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1 Die Kündigung

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»Chefin, haben Sie inzwischen entschieden, welchen Anbieter wir nehmen?« Jasper Kamensieg scharrte ungeduldig mit den Füßen. »Ich muss dringend bestellen. Färber macht mir schon seit Tagen die Hölle heiß wegen der fehlenden Werkzeuge.«

»Okay, ich schau mir das gleich noch mal …« Weiter kam ich nicht. Da platzte Bodo Beyer herein: »Sie müssen sofort mit Kohlbrenner sprechen! Der hat keine Leute zur Reha geschickt. Wenn die heute nicht mit dem Fundament fertig werden, können wir unsere Wandelemente vergessen.«

Das Telefon klingelte ununterbrochen und machte mich nervös. Wo war denn nur Frau von der Grube? Warum ging sie nicht ans Telefon? »Moment«, sagte ich zu Bodo Beyer und ging an den Apparat. »Jordan Seniorenbauten«, hatte ich mich kaum gemeldet, da schoss ein Schwall von Vorwürfen durch den Hörer. Ausgerechnet vom Abteilungsleiter Bau des Erzbistums Köln, auf den wir große Hoffnungen für Folgeaufträge in der Region setzten. Ich sank auf den Bürostuhl, hörte nur noch die erboste Stimme am anderen Ende, ohne wahrzunehmen, was sie denn sagte, sah Bodo Beyer mit den Armen fuchteln und Jasper Kamensieg bedrohlich nahekommen.

»Was ist denn nun?«, fauchte er mir ins Gesicht.

Als ich den beiden Männern vor mir keine Antwort mehr gab, verschwanden sie fluchend aus dem Büro. Ich versuchte, den Mann am anderen Ende der Leitung zu beruhigen, und versicherte ihm, dass ich mich um die Schäden kümmern würde. Als ich endlich auflegen konnte, musste ich erst einmal tief durchatmen. Vor mir lag ein Stapel mit Briefen, Verträgen und Angeboten, die ich dringend anschauen und abzeichnen musste. Also: Nicht weiter nachdenken, alles durchgehen! Ich arbeitete bis spät in die Nacht und fiel nach Mitternacht erschöpft ins Bett.

Dieser Tag war genauso verlaufen wie viele andere zuvor. Wie die Tage bei uns seit Jahren verliefen. Immer mehr Kunden kamen zu mir und beschwerten sich über mangelnde Qualität oder weil wir die versprochenen Termine nicht einhielten. Dabei waren beide, Qualität und Termintreue, unsere Aushängeschilder. Für mich war das eine Katastrophe, eine persönliche Niederlage. Immer häufiger zahlten Kunden nicht mehr pünktlich oder wollten Rabatte. Die Zahlungsmoral war in den letzten zwei Jahren stark gesunken, inzwischen waren Mahnungen und Auseinandersetzungen um die Rechnung eher die Regel.

Und meine Mitarbeiter? Es war im Grunde genommen genau das Gleiche. Auch sie beschwerten sich ständig über irgendwelchen Kram, stritten miteinander, kamen zu mir und wollten irgendwas, um das ich mich am besten stante pede kümmern sollte. Am schlimmsten war Johannes Barth, der Betriebsleiter. Als hätte ich nicht genug Sorgen, nervte er mich ununterbrochen mit seinen Forderungen nach neuen Maschinen in der Schreinerei, nach größeren Fahrzeugen, nach mehr Leuten, die wir bräuchten und so weiter und so fort. Dabei sah unsere finanzielle Situation alles andere als rosig aus. Die Zahlen auf dem Konto sprachen für sich. Ganz besonders machte mir der Mangel an qualifizierten Leuten zu schaffen. Drei Mitarbeiter hatten in den vergangenen vier Monaten gekündigt. Jeden Tag aufs Neue sann ich darüber nach, wo ich noch sparen könnte, woher ich Fachkräfte bekäme, wie wir Liefertermine einhalten könnten, die einzuhalten längst nicht mehr möglich war. Wie konnte es so weit kommen?

