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Kapitel 6: Im Forschungslabor II

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Paris, 28. Dezember 2027

»Schau das letzte Bild auf meinem Laptop an!«, hatte Alice auf dem Post-it Zettel gelesen, den ihr Lavoisier zugesteckt hatte, kurz bevor das Unheil begann. Nun war es wieder ruhig und es gab keine Schüsse mehr, auch war das Geschrei verstummt. Die Männer in den roten Reinigungsanzügen hatten die Lage rasch unter Kontrolle, nachdem die Spezialeinheit Lavoisier fortgebracht hatte.

»Alice Bonmont«, rief nun Sarrasin durch den Flur, »sie sind weg. Sie können mit ihren Leuten wieder nach vorne kommen.«

Alice traute der Sache nicht ganz, deshalb spähte sie auf den Flur hinaus und sah einen Mann in einem roten Reinigungsanzug, der ihr zuwinkte.

»Kommt!«, sagte sie nun erleichtert zu den Mitgliedern des Teams Sargon. »Es gibt viel zu tun.«

»Vielen Dank, Monsieur ?…«

»Special Agent Sarrasin, stellvertretender Direktor der Direction centrale du Renseignement Intérieur und nun für ihre Sicherheit zuständig.«

»Wo ist Lavoisier?«, fragte sie aufgeregt.

»Sie haben ihn entführt. Sie hatten es von Anfang an nur auf ihn abgesehen.«

»Ist er verletzt?«, fragte sie mit besorgter Stimme.

»Nein, er war bei bester Gesundheit, als sie ihn ergriffen haben. Sonst gibt es einige Verletzte, aber niemand wurde ernsthaft in Mitleidenschaft gezogen.«

»Ich möchte, dass in einer Viertelstunde alle wieder im Besprechungszimmer sind«, sagte Alice zu den andern. Die Mitglieder des Teams nickten oder hielten den Daumen nach oben zum Zeichen des Einverständnisses. Alle waren schockiert und konnten kaum glauben, was sich vor wenigen Minuten abgespielt hatte. Nur eine Person war in keinster Weise überrascht, denn sie wusste mehr, als alle anderen. Schliesslich wurde sie vorher informiert und konnte sich entsprechend verhalten. Sie war überzeugt, dass niemand einen Verdacht geschöpft hatte.

Alice ging als erstes an Lavoisiers Pult und setzte sich vor den Laptop. Sie betätigte die Leertaste, und das zuletzt angezeigte Bild erschien. Alice schaute sich die Fotografie aus dem Archiv genauer an. Dann hob sie die Augenbrauen und las den kurzen Text unter dem Bild. Sie traute ihren Augen nicht. Danach hatte also Lavoisier die ganze Zeit gesucht.

»Der Kreis schliesst sich«, dachte sie, stand auf und rief Pascal Sarrasin zu sich. Nachdem er eingetreten war, besprachen sie einige Dinge, und sie bat ihn zugleich, bei der folgenden Besprechung dabei zu sein. Sarrasin nickte, denn er hatte den Auftrag erhalten, den Instruktionen von Alice Bonmot Folge zu leisten. Dass er in Kürze in eine derart heikle Situation geraten würde, hätte er sich nie vorstellen können. Aber Befehl war Befehl, und schliesslich kam er von ganz oben. Alice begab sich ins Besprechungszimmer und stellte fest, dass schon alle da waren. Sarrasin begleitete sie. Niemand nahm daran Anstoss, denn in Anbetracht des Geschehenen fühlten sie sich wohler, wenn Sicherheitsleute in ihrer Nähe waren. Nur einer Person gefiel das ganz und gar nicht.

»Ich informiere euch, dass Lavoisier von Unbekannten entführt wurde. Man hatte es von Anfang an nur auf ihn abgesehen. Dank dem Einsatz von Special Agent Sarrasin und seinen Leuten ist sonst nichts Gravierendes passiert«, erklärte Alice und bedankte sich nochmals bei ihm.

Alice erhob erneut ihre Stimme und sagte aus einer Mischung von Trauer und Verachtung:

»Unter uns gibt es einen Verräter! Jemand, der alles, was wir herausgefunden haben, weitergegeben hat.«

Tief betroffen schauten die Mitglieder des Teams Sargon sich misstrauisch an. Alice konnte spüren, wie die Mitglieder sich gegenseitig verdächtigten und abwogen, wer wohl der Verräter sein konnte.

