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2.4Wie gehen wir mit unseren Schuldgefühlen um?

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Schuldgefühle, sofern wir sie bewusst wahrnehmen, gehören zu den unangenehmen Gefühlen. Deshalb hat jeder von uns im Laufe seines Lebens auch mehr oder weniger effektive Strategien entwickelt, wie er mit ihnen umgehen kann.

1. Strategie: „Ich habe es verdient, dass ich mich schlecht fühle.“

Manche betrachten Schuldgefühle als gerechte Strafe. Sie sind der Meinung: „Wer sich so verhält wie ich, der muss Schuldgefühle bekommen. Schuldgefühle beweisen, dass ich ein moralischer Mensch bin.“ Sie gehen sogar so weit, dass sie sich ihr Leben lang mit Schuldgefühlen geiseln, weil sie glauben, eine unverzeihliche Tat begangen zu haben.

Vorteil: Sie glauben, damit zu beweisen, dennoch ein guter Mensch zu sein.

Nachteil: Sie fühlen sich schlecht, bekommen möglicherweise psychosomatische Erkrankungen, sind in ihrer Lebensqualität eingeschränkt, verbieten sich lustvolle Aktivitäten.

2. Strategie: „Ich fühle mich schuldig, also bin ich schlecht.“

Manche machen sich klein. Sie glauben: „Wer sich schuldig fühlt, muss ein schlechter Mensch sein.“ Sie laufen durch ihr Leben mit einem geringen Selbstbewusstsein, wagen nicht, eigene Wünsche anzumelden oder unberechtigte Forderungen abzuwehren. Sie entschuldigen sich für ihr Verhalten und für ihre Existenz. Sie haben Angst, im Mittelpunkt zu stehen, können keine Komplimente annehmen und nicht auf andere zugehen. Sie ziehen sich zurück, trauen sich nichts zu, riskieren nichts mehr, haben Angst vor Entscheidungen, aus Angst vor neuen Schuldgefühlen.

Vorteil: Manchmal erhalten sie Mitleid von den anderen.

Nachteil: Sie lähmen sich in ihren Fähigkeiten und nutzen nicht die Chancen, die ihnen das Leben bietet. Sie fühlen sich minderwertig. Depressionen und psychosomatische Beschwerden entstehen. Andere Menschen werden aus Scham nicht ins Vertrauen gezogen. Ihr unterwürfiges Verhalten hat auch Auswirkungen auf die Reaktion anderer Menschen. Sie werden leicht zum Sündenbock gemacht und ausgenutzt – ein Opfer, das sich nicht wehrt.

3. Strategie: „Ich war es nicht, also brauche ich auch keine Schuldgefühle zu haben.“

Manche versuchen, ihre Schuld zu verleugnen. Sie rechtfertigen sich vor sich selbst. Sie stellen sich als Opfer der Umstände dar. „Ich war es nicht. Wenn die Umstände nicht …, dann hätte ich nicht …“

Vorteil: Sie fühlen sich kurzfristig erleichtert, die Schuldgefühle lassen nach.

Nachteil: Sie nehmen sich damit die Chance, neues Verhalten zu lernen und Fehler zu korrigieren. Sie bearbeiten die Ursachen ihrer Schuldgefühle nicht. Sie müssen beständig auf der Hut sein, dass niemand ihren Fehler entdeckt und sie darauf anspricht. Sie verbrauchen Energie, sich nicht mit dem Thema zu befassen.

4. Strategie: „Ich war es nicht. Der andere ist schuld.“

Manche gehen zum Gegenangriff über. „Der andere hätte …, dann wäre nicht …“, „Der andere hat angefangen.“, „Die Eltern hätten besser …, dann wäre ich jetzt nicht …“ Sie machen anderen Vorwürfe und schieben diesen die Schuld zu.

Vorteil: Sie fühlen sich kurzfristig erleichtert, die Schuldgefühle lassen nach.

Nachteil: Sie fühlen sich ärgerlich und voller Spannung. Es entstehen Konflikte mit anderen, die Beziehungen zu anderen leiden. Fehler können nicht korrigiert werden.

