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1.2. Phasen der Hirnentwicklung in den ersten Lebensjahren 1.2.1 Ich/Du-Entwicklung

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Jedes Kind kommt mit einem großen Vorrat an Gehirnzellen und Vernetzungen zwischen den Hirnzellen auf die Welt. Das Gehirn wartet nun neben guter Ernährung, besonders der Muttermilch, auf passende Reize als Anregung für verschiedene Hirnbereiche zum Weiterwachsen, Ausgestalten und strukturierender Verstärkung von Vernetzungen zur Ausbildung von Funktionen und Kompetenzen.

Menschliche Babys sind sogenannte physiologische Frühgeburten, d. h. sie können ja noch nicht wie andere Tiere gleich nach der Geburt stehen, gehen usw., sondern müssen sich ihre Welt angepasst und gut geschützt zunehmend erobern. Dafür brauchen sie eine gute Umhüllung, in der es Anregung, Begleitung und Antwort gibt. Mit anderen Worten, nach dem inneren Uterus braucht es noch einige Zeit einen äußeren Uterus, der mitwächst. Das Baby ist mit dieser Umhüllung noch lange eins, ungetrennt und wie im Uterus durch die Nabelschnur jetzt aus dieser Hülle ernährt.

Die Umhüllung ist im Beginn die Mutter. Sie nährt mit ihrer Milch, mit dem Hautkontakt, ihrem Geruch und ihrer Stimme, die jedes Mal wiedererkannt werden, ihrer Bewegung beim Tragen, ihrem dabei wieder hörbarem Herzschlag und mit ihrem Anteil an stimmlicher und sinnlicher, liebevoller zugewandter Kommunikation. Und sie ist da in der Welt des Neugeborenen.

Der Psychoanalytiker Heinz Kohut hat ein schönes Bild dafür gefunden: Das Baby sieht „den Glanz im Auge der Mutter“, also ihre Freude und ihren Stolz. Das zu erleben ist für das Neugeborene und Baby die Basis der sicheren Bindung.

Ein Baby ist zwar eine physiologische Frühgeburt, aber kein gänzlich unbeschriebenes Blatt. Die neun Monate im Uterus haben ihm vielfältige Wahrnehmungen, Zustände und Erfahrungen erwirkt in der uterinen Kommunikation mit der Mutter und ihrer im Uterus ankommenden Stoffwechsel- und Erlebniswelt. Auf dieser Grundlage kommuniziert das Baby mit der Mutter weiter.

In Baby-Videos über die Kommunikation von Baby und Mutter, dem Baby-Talk, wie einige sagen, hat man festgestellt, dass beide meist etwa den gleichen Anteil an der Kommunikation haben. Mal sagt das Baby etwas und die Mutter wendet sich zu und antwortet, dann nimmt sich einer der beiden eine Pause und wendet sich kurz ab, mal sagt die Mutter etwas und das Baby wendet sich zu.

Das können die Babys, der Frankfurter Psychoanalytiker Martin Dornes hat sie folgerichtig „kompetente“ Säuglinge (sein Buch: „Der kompetente Säugling“) genannt. Und sie brauchen diese Kommunikation (über einen diesbezüglichen Mangel später).

Im Baby-Talk ist es dabei übrigens sehr wichtig, dass eine Aktivität des Babys prompt beantwortet wird, da es nur dann die Antwort als durch eigenes Agieren hervorgerufen erlebt. Dies ist im Prozess der Herausbildung eines sicheren Empfindens von Selbstwirksamkeit besonders wichtig. Natürlich kann nicht jede Regung des Babys sofort beantwortet werden, aber wenn es wach ist, ist es oft möglich, wenn man selbst in der Präsenz ist.

Dieser erste Prozess der Menschwerdung von der Empfängnis bis zur neurophysiologisch verankerten Erkenntnis, dass es ein neu entdecktes, tatsächlich gewordenes „Ich“ und auch ein davon unterscheidbares „Du“ im Ich/Du-Verbund gibt, dauert etwa 1000 Tage. Das sind 1000 Tage kommunikativer Umhüllung, die ein Kind als Startkapital braucht, zuerst im Uterus, danach in der Umhüllung. „1000 Tage“ klingt lange und ist doch so schnell vorbei, die Eltern unter Ihnen werden mir beipflichten.

In dieser Zeit hat durch die Kommunikation Baby/Mutter der untere Stirnlappen des Gehirns großartig reagiert, hat sich tatsächlich vergrößert und das kleine Kind hat für sich langsam erfahren, dass es zweierlei gibt, ICH und DU (unterscheidbar, aber als WIR zusammengehörig und noch eingebettet ist, neurophysiologisch verankert). Wir nennen diesen Gehirnteil den unteren präfrontalen Cortex. Diese Entwicklung braucht eben eine gehörige Zeit und immer wiederkehrende verlässliche liebevolle Kommunikation.

Wenn es so läuft, ist die Grundlage für eine sichere Bindung des Kindes an die Mutter gelegt und diese Sicherheit bedeutet auch ein Urvertrauen für das Sein in dieser Welt, jetzt und später.

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