»Warum nur, Marie?« fragte nun Alice und wandte sich ihr zu.

Robert Bruce stellte sich entsetzt zwischen Alice und Marie und sagte:

»Alice, was fällt dir ein, Marie zu verdächtigen!«

»Marie, willst du es uns erklären?«, fragte Alice.

»Was fällt dir ein, sie so zu beschuldigen?«, enervierte sich Robert Bruce.

»Robert, du bist ein absoluter Spezialist, was Verschwörungstheorien angeht. Aber das hier ist keine Verschwörung gegen Marie, sondern es liegen Fakten und Beweise vor, dass sie eine Verräterin ist. Es ehrt dich, dass du sie in Schutz nimmst. Aber Liebe macht bekanntlich blind«, antwortete Alice, und der letzte Satz traf Robert mitten ins Herz. Er wollte gerade aufbegehren, aber Marie schob ihn zur Seite und versuchte erst gar nicht, es abzustreiten.

»Tut mir leid, Robert«, sagte Marie, »aber sieh dir doch die Welt an. Ist es nicht endlich Zeit für eine göttliche Ordnung? Jesus Christus, der König der Könige wird in Kürze zu uns kommen und diejenigen, die fest im wahren Glauben sind, belohnen und die falschen und bösartigen Menschen in die ewige Verdammnis stürzen.«

»Aber …«, stammelte Robert.

»Lass es gut sein“, sagte Marie und ergänzte: »Übrigens ist Lavoisier im Schloss Chambord.«

»Bei ihrem Onkel Alain Berger, Grossmeister der Bruderschaft des reinen Herzens«, erklärte Alice und löste dabei helles Entsetzen bei den anderen Teammitgliedern aus.

»Du hast Steven in den sicheren Tod geschickt«, beschimpfte Helen Moody sie.

»Glaubt mir, das wollte ich nicht. Sie hätten nicht getötet werden sollen. Man hatte es mir versprochen. Irgendwie ist dann alles aus dem Ruder gelaufen«, versuchte sich Marie zu erklären, und eine kleine Träne lief ihr über die Wangen.

»Marie, hast du es immer noch nicht begriffen, dass die Aldemakros keine Boten Gottes, sondern Wesen aus einer anderen Welt sind, die sich nun unseren Planeten unter den Nagel reissen werden?«, rief ihr John Melling zu, und seine Stimme liess nichts Gutes erahnen, denn er war wutentbrannt und voll des Zorns.

»Nein, es sind die Racheengel des Herrn. Wir dürfen sie nicht bekämpfen. Alle, die sich ihnen und damit dem Willen Gottes entgegenstellen, werden vernichtet werden.«

»Führt sie ab«, wies nun Alice Sarrasin an. Das Ganze wurde ihr zu bunt.

Er nickte und rief über sein Headset zwei Agenten zu sich.

Alice fuhr fort: »Ich will, dass sie an einen sicheren Ort gebracht wird. Sie darf keinen Kontakt zur Bruderschaft des reinen Herzens haben. Ebenso ordne ich an, dass niemand aus dem Innenministerium wissen darf, wo sie ist. Ebenfalls darf es keine Kommunikation nach aussen geben. Uns jedoch muss sie jederzeit zur Verfügung stehen. Special Agent Sarrasin, können Sie das arrangieren?«

Sarrasin wusste nicht so recht, was er tun sollte. Er war hin- und hergerissen. Sollte er dem Befehl von Alice Bonmont, die nun das Kommando innehatte, Folge leisten, oder sollte er Marie de Beauvoir dem Innenminister überstellen, der ihm erklärt hatte, dass Marie de Beauvoir unter seinem persönlichen Schutz stehe und er für sie verantwortlich sei? Sarrasin musste einen Entscheid fällen.

»Was würde meine Frau jetzt an meiner Stelle tun?«, fragte er sich. Dann entschied er. Hätte er anders entschieden, würde es die Menschheit wohl nicht mehr geben.