Ende der 1990er-Jahre war ich ganz hoffnungsvoll gestartet. Zwar voller Trauer, denn kurz zuvor war mein Vater gestorben, aber ich war dennoch guten Mutes. Mutter und ich übernahmen die Firma. Die war schon lange Teil unseres Lebens, wir waren vertraut mit allem, was auch nur im Entferntesten mit seniorengerechtem Bauen zu tun hat. Mutter hatte in die Firma eingeheiratet. Ja, so kann man es wirklich sagen. Sie hatte nicht nur meinen Vater geheiratet, sondern die Firma, die mein Großvater ursprünglich als Schreinerei gegründet hatte, gleich mit. Ich selbst hatte zunächst Bauingenieurswesen, dann sogar Architektur studiert, mich auf das Thema Barrierefreiheit spezialisiert. Zusammen mit meinem Vater hatten wir uns etliche Nächte um die Ohren geschlagen, um die Firma zu dem zu machen, was sie heute ist. Nein, was sie gestern war: das führende Unternehmen für Entwicklung und Bau von Großimmobilien für Senioren. Die Firma war Vaters Lebenswerk und wir wollten sie fortführen. Mutter hatte das Heft in der Hand und sollte es noch einige Zeit behalten. Sie war eine resolute Frau, die wusste, was sie wollte, und die, ohne mit der Wimper zu zucken, Vaters Regiment übernommen hatte. Dann brachte das Alter einige gesundheitliche Einschränkungen für sie mit sich, und mehr und mehr übernahm ich die Verantwortung. Offiziell ging Jordan Seniorenbauten 2001 ganz in meine Hand über, aber Mutter wird wohl nie aufhören, sich einzumischen. Die Firma ist ihr Ein und Alles. Mutter war es auch, die uns durch ihre enge Beziehung zur Kirche die großen Aufträge brachte. Schon bald nach Großvaters Tod lebten wir von denen, die nicht nur ein einzelnes Einfamilienhaus, sondern gleich ganze Wohnanlagen, Reha-Zentren oder Altenheime planen und bauen lassen. Meine Eltern waren strenggläubige Katholiken, das heißt, Mutter ist es natürlich immer noch. In ihrer Familie gibt es seit Generationen einen engen Kontakt zur Kirche. »Die Kirche – das sind wir!«, hieß es immer. Wobei mich jedes Mal das seltsame Gefühl beschlich, dass meine Eltern dieses oft bemühte christliche Wort ganz anders verstanden als es ursprünglich gemeint war. Und so kam es, dass die Kirche unser bester Kunde wurde.

Aber in diesem Jahr sah alles anders aus. Am nächsten Morgen fuhr ich zunächst zu zwei Baustellen, bevor ich mich wieder ins Büro begab. Es war Freitag, der 22. März 2015. Zerknirscht setzte ich mich an meinem Schreibtisch. Die Baustellenbesichtigungen und die Gespräche vor Ort hatten es wieder einmal klar gezeigt: Ich hatte es nicht geschafft. Es ging den Bach runter. Warum? Die Frage konnte ich in diesem Moment noch nicht beantworten. Und wie immer blieb mir kaum Zeit, darüber nachzudenken, denn schon ging wieder die Tür auf und Bodo Beyer, der Fertigungsleiter, schneite herein. Er schaute mich kaum an, reichte mir einen Briefumschlag und sagte: »Alles Gute, Frau Jordan.« Er sagte tatsächlich »Frau Jordan« und nicht »Chefin«, wie es bei uns üblich war. War das zynisch gemeint? Ich weiß es bis heute nicht. Ich konnte seinen Gesichtsausdruck nicht deuten, so schnell war er wieder weg. Meine Reaktion wartete er erst gar nicht ab, sondern zog die Tür hinter sich zu und verschwand. Wohin auch immer. Ein einziger Blick in den Brief genügte, um den Boden unter meinen Füßen gefährlich wanken zu lassen. »Betreff: Kündigung« stand da und in mir machte sich die Gewissheit breit: Das war's. Jetzt geht das Schiff samt Kapitänin unter. Es fehlte nicht viel und ich hätte losgeheult. So sehr hatte ich mich noch nie als Versagerin gefühlt. Das war jetzt die vierte Kündigung innerhalb von drei Monaten. Und es waren nicht irgendwelche Aushilfskräfte, die kündigten. Alle waren in führenden oder jedenfalls wichtigen Positionen, unentbehrlich für mich. Ja, unersetzbar, denn Fachkräfte waren so rar wie vom Aussterben bedrohte Meeresschildkröten. Bei diesem Gedanken spürte ich einen leichten Stich in der Herzgegend. Das ganze Wochenende über vergrub ich mich im Büro, versuchte wenigstens einen Teil dessen abzuarbeiten, was unter der Woche liegen geblieben war. Aber am Ende fühlte ich mich um keinen Deut besser, sondern hatte nur das Gefühl, der Stapel Unerledigtes verhalte sich wie die Algen im Atlantik, die sich immer stärker vermehrten und das klare Wasser mit einem braunen Teppich überzogen.

