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Voraussetzungen

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»Das hier ist gewissermaßen unser Reiseplan.« Unser erster Workshop, einige Wochen nach dem Kick-off, hatte begonnen und Eb Schmidt skizzierte die Etappen (Abbildung 2.1).


Abb. 2.1: Die sieben Schritte

»Wir werden uns gemeinsam auf die Reise machen. Eine Reise, auf der Sie sich alle miteinander zum besten Team der Welt entwickeln werden.« Gelächter machte die Runde. Ich konnte die höhnischen Gedanken förmlich hören: Ausgerechnet wir! Ganz schön hochtrabend, der Herr! Ach, wenn's weiter nichts ist … Und ich muss gestehen, mir ging es auch nicht anders. Das war ganz schön dick aufgetragen, fand ich.

Herr Schmidt schien sich ebenfalls zu amüsieren. Er lächelte und fuhr unbeirrt fort, wobei er die einzelnen Schritte ausführte. Das klang alles ein wenig theoretisch und ich konnte mir keine rechte Vorstellung davon machen, wie das denn nun aussehen sollte. »Wir werden diese Schritte in diesem und in allen folgenden Workshops nacheinander und immer wieder gehen. Aber bevor wir durch diese sieben Schritte der Entwicklung gehen, wollen wir erst einmal Reisevorbereitungen treffen«, sagte er. »Die ambitionierteste Reise der Welt gerät zum Fiasko, wenn wir nicht die richtigen Voraussetzungen geschaffen haben, damit die Reise ein Erfolg wird, also zum gewünschten Ziel führt.«

Wir diskutierten kurz darüber, was das für Voraussetzungen sein könnten, und kamen überein, dass jeder bereit sein müsse, auf den Zug aufzusteigen, sprich mitzuarbeiten, sich offen und ehrlich einzubringen. Einen kurzen Moment lang tauchte Achim Hagedorns dunkle Gestalt vor meinem inneren Auge auf und irritierte mich. Ich entschloss mich, sie zu ignorieren und verfolgte gebannt die Vorgänge um mich herum.

»Wie schätzen Sie das hier versammelte Team ein?«, fragte Steffen Karneth nun die Gruppe. »Wenn Sie glauben, dass das Team voll bei der Sache ist und jeder sich im Workshop engagiert, dann stellen Sie sich bitte an die linke Optimistenwand. Wenn Sie glauben, dass die meisten sich eher abwartend verhalten werden und nur zögerlich mitmachen, dann stellen Sie sich bitte an die gegenüberliegende rechte Abwarten-Wand. Und wenn Sie das Team so einschätzen, dass es eh alles für sinnlos erachtet und den Workshop für vertane Zeit hält, dann stellen Sie sich bitte an die hintere Pessimistenwand.« Bewegung kam in die Mannschaft. Johannes Barth, Wenke Schneider, Jasper Kamensieg und Ali Ben Nasul hatten sich alle zu der rechten »Abwarten-und-Tee-trinken-Wand« begeben, nur Urs Meckenrath stand auf der Optimistenseite und Klaus Färber, der Leiter Holz- und Fertigteilebau, an der Pessimistenwand.

»Na, dann darf ich mich wohl allein unterhalten«, witzelte Urs. »Gut, dass ich wenigstens das besser als alle kann.«

»Na, schauen wir mal, was noch kommt«, warf Steffen Karneth ein. »Wie schätzen Sie sich denn selbst ein?«, fragte er weiter an die Gruppe gerichtet. »Wer von sich glaubt, dass er engagiert mitmachen wird, der stelle sich bitte an die linke Optimistenwand. Wer glaubt, dass er erst einmal abwarten will, wie es sich entwickelt, um zu sehen, ob er sich einbringt, der stelle sich bitte an die gegenüberliegende Abwarten-Wand und wer schon jetzt weiß, dass er nicht daran interessiert ist und sich nicht einbringen wird, der stelle sich bitte an die Pessimistenwand hinten.« Bis auf Klaus Färber, der an der Pessimistenwand stehen blieb, bewegten sich alle zur Optimistenseite.

Statt das Bild, das sich nun bot, zu kommentieren, fragte Steffen Karneth nach. »Warum glauben Sie, Herr Färber, dass weder das Team noch Sie selbst sich in diesem Workshop engagieren werden?«

»Das kann ich Ihnen sagen«, erwiderte Klaus Färber. »Hier hat sich noch nie jemand wirklich engagiert. Ich arbeite seit acht Jahren in diesem Laden, und immer, wenn es darum ging, etwas für die Gruppe oder für eine gemeinsame Sache zu tun, haben sich alle zurückgezogen. Denken Sie nur mal an die Aktion »Ein Baumhaus für die Kita ›Bunte Maus‹«, wandte er sich den Kollegen zu, »da hatte plötzlich keiner mehr Zeit, etwas für die Kinder zu tun. Und mit denen gab es noch nicht einmal Streit oder schlechte Erfahrungen. Warum sollte es hier besser sein, wo im Grunde keiner den anderen leiden kann? Ich habe selbst jedenfalls auch keine große Lust mehr, mich einzubringen.« Er machte eine kurze Pause. »Und schon gar nicht, wenn andere sich derweil auf ihre Gebetsteppiche werfen und auf Allahs Hilfe hoffen«, fügte er dann mit finsterem Blick auf Ali Ben Nasul hinzu. Das waren harte Worte.

