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Nora sah aus dem Küchenfenster zu Ralfs Praxis hinüber. Sie lag genau gegenüber von ihrem Wohnhaus. Schon vor fünfundzwanzig Jahren hatten sie den alten Bauernhof in Hickelshagen übernommen und nach und nach alle Gebäude ausgebaut. Das hatte mehrere Jahre gedauert. Nora hatte manchmal gedacht, sie lebe auf einer Baustelle. Ständig hatten sie Zementstaub und anderen Dreck mit in die Wohnung getragen. Im Flur ließ Nora dauerhaft einen Wischeimer stehen. Manchmal fragte sie sich, wie sie das damals alles geschafft hatte, die Arbeit, das Kind, den Haushalt, die Putzerei und das Kochen für die Handwerker am Wochenende. Aber irgendwie war es wohl gegangen. Ralf hatte auch viel gearbeitet, dennoch hatten sie sich immer mal ein paar Stunden zu zweit gegönnt, um dem Alltag zu entkommen. Bea war bei Else und Otto gewesen, und sie beide waren einem für Nora unbekanntem Ziel entgegengefahren.

Bei dem Gedanken an Ralfs Einfallsreichtum musste sie lächeln. Einmal hatte er sich einen Jeep geliehen; sie hatten mitten im Wald auf dem Hochsitz eines befreundeten Jägers übernachtet, der sehr komfortabel mit einer Schlafcouch eingerichtet war. Noch jetzt schlug ihr Herz heftiger, wenn sie an diese Nacht dachte. Wie lange das alles schon her war! Die Sprechstunde war fast vorbei. Heute, am Sonnabendvormittag, waren nicht so viele Leute mit ihren kranken Tieren gekommen. Nachmittags hatte Ralf noch Hausbesuche vor. Nora wollte die Zeit nutzen, um sein Lieblingsessen zu kochen, denn heute war ihr dreißigster Hochzeitstag. Ob er wohl daran denken würde? In der Vergangenheit war es selten vorgekommen, dass er diesen Tag vergessen hatte. Meistens brachte er ihr ein kleines Geschenk mit oder lud sie in ein Restaurant ein.

Na ja, mal schauen, sagte sie sich. Heute hatten sie sich noch gar nicht gesehen. Er war früh aufgestanden, und sie hatte etwas länger geschlafen.

Sie verharrte immer noch mit ihrer Kaffeetasse am Fenster, als ein großer Jeep auf den Parkplatz einbog. Umständlich kletterte eine Frau aus dem Auto, bemüht, mit ihren spitzen Absätzen nicht in den Rasengittersteinen hängen zu bleiben. Über den roten Locken trug sie einen riesigen Hut, so in Sombrero-Art, wie Nora belustigt feststellte: Ella von Bredenbrick. Die bekannteste Frau in Hickelshagen und darüber hinaus. Nora kam selbst vom Lande und wusste, wie hier, wo jeder jeden kannte, getratscht wurde. Aber wenn nur die Hälfte von dem stimmte, was über Ella von Bredenbrick erzählt wurde, hatte die Frau eine bewegte Vergangenheit.

Sie war ungefähr vierzig Jahre alt und lebte in einem großen Haus zusammen mit zehn Hunden. Sie kam fast täglich in die Praxis mit einem der Viecher. Irgendwas war ja immer: Entwurmung, Tollwutspritze oder Durchfall.

Frau Keipke, Ralfs Mitarbeiterin, hatte sie „Hundemutter“ getauft, weil sie die Tiere wie Kinder behandelte. Zwei Ehemänner hatte sie schon unter die Erde gebracht, die allerdings sehr viel älter als sie gewesen waren. Graf von Bredenbrick, dessen Namen sie trug, war an einem Zuckerschock gestorben. Irgendwie hatte der Notarzt es nicht rechtzeitig zu ihm geschafft. Ihr zweiter Gatte, Ulli Höffer, ein hiesiger Bauunternehmer, war eines Tages aus ungeklärter Ursache vom Gerüst gestürzt. Die Dame hatte nun Geld genug und brauchte nicht zu arbeiten.

