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Der Bauplan für unser Leben (DNA) ist in Form einer Doppelhelix organisiert.

DER TKTL1-ZUCKERSTOFFWECHSEL

Zucker spielt nicht nur als Energielieferant eine entscheidende Rolle für den menschlichen Körper, sondern er dient auch als Baustein für viele Zellstrukturen wie zum Beispiel die DNA, in der die gesamte genetische Information gespeichert ist. Im Gegensatz zu den Einfachzuckern Glukose, Fruktose und Galaktose ist der Zucker in der DNA aber nicht aus sechs Kohlenstoffatomen, sondern nur aus fünf Kohlenstoffatomen aufgebaut. Dieser Fünferzucker wird als Desoxyribose bezeichnet (die Abkürzung DNA steht für Desoxyribo-Nuclein-Acid – im Deutschen Desoxyribonukleinsäure, kurz DNS).

Auch bei der »Umwandlung« der in der DNA gespeicherten Information wird Zucker benötigt. Diese als Boten-Ribonukleinsäuren (englisch messenger RNA – kurz mRNA) bezeichneten zuckerhaltigen Strukturen »übersetzen« die in der DNA gespeicherten Informationen in Eiweiße, die die Strukturen unseres Körpers bilden, und in Enzyme, die als Katalysatoren chemische Reaktionen im Körper ausführen. Manche Enzyme spalten zum Beispiel die Nahrung im Verdauungstrakt auf. Andere wie die Transketolasen bauen Sechserzucker wie Glukose in Fünferzucker um. Gerade diese Enzyme sind extrem wichtig, schließlich basiert das ganze Leben auf DNA als Informationsträger – von Bakterien bis zum Menschen.

Die Entdeckung des TKTL1-Gens

Unter den »DNA-Enzymen« sind die Transketolasen die wichtigsten, weil sie nicht nur den Umbau von Sechserzucker in Fünferzucker ermöglichen, sodass DNA und mRNA gebildet werden können, sondern weil sie auch steuern, ob sich eine Zelle verdoppelt und damit neue Zellen gebildet werden. Da Transketolasen für die Bildung von DNA und RNA so wichtig sind, sind sie seit dem Beginn jedweden Lebens auf der Erde präsent.

Während meiner Forschungstätigkeit am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg ist es mir in den 1990er-Jahren gelungen, ein Gen zu entdecken, das große Ähnlichkeiten zum Transketolase-Gen aufweist und daher als Transketolase-like 1 (TKTL1), also Transketolase-ähnliches Gen 1 bezeichnet wird.

Im Gegensatz zur normalen, bisher bekannten Transketolase fehlt TKTL1 ein in »echten« Transketolase-Enzymen enthaltener wichtiger Teil. Da dieser Teil lange als essenziell für die Funktion der Transketolasen angesehen wurde, bezeichneten viele Transketolase-Experten das TKTL1-Gen zunächst als defekt und inaktiv und meinten, dass es deswegen keine Bedeutung hätte. Im Gegensatz zu dieser vorherrschenden Meinung war ich überzeugt, dass das TKTL1-Gen zwar einen entscheidenden Unterschied im Vergleich zu herkömmlichen Transketolasen aufwies, dass jedoch genau dies der Grund für andere, bessere Enzymeigenschaften ist.

Nach meiner Entdeckung hat es mehr als 20 Jahre gedauert, bis gezeigt werden konnte, dass das TKTL1-Gen in der Tat ein aktives Transketolase-Enzym ist, das noch dazu auch solche enzymatischen Reaktionen durchführen kann, die normale Transketolasen nicht ausführen können. Während normale Transketolasen nur Zucker ineinander umbauen können, ist das TKTL1-Enzym nämlich in der Lage, Zucker in Fett umzuwandeln.

