Читать книгу Der Corona-Selbsthilfe-Ratgeber - Dr. med. Ludwig Manfred Jacob - Страница 9

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3. Wie wird das Virus von Mensch zu Mensch übertragen?

Die Übertragung des Coronavirus von Mensch zu Mensch erfolgt wie bei anderen Atemwegserregern, einschließlich Influenza- (Grippe) und Rhinoviren (Erkältung), unter anderem durch Tröpfcheninfektion beim Husten und Niesen. Daneben hat die Infektion über Aerosole eine große Bedeutung. Eine Schmierinfektion (Kontaktinfektion über die Hände) ist ebenfalls möglich.

3.1 Tröpfchen- und Schmierinfektion

Lange glaubte man fälschlicherweise, dass das Virus nur über Tröpfchen verbreitet wird, die von Infizierten über Mund und Nase ausgeschieden werden, z. B. beim Niesen, Husten oder Sprechen. Die Tröpfchen werden dabei direkt auf andere Personen geschleudert. Um sich über eine Tröpfcheninfektion zu infizieren, müssen zwei Menschen in der Regel relativ nah beieinanderstehen, da die abgegebenen Tröpfchen relativ schnell zu Boden fallen. Beim Husten kann ein Viruspartikel allerdings bis zu fünf Meter weit geschleudert werden, bei Niesen sogar bis zu acht Meter – abhängig von Luftfeuchtigkeit, Temperatur und Luftbewegungen. Die Tröpfchen können direkt in Nase, Mund oder Augen landen, eingeatmet werden oder an der Hand haften und damit zu einem dieser Eintrittsorte gelangen (Gale, 2020).

Bereits wenige Minuten enger Kontakt (weniger als 1,5 Meter) mit einer infizierten Person geht mit einem hohen Risiko für eine Virusübertragung einher. Bei jemandem, der hustet oder niest, kann bereits ein flüchtiger Kontakt ausreichend sein. Dies betrifft vor allem die neue, viel infektiösere Delta-Variante.

Alternativ landen die Tröpfchen auf Oberflächen und werden dann von anderen Menschen aufgenommen. Diese infizieren sich, indem sie ihr Gesicht berühren (Schmierinfektion). Hieraus ergab sich die Bedeutung des Händewaschens.

Bei Zimmertemperatur überlebt das Virus ca. 24 Stunden auf Karton, 48 Stunden auf Edelstahl und 72 Stunden auf Plastik. Auf einer Oberfläche mit Proteinspuren, wie z. B. Schleim, überlebte das Virus sogar vier Tage lang. Die Standarddesinfektion tötet es jedoch ab, ebenso wie Sonnenlicht (Gale, 2020).

Viren können sich neben Tröpfchen auch an andere Partikel wie Staub und Luftverunreinigungen anheften und sich so über die Luft verbreiten. Wenn sich diese Partikel absetzen, können sie Oberflächen kontaminieren. Wird diese Oberfläche angefasst, ist eine Infektion über Mund, Nase oder Augen möglich (Gale, 2020). Auch das Einatmen dieser Partikel kann eine Infektion verursachen.

Insgesamt scheint die Schmierinfektion bei SARS-CoV-2 jedoch eine untergeordnete Rolle zu spielen.

3.2 Aerosole

Inzwischen ist gut belegt, dass die Ansteckung über Virus-Aerosole eine mindestens ebenso wichtige und noch gefährlichere Rolle spielt als die Tröpfcheninfektion. Aerosole sind kleinste virushaltige Schwebeteilchen, die beim Atmen, Sprechen, Husten und Niesen abgegeben werden. Sie sind so leicht, dass sie kaum zu Boden sinken, sondern in der Luft verbleiben. Aerosol-Tröpfchen mit einem Durchmesser von weniger als 4 Mikrometern sinken innerhalb von acht Minuten nur 30 Zentimeter in Richtung Boden – unter Laborbedingungen, d. h. bei ruhiger Umgebung (RKI, 2020; Götze, 2020a, b; Beigel, 2020).

Virus-Aerosole können weit über drei Stunden in der Luft schweben und sich überall hin verbreiten (van Doremalen et al., 2020). Die Ansteckung über Aerosole ist daher auch über größere Distanzen möglich. In Innenräumen ohne ausreichende Belüftung und Luftfilterung halten sie sich besonders lange in der Luft (Gale, 2020). Auf diese Weise können sie zu den sogenannten „Superspreader-Events“ führen, bei denen eine einzelne infizierte Person eine Vielzahl anderer Personen ansteckt. So geschah es beispielsweise bei Karnevalssitzungen, Gottesdiensten, Chorproben, Familienfeiern und in Schlachtbetrieben. Lautes Singen, Schreien und laute, feuchte Aussprache sind dabei ähnlich wirkungsvoll wie Husten und Niesen und erzeugen besonders viele Aerosole. Singen ist dabei aber nicht unbedingt problematischer als Sprechen oder Atmen, entscheidend ist die Lautstärke. Lautes Singen und Sprechen (90-100 dB) erzeugt 20- bis 30-mal so viele Virus-Aerosole wie Sprechen und Singen in normaler Gesprächslautstärke (50-60 dB) (Gregson et al., 2021).

So berichtet die Los Angeles Times von einer Chorprobe in den USA im März: Niemand war erkrankt und hustete, man hielt die Abstandregeln ein. Dennoch infizierten sich 45 Menschen, zwei davon verstarben (Read, 2020). Ähnliches passierte in Deutschland.

