Читать книгу Katharina und Abigail - Edeltraud-Inga Karrer - Страница 9
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Es wurde doch kein Landregen daraus. Die Sonne erwärmte schnell wieder die Luft. Deshalb beschlossen die beiden Frauen, sich im Garten aufzuhalten.
»Die Menschen hatten es früher einfach besser als heute. Wenn ich mir das Leben meiner Mutter anschaue, denke ich, so sorglos wächst in der jetzigen Zeit kaum ein Kind auf. Die meisten werden schon früh in Kinderkrippen oder Kindergärten abgeschoben, anstatt an der Seite der Mutter Urvertrauen sammeln zu können und so viel Sinnvolles zu lernen. Ich finde das sehr traurig.«
Ziemlich schroff entgegnete Abigail: »Ich finde es gut, wenn sie nicht jahrelang am Rockzipfel ihrer Mutter hängen, sondern mit Gleichaltrigen spielen, lernen und leben können.«
»Sag mal, Abigail, kannst du dir nicht vorstellen, wie traurig ein kleines Kind ist, wenn es nicht bei seiner Mama bleiben darf, sondern bei Wind und Wetter weggebracht wird? Tut dir so ein Krümel nicht leid?«
»Wer kann es sich heute schon leisten, nicht arbeiten zu gehen? Ich kenne niemanden. Und dann ist es doch gut, wenn man die Kinder in eine ordentliche Obhut geben kann.«
»Ach, ich glaube, wir lassen das Thema lieber, sonst könnte daraus noch ein Streit entstehen«, brach Katharina diese Diskussion ab.
Abigail stand abrupt auf und lief durch den Garten zum Wald. »Ich bin in einer Stunde wieder da!«, rief sie Katharina noch zu.
Plötzlich spürte diese, dass die Mittagszeit längst vorbei war und der Magen sich zu Wort meldete. Bis die junge Frau wieder zurückkam, stand das Essen auf dem Tisch, das sie schweigend zu sich nahmen. Irgendetwas stand zwischen ihnen. Sie fühlten es beide und Abigail wusste, was es war.
Auf ihrem inzwischen obligatorischen Spaziergang nach dem Essen trafen sie im Park mehrere Menschen, die dort ihre Hunde ausführten.
»Du hast gar keine Tiere, Katharina.«
»Hast du welche?«
»Nein, aber bevor ich überall im Ausland herumgedüst bin, hatte ich zwei Hunde, einen Labrador und einen Schäferhund Mischling. Die habe ich leider beide abgeben müssen, eigentlich nur einen. Der andere war schon älter, und als wenn er geahnt hätte, dass wir uns jetzt trennen müssen, starb er, kurz bevor ich meinen neuen Job angetreten habe. Mein Simson, er starb in meinen Armen. Ich musste ihn nicht einschläfern lassen. Kann mir auch gar nicht vorstellen, wie ich damit hätte umgehen sollen. Drei Tage lag er im Sterben. Wir unterhielten uns und sprachen über die Erlebnisse und Abenteuer, die wir beide und dann gemeinsam mit Emma hatten. Er schaute mich so dankbar, manchmal ein wenig traurig und dann sehr müde, an. Dann schnaufte er ganz tief durch, so, als wenn ihm eine schwere Last abgenommen werden würde. Sein Kopf fiel nach hinten und – er war tot.
Dieser Tod hat mich nicht so traurig gemacht als ich eigentlich gedacht hätte. Es war einfach alles gesagt, wir hatten eine schöne Zeit miteinander, er war lebenssatt, ich konnte ihn bis zum allerletzten Moment streicheln und ihm den Übergang erleichtern.«
»Und Emma, der Labrador?«
»Das ist ein viel schlimmeres Kapitel. Damit bin ich überhaupt noch nicht durch. Sie blieb bei meinem Ex. Es geht ihr ganz sicher gut bei ihm. Er war ganz vernarrt in sie und doch habe ich das Gefühl, als habe ich sie abgeschoben. Ich denke, ich habe ihr Vertrauen missbraucht und bin ihr untreu geworden. Sie wäre von mir bestimmt nicht einfach abgehauen. Tiere sind eben zuverlässiger als Menschen und so arglos. Als Simson tot und Emma weg war, fröstelte es mich in meiner Wohnung. Ich versuchte, mein schlechtes Gewissen, aber auch die Leere in mir damit zu überspielen, dass ich mich ja eine Woche später nicht mehr um die beiden hätte kümmern können. Aber es war schon schlimm. Plötzlich war ich mutterseelenallein.«
Die Erinnerung hatte Abigail gar nicht mehr auf den Weg achten lassen. Doch plötzlich machte er eine Biegung und da lag der im Sonnenschein glitzernde Teich vor ihnen. Auf der gegenüberliegenden Seite spiegelte sich der Waldrand in der ruhigen Wasseroberfläche. Ein paar Enten schwammen neugierig herbei, um festzustellen, ob die beiden Frauen etwas Essbares für sie hätten.
