Читать книгу Wenn Schuldgefühle zur Qual werden - Doris Wolf, Dr. Doris Wolf - Страница 23
2.1Was gewinnen andere durch unsere Schuldgefühle?
ОглавлениеBisher haben wir uns damit befasst, dass wir für unsere Schuldgefühle selbst verantwortlich sind, aber dass andere Menschen darauf aus sind, uns Schuldgefühle zu machen. Es muss doch irgendein Grund dahinterstecken, weshalb es sich für andere lohnt, uns Schuldgefühle einzureden? Nun, wie ist das bei Ihnen, wenn Sie sich schuldig fühlen? Verhalten sich sie dann anders als ohne Schuldgefühle? Wenn ich mich schuldig fühle, bemühe ich mich beispielsweise darum, besonders nett zu sein, bitte um Verzeihung, gehe eher auf einen Kompromiss oder die Wünsche des anderen ein. Ich fühle mich geschwächt, glaube mich nicht mehr wehren zu dürfen. Manchmal gehe ich auch dem Menschen aus dem Weg, gegenüber dem ich mich schuldig fühle. Ich fühle mich unwohl in meiner Haut und hoffe, dass er mir nicht mehr begegnet und mich auf meinen Fehler anspricht. Insgesamt gesehen machen mich meine Schuldgefühle unfrei und leichter manipulierbar. Sicher gibt es auch andere Reaktionsweisen. Da gibt es diejenigen, die aggressiv werden und mit Vorwürfen zurückschießen. Aber auch dies ist lediglich eine Reaktion, ein Akt der Unfreiwilligkeit. Und das ist wohl auch das Ziel, das andere Menschen bei uns erreichen wollen, wenn sie uns Schuldgefühle einreden wollen. Sie wollen uns manipulieren, uns gefügig machen, unser Selbstwertgefühl angreifen. Sie wollen, dass wir nicht tun, was wir gerne tun würden, oder tun, was wir sonst nicht tun würden. Sie wollen uns weismachen, dass wir schlecht sind, weil wir deren Wünsche nicht erfüllen und verantwortlich für ihre Gefühle sind. („Wenn du mich lieben würdest, dann würdest du …!“) Und sie wollen sogar unser zukünftiges Verhalten steuern. Wenn wir wissen, dass sich der andere schlecht fühlen wird und wir nicht möchten, dass er dies tut, dann werden wir uns möglicherweise erst gar nicht mehr nach unseren Wünschen verhalten.
Aber der Schuss kann durchaus auch nach hinten losgehen. Schuldgefühle können dazu führen, dass wir Entscheidungen verheimlichen, die Unwahrheit sagen und nicht zu unserem Verhalten stehen. Das ist sicher nicht im Sinne derjenigen, die uns Schuldgefühle erzeugen wollen, es ist eine Schutzreaktion unsererseits. Über den Einfluss der Werbung haben wir in diesem Zusammenhang schon gesprochen. Sie rechnet damit, dass wir alle gute Menschen sein wollen und um Anerkennung ringen. Sie will uns zum Kauf animieren, uns einreden, dass sie nur unser Bestes will. Weitere Tricks der Werbung, um uns Schuldgefühle zu machen sind:
•kleine Werbegeschenke („Ich habe etwas bekommen. Dann muss ich auch etwas kaufen.“)
•besonders bemühte und nette Bedienung („Sie hat sich ja so bemüht, da kann ich nicht einfach aus dem Laden gehen.“)
•Hinweis, dass es einem guten Zweck zugutekommt („Wenn ich mich nicht beteilige, bin ich herzlos.“)
•wiederholte Zusendung eines Katalogs („Jetzt habe ich so oft nichts gekauft, jetzt muss ich doch auch wieder einmal …“)
Wenn wir der Werbung auf den Leim gehen, dann kaufen wir ihre Produkte, nicht weil wir sie wirklich brauchen und sie wollen, sondern weil wir uns schuldig fühlen. Wir kaufen uns von unserer Schuld frei. Wichtig ist, uns an dieser Stelle in Erinnerung zu rufen, dass andere uns nur Schuldgefühle machen und uns manipulieren können, wenn wir es zulassen. Unsere Schuldgefühle werden durch unsere Selbstgespräche und übertriebenen Schlussfolgerungen verursacht.