5. Strategie: „Ich kann die Schuldgefühle nicht ertragen.“

Manche versuchen, die Schuldgefühle hinunterzuschlucken, indem sie zu viel Alkohol trinken, sich in Arbeit oder Aktivitäten stürzen, zu viel essen, Beruhigungstabletten oder Drogen einnehmen.

Vorteil: Sie fühlen sich kurzfristig erleichtert, die Schuldgefühle lassen nach.

Nachteil: Die Ursachen der Schuldgefühle werden nicht bearbeitet, Fehler und Fehleinschätzungen nicht korrigiert. Der Körper wird in Mitleidenschaft gezogen. Es besteht die Gefahr einer Suchtmittelabhängigkeit. Arbeitsplatz und Beziehungen sind gefährdet.

6. Strategie: „Immer alles auf mich.“

Manche reagieren ironisch: „Alles auf mich. Ich war´s mal wieder. Ich bin immer der Schuldige.“ Sie stellen sich zwar als Opfer dar, doch bezweifeln es innerlich.

Vorteil: Durch das übertriebene Schuldbekenntnis nimmt man sich und andere nicht ernst.

Nachteil: Eine Diskussion über die Ursachen ist nicht möglich.

7. Strategie: „Andere haben auch schuld.“

Manche versuchen, ihre Schuldgefühle zu verringern, indem sie ihren Blick auf andere lenken. Sie trösten sich damit: „Andere sind auch nicht besser.“ Sie wollen damit das Ausmaß ihrer Schuld reduzieren.

Vorteil: Schuldgefühle werden reduziert.

Nachteil: Eine realistische Einschätzung des Fehlers ist nicht möglich.

8. Strategie: „Andere sind noch schlimmer.“

Manche suchen bei den anderen nach Beweisen, dass deren Fehlverhalten noch schlimmer ist.

Vorteil: Schuldgefühle werden reduziert.

Nachteil: Eine realistische Einschätzung des Fehlers ist nicht möglich. Möglicherweise vergleicht man sich mit Menschen, die ansonsten überhaupt nicht den eigenen Wertvorstellungen entsprechen.

9. Strategie: „So schlimm ist es doch gar nicht.“

Manche mindern die Schuld herab oder deuten sie um.

Vorteil: Schuldgefühle werden reduziert.

Nachteil: Das Verhalten kann nicht richtig in seinem Ausmaß eingeschätzt und korrigiert werden.

10. Strategie: „Das Ereignis hat überhaupt nicht stattgefunden und deshalb trifft mich auch keine Schuld.“

Manche verleugnen generell ihr Verhalten.

Vorteil: Schuldgefühle werden reduziert.

Nachteil: Das Verhalten kann nicht richtig in seinem Ausmaß eingeschätzt und korrigiert werden.

Sie haben sicher gemerkt, dass sich meine Auflistung auf Strategien beschränkt, die nicht oder nur teilweise hilfreich sind. Angemessene und hilfreiche Strategien zeichnen sich dadurch aus, dass sie sich an den Tatsachen orientieren, das heißt den Einfluss unseres Verhaltens weder verleugnen, noch unter- oder überschätzen, dass wir unsere eigene Verantwortung sehen, uns aber nicht für Unkontrollierbares verantwortlich sehen, dass wir keine übertriebenen Schlussfolgerungen ziehen. In Teil II des Buches werden wir zusammen an diesen Strategien arbeiten. Sicher haben Sie selbst auch schon einige der oben aufgeführten Strategien eingesetzt. Manchmal nutzen wir zuerst die eine, dann die andere Strategie. Oder aber wir setzen in unterschiedlichen Bereichen unterschiedliche Strategien ein. Beispielsweise ziehen wir uns am Arbeitsplatz jeden Schuh an, während wir in der Partnerschaft vehement unsere Fehler abstreiten. Gemeinsam ist diesen Strategien, dass wir uns nicht mit den die Schuldgefühle erzeugenden Einstellungen befassen und diese korrigieren. Außerdem überprüfen wir nicht, ob unsere Schlussfolgerungen der Situation angemessen oder ob sie übertrieben sind. Wir schieben entweder die Schuld auf andere oder verurteilen unsere gesamte Person. Wir trennen nicht zwischen einem Verhalten, das wir gezeigt haben, und unserer Person.

Wenn Schuldgefühle zur Qual werden

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