»Oh, ist das schön hier. Ich hätte mir nicht träumen lassen, hier einen so romantischen kleinen See vorzufinden.«
Katharina sah gern in Abigails strahlende Augen. Nun war wieder etwas von ihrer Leichtigkeit zu erkennen, die sie am Anfang hatte.
Sie ruhten auf einer Bank, die unter einer riesigen alten Kastanie stand, ein wenig aus. Klare Luft füllte ihre Lungen und sie genossen die wohltuende Ruhe.
Katharina gingen Gedanken an ihre Mutter durch den Kopf. »Mama hat uns stets daran erinnert, dass der Glaube an Jesus Christus durch ihren Vater in die Herzen seiner Kinder gesät und in ihren schlimmsten Zeiten der einzige Trost war. Wenn sie niemanden hatte, mit dem sie reden oder dem sie sich anvertrauen konnte, war Er da. Vor Ihm konnte sie ihr Herz ausgießen und war sicher, Er hört ihr zu. Er ist bei ihr und verlässt sie nicht.
Ja, ich kann tatsächlich bestätigen, was sie gesagt hat. Wenn ich nicht an meinen Herrn Jesus hätte glauben können, gäbe es mich nicht mehr.« Abigail schüttelte leicht den Kopf: »Ach, weißt du, an den lieben Gott kann ich nicht glauben. Warum ist so viel Leid, Gemeinheit und Lieblosigkeit auf der Welt? Wenn es Ihn wirklich gäbe, müsste Er doch einmal eingreifen!
Aber ich glaube auch an eine höhere Macht. Da ist eine Kraft im Universum, die alles in sich vereint. Das ist meine Meinung. Genauer beschreiben kann ich es nicht. Aber ich bemerke manchmal, dass ich etwas tun will, und dann spüre ich, ich sollte es nicht machen. Wenn ich auf dieses Gefühl – die innere Stimme – höre, geht es gut.«
»So habe ich auch vor vielen Jahren gedacht. Aber dann habe ich Jesus kennengelernt. Jetzt bin ich sicher, dass Er keine Erfindung einer Religion ist. Er ist der Sohn Gottes. Mit Ihm und Gott, dem Vater, kannst du eine ganz persönliche Beziehung haben. Und noch eins ist unauslöschlich in mir eingebrannt: Er liebt mich, Er liebt dich, Er liebt alle Menschen mit einer Inbrunst, die wir uns nicht vorstellen können!
Das Elend in der Welt, die Ungerechtigkeit und das Böse kommen nicht von Ihm. Da müssen sich die Menschen schon mal selbst in die Verantwortung nehmen! Wer löst die Kriege und Hungersnöte aus? Ist es Gott? Nein, es ist die Gier der Menschen. Und Ihm tut es weh, aber Er wehrt ihnen nicht, Er hat keine Marionetten geschaffen, sondern Wesen, die ihre Entscheidungen selber treffen können – für Ihn oder gegen Ihn, für die Liebe oder für den Hass!« Katharinas Gesicht glühte vor Eifer. Dieses Thema war ihr am liebsten und sie freute sich jedes Mal, wenn sie jemanden fand, mit dem sie darüber sprechen konnte.
Die junge Frau schien aber nicht überzeugt zu sein. Zweifelnd schaute sie zu Katharina hinüber.
»Ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Vielleicht können wir uns später noch einmal darüber unterhalten. Aber heute kann ich mich nicht mehr konzentrieren. Wollen wir auch das Interview für heute gut sein lassen?« Ihr Gesichtsausdruck verriet den Wunsch nach Unterbrechung. Sie wirkte müde.
Katharina bemerkte, dass ihr endgültig die Energie fehlte, das Interview fortzusetzen.