trinken? Hast du heute Zeit?“

Nora überlegte kurz. „Wie wär’s um vier im PUSSICAT?“ „Abgemacht! Bis nachher. Muss noch ein Schwergewicht massieren. Danach kann ich eine Stärkung gebrauchen.“ Sie lachte gackernd, und Nora fiel mit ein. So hatten sie schon als Kinder herumgealbert und noch jetzt, als erwachsene Frauen, konnten sie jede Geburtstagsrunde mit ihrem ansteckenden Lachen erheitern oder nerven, je nachdem. Hannas Ex hatte immer eine Augenbraue gehoben und keine Miene verzogen, aber das war eine andere Geschichte.

Drei Stunden später saß Nora auf einer Couch im PUSSICAT und wartete auf ihre Schwester, die fast jedes Mal zu spät kam. Das Café hatte im letzten Jahr neu eröffnet und war der Renner in Neustadt. Inzwischen musste man reservieren, um einen Tisch zu bekommen. Die Inhaberin war eine üppige Mittvierzigerin, die sich damit einen Lebenstraum erfüllte. Sie stand selbst hinterm Tresen, begrüßte alle Gäste persönlich und nahm die Bestellungen auf. Den Kaffee und selbstgebackenen Kuchen brachten dann die Herren, die sie aufs Feinste angelernt hatte. Alle kamen aus artfremden Berufen und waren zuvor arbeitslos gewesen. Sie trugen lange Kellnerschürzen und weiße Hemden. Man kam sich wegen ihrer ausgesuchten Höflichkeit vor, wie in einem Wiener Kaffeehaus. Auch die Ausstattung des Lokals ähnelte einem solchen. Es gab runde Holztische mit geschwungenen Beinen, Sessel und Sofas mit Biedermeier-Bezügen, Rüschengardinen, Rosen in kleinen Vasen und gedimmtes Licht. Was Nora besonders freute, war, dass an den Wänden Gemälde von Neustädter Künstlern hingen, Landschaften und Stillleben, die die Wirtin eigens angekauft hatte. Rosi selbst war stets sorgfältig geschminkt und frisiert. Die dunklen Locken hatte sie mit einem breiten Band gezähmt. Heute war es ein grünes. Sie war ziemlich groß und versteckte ihre drallen Rundungen in einer Haremshose und einem sogenannten Überwurf. Der hatte aber einen so tiefen Ausschnitt, dass wenigstens ihr toller Busen zur Geltung kam, nicht zuletzt durch die goldene Kette mit einem Pfeil als Anhänger, der direkt darauf zeigte.

Nora war jedes Mal beeindruckt von ihrer Aufmachung. Sie selbst hatte zwar Schuhe mit hohen Absätzen an, aber kombiniert mit Jeans und Pullover. Morgens musste es immer schnell gehen. Sie schminkte nur die Wimpern und pinselte etwas Rouge auf, damit sie nicht so blass wirkte. Aus Schmuck machte sie sich nichts, sie trug lediglich ihren Ehering und fast immer die gleichen Ohrringe.

Jetzt kam Rosi an ihren Tisch. Inzwischen kannten sie sich schon etwas, und Nora nahm ihr nicht übel, dass sie sagte: „Na, Schätzchen, du wartest doch nicht etwa auf einen Lover?“

Nora lachte. „Nein, auf meine Schwester. Sie kommt sicher gleich.“

Hanna arbeitete als Physiotherapeutin in einer Praxis in Neustadt. Nach ihrer Scheidung war sie von Friedrichshagen hierhergezogen. Sie hatte vor fünfzehn Jahren ihre Familie wegen eines anderen Mannes verlassen. Das war damals in ihrem Heimatort ein ziemlicher Skandal gewesen. Auch ihre Eltern hatten sehr darunter gelitten, zumal Anton, ihr Neuer, der Neffe ihrer Mutter war. Hanna, dieses Schaf, hatte alle Schmach auf sich genommen und war ausgezogen.

Nora war von Anfang an klar gewesen, dass sie wohl kaum die alleinige Schuld am Scheitern ihrer Ehe trug. Erst viel später hatte sich herausgestellt, dass auch ihr Schwager längst eine andere liebte. Er hatte es nur nicht an die große Glocke gehängt.

Am schlimmsten war das Gezerre um die Kinder gewesen. Hannas Anwalt hatte ihr geraten, die beiden Mädchen vorerst beim Vater zu lassen und dann einen Antrag auf das Sorgerecht zu stellen. Zu Nora hatte sie damals gesagt, es war, als hätte man ihr beide Arme abgehackt. Einerseits fühlte sie sich schuldig an der Misere, andererseits wollte sie auch nicht zurück.

Ein paar Monate später kam die kleine Marta dann per Gerichtsbeschluss zu ihr. Mandy war schon vierzehn und wollte bei ihrem Vater bleiben. Inzwischen waren sie erwachsen und die Probleme von damals verblasst.

„Warum hast du deine Stirn in Falten gelegt? Mach das weg! Das bleibt sonst so stehen!“ Hanna, die eben an den Tisch fegte, gackerte sofort los.