In der Nacht träumte ich, in der Seniorenresidenz Waldesruh zu sein, einer von uns gebauten Anlage. Vater und Mutter lebten dort gemeinsam und freuten sich über meinen Besuch. Wir spazierten durch die weitläufige Parkanlage und begegneten Johannes Barth, der seinen alten Chef und dessen Frau besuchen wollte. Vater und er begannen sofort zu fachsimpeln und wollten unbedingt drinnen gemeinsam Pläne begutachten. Als wir alle im Fahrstuhl waren, sagte Johannes Barth: »Jetzt zeige ich Ihnen mal, wo die Zukunft liegt. Wir müssen noch höher hinaus.« Er drückte auf einen Knopf und plötzlich schoss der Aufzug in die Höhe, schoss krachend durch die Decke und landete auf dem Dach des Gebäudes. Wir stiegen aus, niemand war verletzt und Johannes Barth winkte sofort den Kranfahrern zu, die rund um das Gebäude herum bereitstanden, um neue Fertigbauteile aufs Dach zu setzen. »Wir müssen so schnell es geht weiterbauen«, sagte er, »wir haben einen Vertrag.« Dann wachte ich schweißgebadet auf.

»Herr Barth«, begann ich am Montag das Gespräch mit dem Mann, der seit über vierzig Jahren in der Firma arbeitete und quasi zum Inventar gehörte. Johannes Barth hatte unter meinem Vater hier gelernt, kannte jede Maschine, jeden Prozess, jeden Mitarbeiter wie seine Westentasche. Ohne ihn wäre ich aufgeschmissen gewesen. Wenn er nur nicht so unbesonnen wäre, dachte ich oft. Er stürmte voran, ohne nach rechts und links zu schauen. Er wollte immer, dass wir investieren, uns als Vorreiter in der Branche präsentieren, ohne auf die Kosten zu schauen, ohne auf das, was leistbar war mit einem immer mehr zusammenschrumpfenden Team. Johannes Barth wäre durch Wände – oder eben durch Decken – gegangen, wenn ich ihn gelassen hätte. So jedenfalls kam es mir vor. Tatsächlich waren wir in fast allen Dingen unterschiedlicher Meinung und doch konnte ich ohne ihn nicht auskommen.

»Herr Barth, haben Sie noch einen Moment für mich?«, hielt ich ihn auf, gerade als er sich gegen Abend bereit machte, nach Hause zu fahren. »Ich habe von Ihnen geträumt«, fuhr ich fort. Die ungewohnt vertrauliche Mitteilung ließ seine Hand auf der Türklinke abrupt erstarren. Langsam drehte er sich um.

»Na, da bin ich aber gespannt«, erwiderte er.

»Setzen Sie sich bitte.« Ich zeigte auf den freien Stuhl. »Hören Sie zu. Das war nicht irgendein Traum. Das war eine Botschaft.« Und ich erzählte ihm von meinem Traum.

Als ich geendet hatte, schaute Herr Barth mich entgeistert an und sagte: »Unfassbar. Wissen Sie, was ich in der Nacht zum Samstag geträumt habe? Ich war im Fahrstuhl der Rehaklinik am Baldeneysee. Die Klinikbetreiber waren ungehalten, weil einige Räume und Anlagen immer noch nicht benutzbar waren. Wir wollten in den zentralen Serverraum hinunterfahren, da ich ihnen dort das Steuerungs- und Sicherungssystem der Toranlagen erläutern sollte. Aber nachdem die Kabinentür sich automatisch geschlossen hatte, ging nichts mehr. Nichts bewegte sich, kein Knopf reagierte. Wir waren gefangen.«

Ich war fassungslos. Unsere Träume passten wie ein Chromosomenpaar zueinander, so gegengleich verhielten sich die geschilderten Ereignisse. »Und?«, fragte ich neugierig. »Was war die Ursache?«

Er knurrte: »Sie, Chefin.« Nach einer kurzen Pause fuhr er fort. »Sie hatten meine Übergabe verhindert, weil noch irgendwo eine Zierleiste fehlte, was Sie schon Tage zuvor beanstandet hatten. Ich fühlte mich wie auf Eis gelegt.«