Je nach Viruslast der infizierten Person gelangen in einer Minute lauten Sprechens ca. 1000, im Extremfall sogar bis zu 100 000 virenhaltige Partikel in die Luft. An diesen Aerosolen haften nicht nur Teile der Viren-RNA, sondern auch komplette Lebendviren (Stadnytskyi et al., 2020).

Besonders problematisch ist eine lange Verweildauer im geschlossenen Raum. Schon durch eine infizierte Person kann innerhalb von Minuten ein ganzer Raum voll mit Aerosolen sein. Je mehr Personen im Raum sind und je mehr Bewegung vorhanden ist, desto schneller verbreiten sich die Aerosole. Besonders ungünstig sind Räume mit geschlossener Belüftung oder Klimaanlage, wie beispielsweise Bahnen, Restaurants und Großraumbüros. Unter freiem Himmel ist die Ansteckungsgefahr über Aerosole dagegen deutlich niedriger (RKI, 2020; Götze, 2020a, b; Beigel, 2020).

Laut Robert-Koch-Institut gelten folgende Personen als enge Kontaktperson eines Erkrankten, die ein hohes Risiko haben sich zu infizieren (RKI, 2021 b):

1. Personen mit mindestens 10-minütigem engen Kontakt (<1,5 m) ohne Schutz durch korrekt getragene Maske (bei Fall UND Kontaktperson). (Diese Regel beruht auf der Erfahrung mit dem Alpha-Virus und ist wohl nicht ausreichend für das Delta-Virus; hier kann eine Infektion viel schneller erfolgen.)

2. Personen, mit denen – bei geringem Abstand <1,5 m, unabhängig von der Dauer – ohne Schutz durch korrekt getragene Maske (bei Fall UND Kontaktperson) ein Gespräch geführt wurde oder Personen, die direkten Kontakt (mit respiratorischem Sekret, z. B. Husten, Niesen, Küssen) hatten.

3. Personen, die sich >10 Minuten bei wahrscheinlich hoher Konzentration infektiöser Aerosole im selben Raum aufgehalten haben, unabhängig vom Abstand, auch bei korrekt getragener Maske. Dies betrifft beispielsweise auch Personen, die gemeinsam in Innenräumen feiern, singen oder Sport treiben.

3.3 Zwei Infektionswege – Mund-Nase-Rachen oder Lunge

Erster Infektionsweg über Tröpfcheninfektion in den oberen Atemwegen (Mund-Nase-Rachen-Raum): Die übliche Eintrittspforte für Viren sind die Schleimhäute von Mund und Nase. Nach dem Kontakt mit infizierten Tröpfchen können die Viren in die Schleimhautzellen von Nase und Mund eindringen und sich vermehren. Eine Unterkühlung ist ein wichtiger Auslöser von Virusinfekten, weil die Schleimhäute angreifbar werden. Von dort aus kann das Virus allmählich andere Organe und die Lunge infizieren. Da die Lunge und andere Organe gar nicht oder erst später infiziert werden, geht dieser Verlauf meist mit milderen Symptomen einher.

Zweiter Infektionsweg durch Aerosole in den unteren Atemwegen (Lunge): Bei dem gefährlicheren Infektionsweg gelangt das Virus über Aerosole direkt in die Lunge. Seinen Weg in die Lunge findet das Virus, indem es sich an die kleinen Aerosol-Partikel anheftet, die im Gegensatz zu den viel größeren Tröpfchen bis tief in die Lunge eingeatmet werden. Zigarettenrauch und Smog begünstigen diesen Effekt (Anbound, 2020).

Auf diesem Weg kann eine große Virusmenge direkt in die Atemwege gelangen, wenn ein infizierter Mensch sein Gegenüber anhustet oder auch nur spricht oder singt. In der Lunge angekommen kann sich das Virus dort schnell vermehren, andere Organe befallen und einen schweren Krankheitsverlauf begünstigen (Gale, 2020).

Hierbei sind bestimmte Risikogruppen besonders gefährdet: Personen mit Bluthochdruck, Übergewicht und Lungenerkrankungen sowie Raucher haben in der Lunge und auch in anderen Organen sehr viel mehr ACE2-Rezeptoren (Radzikowska et al., 2020). Das ist der Rezeptor, an dem das Coronavirus mit seinem Bindungsprotein andockt und über den es in die Zelle gelangt. Übrigens haben Kinder sehr wenige dieser Rezeptoren, während Männer deutlich mehr als Frauen haben.

Die Übertragung über Aerosole erklärt die regelmäßigen Massenausbrüche bei Gottesdiensten mit Singen, Chorproben oder weltweit in der Fleischindustrie. Klimaanlagen und geschlossene Belüftungssysteme begünstigen diese Verbreitung.

Die Viruslast, also die Menge der aufgenommenen Viren bei einer Infektion, und der Aufnahmeweg sind neben dem Immunsystem wichtige Faktoren für den Krankheitsverlauf. Daher ist es sehr wichtig, die Abstandsregel von mindestens 1,5 Metern einzuhalten, Masken zu tragen und stark besuchte Innenräume möglichst zu meiden.

Die Erkenntnis, dass sich Virus-Aerosole stundenlang in der Luft halten und verbreiten können, war übrigens nicht neu, denn man wusste dies bereits seit der ersten Corona-Epidemie SARS (Doremalen et al., 2020). Zahlreiche Studien belegen den Nutzen von FFP2 und OP-Masken zum Schutz des medizinischen Personals, nicht nur des Patienten.

Der Corona-Selbsthilfe-Ratgeber

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