»Ich habe das Recht auf einen Anwalt und auf einen Telefonanruf«, sagte Marie de Beauvoir, und ein triumphierendes Lächeln huschte über ihre Lippen. Sie wusste, dass ein Anruf ins Innenministerium genügen würde, um sie aus dieser misslichen Lage zu befreien.

»Das kannst du vergessen. Du stehst unter dringendem Terrorverdacht, und nach den geltenden Gesetzen« - und hier führte Alice die entsprechenden Gesetzesartikel in numerischer Reihenfolge an - »hast du kein Anrecht auf einen Anwalt und kein Recht auf einen Telefonanruf.«

Alice bat Special Agent Sarrasin, ihr ihre Rechte vorzulesen, damit alles seine Ordnung hatte.

»Und nun bringt sie weg!«, sagte Alice.

Sarrasin nickte, las Marie de Beauvoir ihre Rechte vor und nahm sie in Gewahrsam. Zum Erstaunen aller legte er ihr Handschellen an, nachdem sie ihre Hände hatte auf den Rücken legen müssen. Bevor Sarrasin mit seinen Agenten den Raum verliess, schrieb er etwas auf einen Zettel und übergab diesen Alice. Nun waren sie wieder allein im Besprechungszimmer.

»Wie habt ihr herausgefunden, dass Marie die Verräterin war?«, fragte Helen Moody und weckte damit auch das Interesse der anderen. Nur Robert Bruce schien niedergeschlagen zu sein, wofür die anderen Verständnis hatten, denn ihnen war auch aufgefallen, dass Marie und Robert sich in den letzten Wochen näher gekommen waren.

»Lavoisier hatte schon länger einen Verdacht gegen sie gehegt«, sagte Alice. »Kurz zusammengefasst, fand er heraus, dass Marie ganz in der Nähe von Alain Berger wohnte, der eine geheime Wohnung im sechsten Arrondissement hat. Er recherchierte dann weiter, und als er ihre Geburtsurkunde einsah, fiel ihm auf, dass ihre Mutter in Saint-Nazaire geboren war.«

»Was hat Saint-Nazaire mit der ganze Geschichte zu tun?«, fragte Albert Delacroix.

»Alain Berger wurde auch dort geboren. Lavoisier hatte das Gefühl, dass dies kein Zufall sein könne. Ihr wisst ja, er glaubt nie an Zufälle. Er sah sich mehrere Youtube-Videos von Berger an. Dabei fiel ihm etwas auf.

»Haben beide die gleichen Augen?«, fragte Robert Bruce, der sich nun auch für die Details zu interessieren schien.

»Nicht ganz«, antwortete Alice, »aber Lavoisier hat die Angewohnheit, dass er die Menschen, mit denen er es zu tun hat, genau anschaut. So erinnerte er sich an Maries Hände. Robert, ist dir nie etwas an ihren Händen aufgefallen?«

»Sie waren sehr wohlgeformt, aber sonst?«, antwortete Robert.

»In der Tat war Lavoisier der Ansicht, dass sie sehr schön und gepflegt waren. Aber ein kleines Detail war ihm sofort ins Auge gestochen«, sagte Alice, und obwohl sie sicher war, dass niemand sich an das kleine Detail erinnern würde, machte sie eine kleine Pause und schaute in die Runde.

»Mach es nicht so spannend, sag es schon!«, meinte John Melling, der für seine Ungeduld bekannt war.

»Am kleinen Finger der rechten Hand hatte Marie unmittelbar vor dem Nagel ein kleines Muttermal.«

»Und dieses Muttermal kam ihm von irgendwoher bekannt vor?«, sagte James Woods, und es war eher eine Feststellung als eine Frage.

»Absolut richtig. Ihr ahnt es sicher schon. Lavoisier erkannte auf den Youtube-Videos am kleinen Finger der rechten Hand von Alain Berger das gleiche Muttermal«, erklärte Alice.

»Lavoisier ging der Sache weiter nach, und obwohl es anfänglich ein Schuss ins Blaue war, stellte sich nach weiteren Nachforschungen heraus, dass Maries Mutter eine ältere Schwester von keinem geringeren als Alain Berger war. Der Grossmeister der Bruderschaft des reinen Herzens war also ihr Onkel. Deshalb wohnten sie wohl auch an der gleichen Strasse.«

»Das alleine genügt doch nicht, um sie zu überführen«, fragte James Woods, den das Ganze als Kryptologen immer mehr zu interessieren schien.