„Ich weiß“, antwortete Nora schuldbewusst, „das hat Mutti immer gesagt, wenn wir Grimassen geschnitten haben.“

Die beiden Frauen begrüßten sich herzlich. Hanna ließ sich neben ihrer Schwester auf dem Sofa nieder. Sie hatte wie immer ein Kleid an und legte, genau wie Rosi, viel Wert auf ihr äußeres Erscheinungsbild. Die blondgefärbten Haare waren lang und etwas abgestuft. Auch Schmuck trug sie reichlich. Nora wusste, dass Anton sie großzügig behängte, wie er scherzhaft zu sagen pflegte. Die Wirtin kam an ihren Tisch und nahm in ihrer unnachahmlichen Art die Bestellung auf: „Na, meine Süßen? Was darf ich euch bringen lassen?“, säuselte sie und warf dabei ihre Mähne zurück.

„Für mich ein Kännchen Kaffee und ein Stück Mohntorte“, erwiderte Nora.

Hanna wollte nur einen großen Milchkaffee. „Ich bin auf Diät.“ Das war sie seit gefühlten vierzig Jahren. Zugegeben, sie war etwas fülliger als Nora, und irgendwann in letzter Zeit war auch ihre Taille abhandengekommen, aber diese Diäten hatten ihr noch nie etwas anderes als schlechte Laune eingebracht.

„Warum willst du denn abnehmen? Anton liebt dich doch so wie du bist.“

„Bald ist Urlaubszeit, da will ich in den Badeanzug vom letzten Jahr passen“, erklärte Hanna.

„Kauf dir einen neuen. Rosi! Können wir bitte noch ein Stück Mohntorte haben?“

„Hast ja recht. Jetzt in den Wechseljahren bringt es sowieso nichts mehr“, stellte Hanna resigniert fest; ein paar Minuten später schob sie sich genüsslich ein Stückchen Torte in den Mund.

„Wann zieht ihr um?“, fragte Nora nun.

Hanna und Anton hatten ein Haus in Friedrichshagen gebaut und wollten sich um ihre Eltern kümmern. Nora war froh darüber. Auch Antons Mutter lebte noch dort und brauchte mehr und mehr Hilfe.

„Spätestens im September, denke ich. Am Anfang werden sich bestimmt einige das Maul zerreißen, wenn die Rabenmutter, die ihre Kinder verlassen hat, wieder da ist. Aber was soll’s, da müssen sie durch.“

„Ach komm, das ist eben auf dem Lande so. Der Tratsch geht auch vorbei, zumal dein Ex ja längst nicht mehr in Friedrichshagen wohnt.“

Hanna nahm einen großen Schluck Kaffee und wischte sich den Schaum mit dem Handrücken von der Oberlippe. „Mag sein. Inzwischen ist es mir auch egal. Ich freue mich jedenfalls, wieder dort zu wohnen. Und das Haus wird schön!“, schwärmte sie.

„Hoffentlich zieht ihr nicht vor Ende September um. Davor habe ich nicht viel Zeit, um dir beim Packen zu helfen.“ Nora berichtete ihrer Schwester in groben Zügen von der Terminverschiebung der Ausstellungseröffnung.

Hannas Augen wurden groß. „Das ist ja ein dicker Hund! So, so, die Schneekönigin, von der hört man ja nur solche Sachen. Hast du die schon mal lachen sehen? Ich nicht. Ständig total verkniffen, auf allen Zeitungsfotos. Dabei ist sie gerade erst vierzig. Schade um das Mädel!“

„Sie soll uns einfach nur unsere Arbeit machen lassen. Das würde mir schon reichen“, klagte Nora.

Rosi kam zum Kassieren und wünschte den Schwestern „schöne Stunden bis zum Wiedersehen“.

„Ich muss noch mal aufs Klo. Kommst du mit?“, fragte Hanna. Zu zweit gingen sie die schmale Treppe zum WC hinunter. Wie das Café, war natürlich auch das Örtchen etwas Besonderes. Rosentapeten säumten den Weg dorthin; sogar das Toilettenpapier war mit Blumen bedruckt. Walzermusik ertönte aus den Lautsprechern.

Beim Händewaschen, selbstverständlich mit Rosenseife, fragte Nora ihre Schwester: „Schläfst du eigentlich noch mit Anton?“

Hanna starrte sie verständnislos an: „Ja, mit wem denn sonst?“

Nora wurde rot. „Die Betonung lag eigentlich auf dem ersten Wort.“

„Na, aber hallo! Was dachtest du denn?“

„Ach, nur so …“

„Jetzt, wo man nicht mehr verhüten muss, ist das doch alles noch viel entspannter.“

Daran hatte Nora noch gar nicht gedacht.

Endlich fiel bei Hanna der Groschen: „Ja, dann lass dir doch mal was einfallen! Verführ ihn, mit Spitzenunterwäsche und so, klappt immer.“ Sie lächelte aufmunternd.

Pläne sind zum Ändern da

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