Steffen Karneth bedankte sich bei Herrn Färber und würdigte überraschenderweise seine Einschätzung, ohne auf die Beleidigung darin einzugehen: »Es erfordert einigen Mut, sich allein auf diese Seite zu stellen und ehrlich zu seiner Haltung zu bekennen. Was sagen denn die anderen? Wenn Sie sich selbst als engagiert einschätzen, wie erklären Sie sich, dass bei der Einschätzung des gesamten Teams die Mehrzahl von Ihnen an der Abwarten-Wand stand?«

Es folgten mehr oder weniger hilflose Erklärungsversuche, bei denen meine Gedanken abschweiften. Es war ja klar: Jeder hatte eine schlechtere Meinung vom Team als von sich selbst. Ich hatte mich ja selbst bei der ersten Frage an die Abwarten- und bei der zweiten Frage an die Optimistenwand gestellt und kramte jetzt in meinem Kopf nach Gründen. Im Grunde sprach Klaus Färber das aus, was auch ich glaubte: Die hier versammelte Truppe war im Grunde kein Team, sie hatte noch nie an einem Strang gezogen.

Die UnternehmensBeatmer nahmen das zum Anlass für die nächste Übung. Jeder sollte zunächst einmal eine Art Momentaufnahme bei sich vornehmen. Wie geht es mir? So lautete die Frage, die jeder für sich auf einem Zettel beantwortete. Was da an Antworten zusammen kam, passte zum bisherigen Eindruck: Die meisten hatten gar keine klare Antwort auf diese Frage, waren indifferent oder konnten es einfach nicht sagen. Einer fühlte sich unsicher, ein anderer immerhin neugierig. Nur Johannes Barth schrieb, dass er froh sei, dass jetzt endlich was getan werde, um die Probleme in den Griff zu kriegen.

Ich konnte mir lebhaft vorstellen, dass dieser Mann nur darauf wartete, dass mir endlich jemand Feuer unterm Hintern machte. Wenn er sich da mal nicht täuschte. Er musste endlich lernen, sich zurückzunehmen und nicht immer nur zu fordern. Schließlich raubte er mir dadurch eine Menge Zeit und Kraft.

»Jeder von Ihnen hat seine eigenen Empfindungen in Bezug auf den Workshop und die Teilnehmer«, beendete Steffen Karneth die entstandene Stille. »Was brauchen Sie oder was muss passieren, damit Sie am Ende sagen können: Der Workshop war ein Erfolg?« Die Antworten kamen zögerlich.

»Ich muss mich am Ende sicherer fühlen als jetzt«, sagte Ali Ben Nasul, unser hypernervöser Bauleiter.

»Ich brauche ehrliche Aussagen meiner Kollegen«, meinte Klaus Färber, »kein Wischiwaschi-Gerede.«

»Ich wünsche mir Klarheit über unsere Engpässe und Ansätze zu ihrer Lösung«, meldete sich Johannes Barth zu Wort.

»Ich weiß es noch nicht«, fuhr Wenke Schneider fort, »vielleicht, wenn wir morgen anders miteinander kommunizieren.« Das wunderte mich nicht. Die Planungsleiterin wirkte zwischen den Handwerkern immer ein wenig zu fein und sprach auch viel gewählter als die teils sehr hemdsärmeligen Kollegen.

»Ich wäre froh, wenn wir alle mal an einem Strang ziehen und uns auf klare Maßnahmen einigen können«, sagte Jasper Kamensieg, unser Einkaufsleiter.

»Was ich brauche? Also ich brauch ein Bier«, schloss Urs Meckenrath den Reigen und hatte damit mal wieder die Lacher auf seiner Seite.

Aber dann wurde es schnell wieder ernst. Fast feierlich verpflichtete sich jeder Einzelne von uns in einem Statement, an der eigenen wie auch an der Teamentwicklung zu arbeiten. Jeder hatte es also vom anderen gehört, es gab keine Ausrede mehr. Nachdem wir uns außerdem auf einige Regeln für den Workshop und auf eine vertrauliche Behandlung aller Angelegenheiten, die zur Sprache kommen sollten, geeinigt hatten, konnte es losgehen. Wir hatten das Ticket für unsere gemeinsame Reise in der Tasche.

Vom seidenen Faden zum gemeinsamen Strang

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