Ein dritter Weg der Energiegewinnung

Es gibt im menschlichen Stoffwechsel ein weiteres bekanntes Enzym, die Puyruvatdehydrogenase, das den Abbau von Zucker und die Bildung von Fett ermöglicht. Allerdings geht bei dieser Reaktion ein Drittel des Zuckers unwiederbringlich verloren. Weil das TKTL1-Enzym Zucker in Fett umbaut, ohne dass ein Teil des Zuckers verloren geht, ist diese Reaktion natürlich wesentlich effizienter. Lebewesen mit TKTL1-Gen konnten so im Vergleich zu Lebewesen, die noch kein TKTL1-Gen hatten, mit einem Drittel weniger Nahrung wachsen und sich entwickeln. Für alle Zellen, die sich verdoppeln und damit vermehren müssen, stellt das TKTL1-Enzym daher die beste Option für ein effektives Wachstum dar.

Darüber hinaus funktioniert der TKTL1-Stoffwechselweg ohne Sauerstoff, ist also eine sogenannte Vergärungs- oder Fermentationsreaktion, bei der die Bildung von gefährlichen Radikalen vermieden wird. Hierdurch werden Zellbestandteile wie die DNA vor Beschädigungen und einer schnellen Alterung geschützt. Studien haben inzwischen gezeigt, dass das Fehlen der TKTL1-Enzymaktivität und die damit verbundene Bildung von Radikalen zu einer schnellen Alterung des Körpers und einem frühzeitigen Versterben führen. Das zeigt, dass das TKTL1-Enzym einer der wichtigsten Faktoren für eine langsame Alterung ist.

Durch Radikale ausgelöste DNA-Schäden sind für die Bildung von Samenzellen extrem schädlich, weil damit die Wahrscheinlichkeit für Mutationen in den Spermien enorm steigt – und damit das Risiko für Behinderungen bei Kindern. Das TKTL1-Gen ist deswegen eines der entscheidenden Gene für die Bildung ungeschädigter Spermien-DNA. Es verwundert deshalb nicht, dass Studien gezeigt haben, dass TKTL1 direkt mit der Fruchtbarkeit von Männern assoziiert ist.

Die Vermeidung von Radikalenbildung beim Abbau von Zucker ist aber auch für alle anderen Zellen wichtig. Eine besondere Bedeutung hat der TKTL1-Stoffwechsel dabei für den Schutz von Nervenzellen und des Gehirns. Des Weiteren konnte in Studien gezeigt werden, dass das TKTL1-Gen zu den fünf wichtigsten Genen für die geistige Leistungsfähigkeit zählt und eine besonders wichtige Rolle bei der Evolution des Menschen gespielt hat.

Der Treibstoff für das Enzym TKTL1 ist Zucker, aus dem es Energie freisetzt. Daher ist insbesondere für bestimmte Zelltypen wie zum Beispiel die Nervenzellen eine gleichmäßige Versorgung mit Zucker wichtig. Außerdem kann mit TKTL1 aus Zucker sehr effizient das Acetyl-Coenzym A gebildet werden – einer der wichtigsten Bausteine für unseren Stoffwechsel. Aus ihm können Fett, aber auch eine Vielzahl von anderen Substanzen wie zum Beispiel verschiedene Aminosäuren und Hormone gebildet werden.

Ein zweischneidiges Schwert

Wenn man zu viel Zucker isst, führt dies zu hohen Blutzucker- und Insulinwerten. Diese wiederum erhöhen das Risiko, an Krebs zu erkranken (mehr dazu ab >). Auch dabei spielt TKTL1 eine Rolle: In gesunden Zellen ist die Schutz- und Reparaturfunktion des TKTL1-Enzyms positiv, weil es unsere Zellen schützt, sie besser repariert werden können und wir damit langsamer altern. Genauso nutzen leider auch Krebszellen TKTL1, um sich vor Radikalen (und damit vor Chemo- und Strahlentherapie) zu schützen.