Nora beobachtete amüsiert, wie sie mehrfach versuchte, die Heckklappe ihres Jeeps zu öffnen, um drei Körbe herauszuholen, in denen sich kleinere Hunde befanden. Sie ließ die Körbe stehen und stöckelte in Richtung Praxis.

Noch bevor sie die Eingangstür erreicht hatte, kam Ralf ihr entgegen, nahm die Körbe und trug sie zur Tür wie ein Diener.

Nora war sprachlos. So viel Aufmerksamkeit hätte sie sich von ihm gewünscht, wenn sie mit vollen Einkaufskisten nach Hause kam. Aber sie wollte nicht ungerecht sein. Die Patienten gingen natürlich vor. Eine Stunde später stand der Jeep der Hundemutter nach wie vor auf dem Parkplatz. Was machte die so lange in der Praxis? Frau Keipke war längst gegangen und die Sprechstunde offiziell schon vorbei.

Endlich sah Nora sie wegfahren.

Ralf kam zur Tür herein. Inzwischen war es Nachmittag. Sie hatte also noch Zeit zu kochen, damit es dann mit dem geplanten Candle-Light-Dinner klappte. Sie ging auf ihn zu und schlang die Arme um seinen Hals.

„Lass mal, mein Shirt ist schmutzig.“ Er trat einen Schritt zurück.

Sie ließ die Arme sinken.

„Ich fahre noch zu ein paar Patienten und bin heute Abend wieder da. Kann später werden.“ Damit drehte er sich um und ging zur Tür. Er kam noch einmal zurück, nahm sich einen Apfel aus der Obstschale und biss kräftig hinein.

Leicht panisch rief Nora ihm nach: „Du weißt aber schon, was für ein Tag heute ist?“

„Sonnabend!“ Damit fiel die Tür ins Schloss.

Nora blieb ratlos stehen. „Na gut“, sprach sie laut zu sich selbst, „warten wir es ab!“

Sie ging zum Kühlschrank und holte das Kasseler, das sie beim Metzger gekauft hatte, heraus. Sie bestreute das Fleisch mit Pfeffer, gab etwas Öl in die Pfanne und legte den Braten hinein. Dann schob sie die Bratpfanne in den Backofen und stellte die Temperatur ein. Mechanisch schälte sie Kartoffeln, kochte Rotkohl und Schokoladenpudding. Mit den Gedanken war sie woanders. Was war los mit Ralf? Warum wich er ihr aus? Oder bildete sie sich das alles nur ein? Heute Abend, nach dem Essen, würde sie mit ihm reden. Natürlich musste sie das geschickt anstellen, nicht mit der Tür ins Haus fallen. Immerhin war es ihr Hochzeitstag, und der Abend sollte doch harmonisch verlaufen. Sie würde über die geplante Reise mit ihm sprechen. Langsam mussten sie auch den Flug buchen.

Inzwischen war der Braten fast gar. Jetzt konnte sie noch die Soße zubereiten und alles warm stellen. Dann war Zeit für ein Bad. Und nun kam die wichtigste Frage: Was sollte sie anziehen? Sie besaß nur ein schwarzes Kleid. Glücklicherweise passte es noch. Darunter trug sie die Spitzenunterwäsche, die sie am Freitag erstanden hatte. Nun hieß es warten. Gegen Mitternacht löschte sie die Kerzen und stellte das Essen in den Kühlschrank. Den restlichen Wein kippte sie weg. Sie wollte Ralf nicht hinterhertelefonieren, wählte schließlich aber doch seine Nummer. Mailbox.

Kurze Zeit später rief er zurück. „Was ist denn?“

„Wo bleibst du? Ich warte seit Stunden auf dich!“

„Du, ich mach hier ‘nen Kaiserschnitt, geht grad nich‘.“ Er legte auf.

Sie setzte sich ins dunkle Wohnzimmer. Eine halbe Stunde später klappte die Autotür. Sie hörte, wie er in den Keller ging.

Er kam mit einer Flasche Bier herein, die er im Stehen austrank. „Zehn Welpen, meine Güte. War das ein Tag! Wie siehst du eigentlich aus? Warst du weg? Ich geh duschen. Nacht.“

Pläne sind zum Ändern da

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