Es schien, als würde etwas in mir zerbrechen. So hatte noch nie ein Mitarbeiter mit mir gesprochen. Wagte Johannes Barth das, weil es ein Traum war? Wie so oft in letzter Zeit spürte ich eine Enge in der Brust. Das Gefühl, dass etwas geschehen müsse, ließ mich schon lange nicht mehr los, aber in diesem Moment erschien mir alles so bedrohlich, dass ich meine Rolle als Chefin vergaß. Plötzlich war ich nicht mehr die starke Frau, sondern eher das kleine Mädchen, das die starke Hand des Vaters sucht. Nur – die einzige Hand, die da war, war die von Herrn Barth, meinem ungeliebten Betriebsleiter. Und der nahm, wie ein strenger Lehrer zu Großvaters Zeiten, ein Lineal in seine Hand und schlug mir damit auf die Finger. So jedenfalls kam es mir vor, als er nun jeden einzelnen Grund für seinen Frust wie einen Hieb aufzählte: meinen Perfektionismus, meine ständige Angst, Mitarbeiter könnten etwas falsch machen. Er nannte es »Kontrollwahn«. Meine Unfähigkeit, Entscheidungen zu treffen, mein notorischer Sparzwang, wie er es nannte. Das konnte ich keinesfalls auf mir sitzen lassen. Was erdreistete sich der Mann? Ich schlug zurück, nannte alles, womit er mir tagtäglich das Leben schwer machte: seine ewigen Neuerungswünsche, die immer mit Kosten verbunden waren. Ständig war er unzufrieden, meinte, wir müssten mehr für die Entwicklung tun, um konkurrenzfähig zu bleiben. Sein mangelndes Verständnis für die Konsequenzen. Ich musste ihm immer wieder vor Augen führen, dass ich wirtschaftlich denken und entscheiden musste. Noch nie zuvor hatte ich so mit einem fremden Menschen gestritten. Aber es hatte auch etwas von einem reinigenden Gewitter. Nach den persönlichen Vorwürfen kamen andere Dinge auf den Tisch. Probleme, die nicht mit ihm oder mir zu tun hatten, zumindest nicht offensichtlich: allen voran Achim Hagedorn, der mit jedem in Streit geriet und alles zu sabotieren schien. Dann Bodo Beyer, der schon oft gesagt hatte, dass zu viel an ihm hängen bliebe, er wollte, dass ein zweiter Mann an seine Seite gestellt würde, dass die Aufgaben besser verteilt werden müssten und der sich jetzt einfach aus dem Staub gemacht hatte. Klaus Färber, der Leiter Holz- und Fertigteilebau, war unzufrieden, weil seine Werkzeuge veraltet waren. Wenke Schneider, die Planungsleiterin, kam andauernd und nervte mich mit irgendwas, wozu sie mein Go brauchte: neue Bildschirme, immer wieder Aufträge für eine unserer Zulieferfirmen. Ich sollte wegen einer Verlängerung der Lieferfrist für das Reha-Zentrum verhandeln usw. Alle hatten sich schon mal mehr oder weniger laut über das allgemeine Chaos beschwert und darüber, dass sie nie ausreichend informiert waren. Das Ausmaß an Problemen, so wurde mir bewusst, überstieg bei Weitem das, was ich mir bis dahin einzugestehen bereit gewesen war.

Als alles gesagt war, schwiegen wir. Lange saßen wir uns stumm gegenüber. Ein bisschen konnte ich ihn sogar verstehen. Aus seiner Sicht hatte er ja Recht mit vielem. »Was sollen wir tun?«, fragte ich schließlich leise. Johannes Barth machte ein paar Vorschläge, aber schon kamen wieder meine Bedenken. Immer das Gleiche: Er preschte vor, ich musste bremsen, aus welchen Gründen auch immer. So kamen wir nicht weiter. Egal, um welche Frage es ging – wie wir Mitarbeiter auftreiben könnten, wie wir Bodo Beyer vorübergehend ersetzen könnten, welche Terminverschiebungen wir mit welchen Mitteln erreichen könnten und und und –, der Berg an Problemen schien unüberwindbar. Und unsere gegensätzliche Haltung ebenfalls. Als ich die Hoffnungslosigkeit auch in seinen Augen sah, wollte ich ihm wenigstens etwas Nettes sagen: »Ich weiß, dass Sie damals ziemlich unter der Knute meines Vaters gelitten haben«, wechselte ich das Thema, »umso mehr rechne ich Ihnen an, dass Sie mich nach seinem Tod nicht im Stich gelassen haben und auch jetzt für mich da sind.«

