Читать книгу Der Corona-Selbsthilfe-Ratgeber - Dr. med. Ludwig Manfred Jacob - Страница 13
5.2 Long Covid: langfristige Folgen der Infektion
ОглавлениеEine Vielzahl von Symptomen kann noch lange nach der akuten SARS-CoV-2-Infektion auftreten und bei den Betroffenen zu langfristigen gesundheitlichen Einschränkungen führen. Dies beinhaltet einerseits Symptome, die nach der akuten Infektion fortbestehen sowie andererseits solche, die erst Wochen oder Monate nach der vollständigen Genesung neu auftauchen. Dieses Krankheitsbild wird als Long Covid bezeichnet. Long Covid kann sowohl Menschen mit schwerem COVID-19-Krankheitsverlauf als auch mit sehr leichter akuter Infektion betreffen, wobei Patienten mit schwererem Krankheitsverlauf ein höheres Risiko haben. Auch ein höheres Alter und Vorerkrankungen sind wichtige Risikofaktoren für das Auftreten von Long Covid, doch auch junge, gesunde Menschen und sogar Kinder können betroffen sein (Kron, 2020; Crook et al., 2021; Eppinger, 2021).
Ebenso wie die akute Erkrankung, kann Long Covid verschiedene Organe und Systeme befallen, unter anderem das Atemsystem, das Herz-Kreislauf-System, das neurologische System, das Magen-Darm-System und das muskuloskelettale System.
Zu den bekannten Long Covid-Symptomen zählen (Crook et al., 2021; Herzog, 2021):
• Anhaltende Müdigkeit und Erschöpfung, Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit
• Atemnot bei leichten Belastungen
• Herzanomalien
• Kopfschmerzen, Gelenk- und Muskelschmerzen
• Muskelschwäche
• Kognitive Probleme wie Konzentrationsstörungen, Gedächtnisprobleme und Wortfindungsstörungen
• Schlafstörungen
• Psychische Symptome wie Depressionen, Antriebsstörungen
• Anhaltende Geruchs- und Geschmacksstörungen
• Hormonelle Störungen, Haarausfall
• Magen-Darm-Beschwerden
• Erhöhtes Risiko für Diabetes mellitus, Thrombosen, Herzinfarkt
Bei einem großen Teil der Betroffenen bilden sich die Symptome innerhalb von Wochen bis Monaten (weitgehend) vollständig zurück. Etwa 10 % der Patienten haben jedoch auch ein halbes Jahr nach der Erkrankung weiterhin schwerwiegende Probleme. Dies betrifft vor allem Patienten mit schwerem COVID-19-Krankheitsverlauf. Diese weisen häufig irreparable strukturelle Organschäden auf, die zu dauerhaften gesundheitlichen Einschränkungen führen. Hier ist insbesondere – aber nicht nur – die Lunge betroffen. Die Lungenfunktion kann dauerhaft eingeschränkt sein, was die Belastungsfähigkeit des Patienten deutlich einschränkt (Herzog, 2021).
Long Covid kann zur Berufsunfähigkeit führen und einfache tägliche Abläufe zur Herausforderung werden lassen. Neben körperlicher Erschöpfung tritt häufig auch mentale Erschöpfung auf (Herzog, 2021).
Wie häufig Long Covid ist, lässt sich nur schwer beurteilen. Die Angaben hierzu aus Studien variieren von ca. 10 % bis 96 % (für Symptome ca. drei Monate nach der Infektion) (Eppinger, 2021).
Eine Studie in Wuhan untersuchte den Gesundheitszustand von 1276 ehemaligen COVID-19-Patienten (Durchschnittsalter 59 Jahre) sechs Monate und ein Jahr nach der Genesung. Insgesamt hatten die Probanden sich innerhalb des Jahres körperlich gut erholt. Dennoch war der Gesundheitszustand schlechter als bei den Personen der Vergleichsgruppe, die nicht an COVID-19 erkrankt gewesen waren. Nach sechs Monaten litten noch 68 % der Patienten unter einem Folgesymptom ihrer COVID-Erkrankung, nach zwölf Monaten waren es noch 49 %. Einige der Symptome nahmen sogar mit der Zeit zu, so der Anteil der Patienten mit Atemnot (von 26 % auf 30 %) sowie mit Ängsten und Depressionen (von 23 % auf 26 %). 12 % der zuvor Beschäftigten hatten nach einem Jahr ihre Berufstätigkeit noch nicht wieder aufgenommen. Frauen waren häufiger von Long Covid-Symptomen betroffen als Männer (Huang et al., 2021).
Von 143 Patienten einer weiteren Studie waren ca. zwei Monate nach Beginn der Symptome nur 18 Patienten frei von COVID-19-assoziierten Symptomen. Am häufigsten waren chronische Müdigkeit (Fatigue) und Atemnot (Dyspnoe) verbreitet. 44 % der Studienteilnehmer berichteten von einer verminderten Lebensqualität (Carfi et al., 2020).
Eine Kohortenstudie untersuchte die langfristigen Folgen von COVID-19 anhand von 73.435 Patienten, die nicht im Krankenhaus behandelt wurden. Zu den COVID-19-Folgen innerhalb von sechs Monaten nach der Erkrankung zählten pulmonale, kardiovaskuläre, neurologische, psychiatrische, gastrointestinale und metabolische Störungen sowie ein stark erhöhtes Sterblichkeitsrisiko um 59 %. Die Patienten hatten beispielsweise ein erhöhtes Risiko, an Schlafstörungen zu leiden, Diabetes mellitus zu entwickeln, Blutgerinnsel zu bekommen oder einen Herzinfarkt zu erleiden. Auch nach milden Krankheitsverläufen wurden längerfristige Müdigkeit, Gedächtnisprobleme und Wortfindungsstörungen beobachtet (Siegmund-Schultze, 2021; Al-Aly, 2021). Letzteres wird durch eine aktuelle Studie untermauert:
Das Gehirn altert 10 Jahre durch eine schwere Infektion
In England nahmen 81.337 Personen an einem Intelligenztest teil. Davon waren 192 Personen aufgrund einer COVID-19-Erkrankung im Krankenhaus behandelt worden. 326 Personen hatten eine nachgewiesene Infektion, wurden jedoch nicht im Krankenhaus behandelt. Nach ihrer Genesung wiesen die infizierten Personen starke kognitive Defizite auf. Diese Defizite betrafen insbesondere Personen mit nachgewiesener Infektion. Für Patienten, die in stationärer Behandlung an ein Beatmungsgerät angeschlossen werden mussten, entsprach das gemessene Defizit einer Alterung des Gehirns um zehn Jahre bzw. einem um sieben Punkte niedrigeren Intelligenzquotienten. Sie hatten vor allem Schwierigkeiten beim logischen Denken und antworteten insgesamt langsamer (Hampshire et al., 2021).
Wie die Erfahrungen inzwischen zeigen, können Long Covid-Symptome länger als ein Jahr andauern. Ob sie irgendwann vorübergehen oder langfristig bleiben werden, lässt sich noch nicht endgültig beurteilen.