Читать книгу Katharina und Abigail - Edeltraud-Inga Karrer - Страница 10

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6.

Am nächsten Tag begannen sie gleich nach dem Frühstück mit der Fortsetzung der Geschichte.

»Weil die Schwestern älter waren als Amalia, konnte sie die Vorgehensweise der Brautschau studieren. Die ersten Kandidaten machten eine so unglückliche Figur, dass bei ihrem Fortgehen ein Gelächter der vier Mädchen angestimmt wurde. Meinem Opa gefiel es nicht, wenn sich seine Töchter über die jungen Männer lustig machten. Er erklärte ihnen, dass es schon eine Mutprobe für sie bedeutete, in ein fremdes Haus zu gehen und sich den Blicken der Mädchen auszusetzen. Die Armen mussten außerdem all die Fragen beantworten, die die Eltern stellten. Und diese hatten es in sich. Als Familienoberhaupt musste der Vater natürlich genau erkunden, wem er seine Töchter anvertrauen konnte.

Die ganze Prozedur war überhaupt eine seltsame Geschichte. Zuerst kam ein Mann, der der Brautwerber war. Er hatte die Aufgabe festzustellen, ob in einem bestimmten Haus junge Mädchen leben, die bereit sind, zu heiraten. Er wurde gut beköstigt und konnte sich von dem Vorhandensein eventueller Kandidatinnen überzeugen. Dann zogen sich der Familienvorstand, meistens der Vater allein, und der Werber zurück, um miteinander zu verhandeln. Die Mütter, jedenfalls war es bei meiner Oma so, informierten sich über den Fortgang und das Ergebnis des Gespräches mithilfe ihrer Ohren an der Tür.

Der interessierte Bräutigam musste genauestens inspiziert und geprüft werden. Damit die Tochter eine gute Zukunft erwarten konnte, war es wichtig zu erfahren, ob sie mit einem arbeitsamen, zuverlässigen, ehrlichen, am liebsten begüterten und sparsamen Menschen ihren weiteren Lebensweg beschreiten würde. Wäre er ihr gegenüber liebevoll? Wünschte er sich Kinder? Diese und andere Details mussten zuvor geklärt werden.

Der Brautwerber hatte damit den ersten Teil seines Auftrages erledigt. Er teilte bei seiner Heimkunft dem eventuell zukünftigen Ehemann seine Eindrücke von der Familie, dem Mädchen und dem Verhandlungsergebnis mit.

Nach einer vereinbarten Frist wurde er erneut im Haus der erhofften Braut vorstellig, um nach der Entscheidung des Haushaltsvorstandes zu fragen. Wenn dieser mit einer Brautschau einverstanden war, wurde ein Termin für den Besuch des möglichen Bräutigams festgelegt. Ob der Kandidat genehm war oder nicht, wurde in unserer Familie nicht allein vom Vater entschieden. Hier sprachen Mutter und Tochter ein gewichtiges Wort mit.

Meine Mutter erzählte einst etwas, aber ich bin nicht sicher, ob sich das tatsächlich so zugetragen hat:

Es ergab sich, dass ein Brautwerber einen ersten Erfolg verbuchen konnte. Der Kandidat wurde in die Familie der Braut eingeladen. In seinem Heimatort war der hoffnungsvolle junge Mann dafür bekannt, dass er gern und viel aß und sein Appetit schwer zu stillen war. Damit er nicht gleich bei seinem ersten Besuch einen ungünstigen Eindruck hinterließ, schlug der Hochzeitsagent folgende Vorgehensweise vor: Wenn er der Ansicht war, dass der zukünftige Bräutigam genug gegessen hätte, würde er ihm auf den Fuß treten. Weil klar war, dass von seinem ersten Auftreten alles abhing, willigte er ein.

Die angehende Braut musste das komplette Essen allein zubereiten. Auch sie war bemüht, sich von ihrer besten Seite zu zeigen.

Der Duft aus den verschiedenen Töpfen drang den beiden Gästen verlockend in die Nase. Sie wurden ermuntert, tüchtig zuzugreifen. Dann wurde das Tischgebet gesprochen, dem er schon gar nicht mehr folgen konnte, weil es allzu sehr in der Nase kribbelte. Endlich konnte er mit dem Essen beginnen. Der junge Mann mäßigte sich und langte nicht unkontrolliert zu. Schnell schaufelte er die Leckereien in sich hinein. Er war vielleicht bei seiner achten oder neunten Gabelfüllung angekommen, als der dicke fette Kater des Hauses sich unter dem Tisch herumtrieb und versehentlich über seinen Fuß lief. In der irrtümlichen Annahme, sein Begleiter habe das verabredete Zeichen gegeben, legte er sein Besteck neben seinen Teller und war nicht mehr zu bewegen, seinen Teller leer zu machen.

Er wurde genötigt und gebeten, doch weiter zu essen. Doch er behauptete steif und fest, satt zu sein. Das ärgerliche Ergebnis seiner ›heldenhaften Bescheidenheit‹ war, dass die junge Köchin davon ausging, ihre Kochkünste hätten ihm nicht zugesagt. Die beiden wurden kein Brautpaar.

Eines Tages stand dann auch der Brautwerber vor der Tür meiner Großeltern, um ihr letztes Kind zu entführen. Ein junger Schmied suchte eine Frau und der Vermittler hatte ein sehr gut entwickeltes Gehör für allerlei Berichte, die junge, heiratsfähige Damen betreffen. Er drückte sich an den Orten herum, an denen er die meisten Informationen aufschnappen konnte. In Kirchen, auf Märkten und gesellschaftlichen Feiern war er ständig präsent und bekam dort die erhofften Hinweise.

Obwohl das Dorf, in dem der heiratswillige Kandidat lebte, ziemlich weit entfernt war, reichte der Spürsinn des Agenten bis zu dem Haus, in dem meine Mutter wohnte. Kurz und gut, der Besuch war positiv. Er wurde sehr viel ausführlicher durchleuchtet als die Gatten der Schwestern, weil mein Opa für seine Amalia andere Pläne hatte als diese jung zu verheiraten. Er stellte sich vor, dass sie, genau wie er selbst, Lehrerin wird. Sie hatte alle Voraussetzungen dafür. Aber was sollte er gegen die Verliebtheit seiner Tochter machen, die dem jungen Schmied unbedingt folgen wollte? Er war, so sagte meine Mutter, der schönste und galanteste Mann, den sie bis dahin gesehen hatte.«

Katharina und Abigail

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