»Ach, Chefin«, Johannes Barth seufzte erschöpft, »das ist sicher gut gemeint, danke. Aber viel besser als bei Ihrem Vater ist es jetzt auch nicht. Okay, im Gegensatz zu ihm sagen Sie zwar ›bitte‹ und ›danke‹, aber bei ihm gab es wenigstens klare Ansagen und schnelle Entscheidungen. Er war eben kein Warmduscher.«

Das saß! So sah er mich also? Ich fühlte mich hilflos und alleingelassen. Dachten die anderen Mitarbeiter auch so über mich? Wir waren keinen Schritt weiter als am Anfang unseres Streits.

Am Abend rief ich meine Freundin Susi an. Ich musste unbedingt meine Sorgen loswerden und ihr auch von dem Traum erzählen. Er beschäftigte mich immer noch und auch das, was Johannes Barth dazu gesagt hatte. »Susi, ich weiß echt nicht weiter. So kann es nicht weitergehen«, klagte ich mein Leid. »Was soll ich tun?«

»Warum holst du dir nicht endlich mal Hilfe?«, erwiderte Susi. »Ich meine, professionelle Hilfe!«

»Ich weiß, was du meinst. Und du kennst meine Einstellung zu Unternehmensberatern. Wir haben oft genug darüber gesprochen. Ich will solche Rattenfänger nicht im Hause haben. Unternehmensberater! Allein bei dem Wort empfinde ich schon regelrechten Widerwillen.«

»Tja, dann wünsch' ich dir einen fröhlichen Untergang. Da kannst du dich ja zu Herrn Schlecker gesellen. Von dem heißt es auch, dass er bis zum Schluss keine Berater zulassen wollte.« Susis unverschämte Antwort traf mich wie ein Dolchstoß. Wenigstens von meiner Freundin hatte ich mir mehr Verständnis und Unterstützung erhofft. Ich schwieg verletzt. »Elke«, lenkte sie nach einer Pause ein, »pass auf, ich erzähle dir mal, was bei uns gerade passiert. Wie schon so oft fing sie an, von ihren beiden verfeindeten Abteilungsleiter-Kollegen zu erzählen, die die gesamte Belegschaft tyrannisierten. Ich machte mich schon auf eine weitere Episode gefasst, als sie plötzlich sagte: »Die beiden arbeiten jetzt zusammen an einem Projekt und sind richtig erfolgreich.«

»Und wie ist dieser plötzliche Sinneswandel zustande gekommen?«, erkundigte ich mich reserviert.

»Wir haben vor drei Wochen einen Workshop mit den UnternehmensBeatmern gemacht. Das hat's gebracht. Es musste jeder mit jedem reden. Da sind Sachen auf den Tisch gekommen, das kannst du dir gar nicht vorstellen. Na ja, das führt jetzt zu weit, dir alles haarklein zu erzählen. Jedenfalls haben sich am Ende viele Streitigkeiten geklärt. Das war wie eine Erlösung. Wir haben erkannt, woran wir als Führungsteam gemeinsam arbeiten müssen, um die Firma nach vorne zu bringen. Und die beiden gehen jetzt zusammen daran, unseren Engpass zu lösen, der uns seit Jahren das Leben schwer macht. Es macht richtig Spaß zu sehen, wie kreativ sie miteinander sein können! Sieht so aus, als hätten die beiden das Kriegsbeil tatsächlich begraben.«

UnternehmensBeatmer! Der seltsame Name hallte in meinen Ohren ebenso wie Susis Geschichte nach. Es fühlte sich ja tatsächlich so an, als bekäme ich nicht mehr genug Sauerstoff, als ginge Jordan Seniorenbauten die Luft aus. War die Firma schon kollabiert, brauchten wir Beatmung? Zum ersten Mal in meinem Leben ließ ich den Gedanken zu, Hilfe von außen in Anspruch zu nehmen. Ob die UnternehmensBeatmer mir und meinem Unternehmen wohl so viel frischen Wind zuführen könnten, dass wir wieder aufatmen und überleben würden? Wieder spürte ich einen kurzen heftigen Stich im Herz.

Vom seidenen Faden zum gemeinsamen Strang

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