»Du hast natürlich recht. Das würde nicht ausreichen. Aber es war ein erstes Indiz. Deshalb liess Lavoisier dann durch Steven Smith, möge er in Frieden ruhen, ihre Telefone überwachen und stellte fest, dass jeweils an verschiedenen Abenden zahlreiche Gespräche über die gleiche Verteilerzentrale in Blois abgewickelt wurden, über die auch das Gespräch eines feindlichen Agenten aus England und Anrufe aus dem Innenministerium liefen. Ein Freund Lavoisiers, den ich nicht namentlich erwähnen möchte, hatte allerbeste Verbindungen zur Telekommunikationsfirma, die für den Betrieb und den Unterhalt der Verteilzentrale verantwortlich war. Dieser Freund lieferte dann den entscheidenden Hinweis.«

Dass die Information vom Löwen von Alexandria kam, verschwieg sie aber tunlichst.

»Heute wissen wir, dass die Gespräche von dort aus weiter nach Chambord ins Schloss weitergeleitet wurden, und dies trotz höchsten Sicherheitsvorkehrungen seitens der Bruderschaft. Auch ergaben weitere Untersuchungen, dass Marie Bergers geheimen Festnetzanschluss in seiner Wohnung im sechsten Arrondissement angerufen hatte. Es besteht kein Zweifel - und Marie hat es selber eingestanden - , dass sie unsere Verräterin ist«, sagte Alice zum Abschluss.

»Wie war das möglich?«, fragte nun Militärattaché Albert Delacroix. »Ich dachte, dass Marie de Beauvoir, bevor sie im Innenministerium zu arbeiten anfangen konnte, einer strikten Überprüfung unterzogen wurde. Wie konnte ein so gravierender Fehler geschehen?«

»Lavoisier hat noch etwas anderes herausgefunden«, sprach Alice weiter. »Er hatte weiter recherchiert und sich sehr genau mit der Abtei Saint-Germain-des-Prés auseinandergesetzt. Und in welchen Arrondissement liegt die Kirche?«, fragte Alice.

»Im sechsten«, antwortete Albert Delacroix schnell, denn als Militärattaché kannte er praktisch jeden Winkel der Hauptstadt.

»Auch das schien für Lavoisier kein Zufall zu sein. Er ging später die Jahrbücher der Abtei Saint-Germain-des-Prés durch. Leider fand er nichts von Bedeutung. Zumindest glaubte er das, denn plötzlich erinnerte er sich an eine abgebildete Fotografie, die zuerst nichts hergab. Aber bei näherer Betrachtung konnte man folgendes sehen«, erklärte Alice und schaltete den Beamer an. Die Mitglieder des Teams Sargon sahen die Projektion einer Fotografie, fanden aber nichts Auffälliges daran.

»So war es auch Lavoisier ergangen. Er hat mir jedoch noch einen Hinweis gegeben können, bevor er entführt wurde. Schaut euch nun das einmal genau an«, forderte sie alle auf. Dabei bewegte sie einen Laserpointer über die Fotografie und zeichnete drei kleine Kreise. Danach vergrösserte sie das Bild, und nun konnten alle erkennen, was Lavoisier entdeckt hatte.

»Von wann stammt die Fotografie?«, fragte Robert Bruce, der zuerst erkannt hatte, was so bedeutsam war.

»Im Jahrbuch von 2014, also vor dreizehn Jahren«, antwortete Alice.

Alle waren fassungslos, denn was sie sehen konnten, war eine Einweihungsfeier einer restaurierten Kapelle der Abtei Saint-Germain-des-Prés. Die Kapelle selber war nicht von Interesse, jedoch konnte man in der Mitte eine Person erkennen, die, so sah es zumindest aus, eine Eröffnungsrede hielt. Leicht nach rechts versetzt konnte man zwei weitere Personen erkennen, auch wenn sie etwas vom Schatten einer Säule verdeckt waren: In der Mitte stand der Innenminister Pascal Robin und leicht nach rechts versetzt Alain Berger und Marie de Beauvoir.

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