Читать книгу Dorissima! - Doris Brugger - Страница 12
– 9 – TRENNUNG
ОглавлениеMir war immer bewusst, nicht nur zum Vergnügen auf der Welt zu sein und der Lust zu frönen. Ich wollte die Scheidung, und Gustav war schockiert. Er meinte, wenn er gewusst hätte, dass ich mich so entwickeln würde, hätte er mich anders behandelt. Das kann ja nicht wahr sein! Er war ein gestandener intellektueller Jurist. Bereits geschieden und 36 Jahre alt, als wir heirateten. Ich hingegen kam vom Internat nach München und war in der ersten Phase meiner Entwicklung, gerade 23 Jahre alt und ein Spätzünder. Wie passt das zusammen. Warum hatte er mich geheiratet? Was hatte er von mir gehalten? Konnte er mich gar nicht erkennen? Als ich ihn kurz nach der Hochzeit auf dem Sofa in seiner Kanzlei mit allem, was mir zur Verfügung stand verführte, meinte er: „So sehr liebst du mich?“ Da wurde ich schon hellhörig. War das etwa ein Zeichen seiner Gefühlsarmut?
Er schlug mir vor, einen Trennungsvertrag zu unterschreiben, befristet auf ein Jahr, da er dachte, ich würde mich besinnen. Dieser wurde um ein weiteres Jahr verlängert, da meine Gesinnung immer noch die gleiche war.
Die gemeinsamen Weihnachtsfeiertage hatten wir uns erhalten. Ende Dezember sind wir jedes Jahr mit Berni zum Skilaufen nach St. Moritz aufgebrochen. Es funktionierte, und es hatte eine eigene Dynamik einer heilen Welt, die wir genossen.
Nun, an Weihnachten 1974 waren wir wieder einmal in diesem Urlaub, und wir hatten eine schöne Zeit bei tollem Schnee, Gustav war ein super Skiläufer, meist Tiefschneefahrer. Auf dieser Reise eröffnete er mir, dass er sich am 10. Januar 1975 operieren lassen würde. Er meinte, nichts Schlimmes, eine kleine Darmoperation. Ich ließ mir nichts anmerken. Ein kaltes Grauen lief mir über den Rücken, als er mich bat, allen von einer Blinddarmoperation zu erzählen. Wieder diese Enge und das Versteckspiel, mit der er aufgewachsen war.
Sofort habe ich alle meine Termine abgesagt, um ihm zur Seite zu stehen. An etwas wirklich Schlimmes habe ich auch nicht gedacht. So fuhren wir zusammen am 10. Januar in das Perlacher Krankenhaus. Die Operation dauerte Stunden, und ich wurde immer kleiner. Als er endlich wieder im Zimmer war, wollte ich sofort den Chefarzt sprechen. Er war nicht da, weshalb ich mich entschloss, kurz nach Hause zu fahren, um nach dem Rechten zu sehen. Am Ausgang kam mir der Professor entgegen, und erst zu diesem Zeitpunkt dachte ich an Krebs. Ich wollte gar nichts mehr wissen, nur einfach verschwinden. Der Arzt meinte, er hätte mich auch gesucht und müsste dringend mit mir reden.