Wenn jedoch Tumorzellen das TKTL1-Gen aktivieren, nutzen sie dessen Schutzprogramm für sich aus: Sie vermeiden so die Radikalbildung und neutralisieren Radikale und Schäden, die durch Chemo- und Strahlentherapien ausgelöst werden. Kommt es durch die energiereiche Strahlung zu einer Schädigung der DNA, erlaubt das TKTL1-Enzym die Bildung von DNA-Bausteinen und eine rasche Reparatur der DNA. So wie das TKTL1-Gen gesunde Zellen schützt, macht es also auch Tumorzellen resistent gegen die herkömmlichen Therapien. Der TKTL1-Stoffwechsel ist damit ein zweischneidiges Schwert.

TKTL1 schützt gesunde Zellen vor Schäden, die durch Radikale ausgelöst werden, lässt uns langsamer altern, repariert DNA-Schäden und schützt vor DNA-Schäden in Spermien und Schäden in den Nervenzellen.

Auf einen Blick: Wege der Energiefreisetzung

Laut den Lehrbüchern der Biochemie und Medizin gibt es im menschlichen Körper nur zwei Wege der Freisetzung von Energie aus Nahrungsbestandteilen: die Verbrennung und die Vergärung. Wenn Sauerstoff vorhanden ist, wird die Vergärung unterdrückt und die Verbrennung durchgeführt. Fehlt Sauerstoff für die Verbrennung, schalten zum Beispiel Skelettmuskeln auf Vergärung von Zucker zu Milchsäure um und können so weiterhin noch Energie freisetzen.

Tatsächlich ist im Laufe der Evolution bei Säugetieren, also auch beim Menschen, noch ein dritter Weg der Energiefreisetzung entstanden: eine Vergärung, die auch dann durchgeführt wird, wenn ausreichend Sauerstoff für eine Verbrennung vorhanden ist.

Diese Art der Vergärung wurde erstmals vom deutschen Nobelpreisträger Otto Heinrich Warburg 1924 beschrieben, weshalb der Effekt, dass Sauerstoff sie nicht unterdrückt, als Warburg-Effekt bezeichnet wird. Warburg sah in der Vergärung trotz Anwesenheit von Sauerstoff die eigentliche Ursache von Krebs. Er konnte aber nicht erklären, dass neben Krebszellen auch viele gesunde Gewebe wie die Netzhaut und Hoden diese Vergärung durchführen und sie damit nicht spezifisch für Krebs ist.

Durch die Entdeckung und Entschlüsselung der Rolle des TKTL1-Gens ist mir klar geworden, dass die Vergärung in Anwesenheit von Sauerstoff einen generellen Schutzmechanismus von Zellen darstellt, um trotz Anwesenheit von Sauerstoff die Möglichkeit zu haben, Energie freizusetzen, ohne dass Radikale gebildet werden.

Die zwei bekannten Wege der EnergiefreisetzungDer neu entdeckte Weg der Energiefreisetzung
Verbrennung mithilfe von SauerstoffVergärung als Antwort auf einen Sauerstoffmangel (wird wieder eingestellt, wenn Sauerstoff da ist)Vergärung auch in Anwesenheit von Sauerstoff
Einfache und effektive Freisetzung von Energie aus Zucker, Eiweiß und Fett.Funktioniert nur bei Abwesenheit von Sauerstoff.Funktioniert sowohl in Abwesenheit als auch in Anwesenheit von Sauerstoff.
Bildet schädliche Radikale.Bildet keine Radikale, ist jedoch kein Schutzfaktor gegen Sauerstoffradikale.Es kann Energie freigesetzt werden, ohne dass sich Radikale bilden (Schutzfaktor).
Sehr ineffektiv bei der Bildung von Fetten und Bausteinen für die Zellteilung, da ein Drittel des Zuckers verloren geht.Ineffizient und nur mit Zucker, Teilen des Eiweißes (glukogene Aminosäuren) und einem sehr kleinen Anteil des Fetts (Glyzerin) möglich.Sehr effektiv bei der Bildung von Fetten und Bausteinen für die Zellteilung, da Zucker vollständig genutzt wird. Funktioniert nur mit Zucker, Teilen des Eiweißes (glukogene Aminosäuren) und einem sehr kleinen Teil des Fetts (Glyzerin).
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