Читать книгу Die Mulgacamper Romane - Sequel - Band 13 und 14 - Elda Drake - Страница 10
ОглавлениеKapitel 7
Fritz mistete mit einer Energie aus, als wäre jeder Strohhalm sein persönlicher Feind. Er war wütend auf sich selbst. Verfluchte Feigheit! Aber er hatte soviel Angst davor gehabt, dass Dolly Nein sagen würde, dass er es einfach nicht übers Herz gebracht hatte sie zu fragen. Verflucht! Verflucht! Verflucht!
»Es wird wirklich Zeit, dass wir Hetty wieder eine Digitalkamera kaufen.« Kai lehnte betont lässig, mit übereinandergeschlagenen Beinen, an der Boxentüre und sah seinen Mentor aus halbgeschlossenen Augen an.
Fritz blickte irritiert auf. »Wieso fällt dir das gerade jetzt ein?«
Kai hob den rechten Mundwinkel. »Weil sie dann gleich mal ein Foto von dem größten Trottel machen kann, den ich je gesehen habe.«
Sein Ziehvater erstarrte. »Meinst du damit etwa mich?«
Kai nickte. »Warum hast du sie fahren lassen? Dolly ist das Beste, was dir passieren konnte und du lässt sie einfach gehen.«
Fritz sah ihn wütend an. »Das weiß ich selber. Aber das ist es ja gerade. Wieso sollte so eine Frau mich haben wollen?«
Kai stöhnte vernehmlich auf. »Du hättest ihr zumindest die Chance geben können Nein zu sagen. Dann könntest du jetzt in Selbstmitleid schwelgen und ich würde dich bedauern. Aber was rede ich denn. Wenn du dir selbst die Möglichkeit auf ein neues Lebensglück verbauen willst, hast du ja genau das Richtige getan. Ich fahr jetzt los und kaufe die Kamera.«
Damit drehte er sich um und ging weg. Glücklicherweise konnte Fritz nicht sehen, dass er dabei übers ganze Gesicht grinste. Na, wenn das jetzt nicht geholfen hatte, dann half gar nichts mehr.
Fritz stand wie festgenagelt in der Box und ballte die linke Faust. Jetzt fühlte er sich sowieso schon mies genug und dann bekam er ausgerechnet von Kai noch eine voll auf die Glocke. Er starrte die Mistgabel an, die er in der rechten Hand hielt und holte aus. »Verflucht nochmal!«
Sekunden später sah Kai ihn über den Hof zum Parkplatz laufen. Nach dem Kies zu urteilen, der von den durchdrehenden Reifen wegspritzte, hatte Fritz anscheinend etwas Dringendes zu erledigen. Schmunzelnd ging er zurück zum Stall. In der verlassenen Box fand er die immer noch wippende Mistgabel in der Holzwand stecken. Tja, so wie es aussah, blieb der Ausmistjob heute an ihm hängen. Doch zugegebenermaßen machte ihm das rein gar nichts aus. Denn während der Arbeit konnte er sich in aller Ruhe überlegen, wie die Sache wohl laufen würde.
Fritz gab inzwischen Gas. Er wollte Dolly noch abfangen, bevor sie in den Seminarraum ging. Jetzt, da er sich entschieden hatte, wollte er nicht noch einen ganzen Tag warten müssen, um seine Frage anzubringen. Mit quietschenden Reifen hielt er vor dem Hoteleingang an und sprang aus dem Auto. Dann eilte er in die Hotelhalle, während der Portier ihm verdutzt nachblickte. Seine Frage nach dem Seminarraum erübrigte sich, als er Dolly sah, die gerade mit einer Frau sprach.
Er stürmte auf sie zu, packte sie am Arm und fuhr sie an. »Ich liebe dich! Willst du mich heiraten?«
Dolly starrte völlig verdutzt den Mann an, der da so ungestüm ihre Unterhaltung unterbrochen hatte. Genauso hatte er ausgesehen, als sie ihn das erste Mal gesehen hatte. Ein alter Overall, verstaubt bis über beide Ohren und sogar ein Strohhalm hatte sich in seine Haare verirrt. Und sie hatte sich gedacht, endlich mal ein Mann, der auch noch attraktiv wirkt, wenn er nicht geschniegelt und gebügelt ist. Fritz wurde unter ihrem Blick urplötzlich bewusst, in welchem Aufzug er hier in die Hotelhalle gestürmt war. Entmutigt drehte er sich um. Das war doch alles nur Blödsinn.
Da legte sich eine vornehm manikürte Hand auf seine Schulter und eine sanfte Stimme sagte. »Nur zu gerne.«
Die Hotelgäste hatten anschließend genügend Grund zum Staunen. Es war schon ein fantastischer Anblick, zu sehen, wie eine vornehme Dame von einem Mann geküsst wurde, der wie ein Stallbursche gekleidet war. Wobei sie den Kuss mit einer Energie erwiderte, die eindeutig belegte, dass sie sich sehr gerne von ihm küssen ließ.
Zwei Stunden später deutete Kai zur Auffahrt. »Schaut mal, was der Weihnachtsmann bringt.«
Chrissie, Hetty und Patrick lachten laut auf. »Sieht so aus, als ob das Seminar ohne Dolly stattfindet.«
Denn der große Hanomag war auch von weitem leicht zu erkennen und das konnte wohl nur eines bedeuten.
Patrick sah seine Frau an. »Schätze, du wirst bald eine Stiefmutter bekommen.«
Chrissie lächelte. »Ich freue mich so für Paps. Er war dauernd so alleine. Und Dolly ist ja wirklich ein Schatz! Mit ihr wird das Leben auf der Farm noch viel schöner werden.«
Hetty nickte zustimmend und sah Kai an, der ihren Blick erwiderte und ihr leise zuflüsterte. »Noch ein Jahr, neun Monate und fünf Tage!«
Im ersten Moment sah sie ihn verdutzt an, bevor der Groschen fiel. Sie flüsterte zurück. »Führst du Buch, oder wie?«
Kais rechter Mundwinkel zuckte. »Eine gute Statistik ist auch etwas wert und es geht nichts über ausgefeilte Hochrechnungen.«
Hetty stöhnte leise auf, was Patrick zu der Frage veranlasste. »Fehlt dir etwas?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein, nein, aber Kai hat mir gerade erklärt, was wir die nächste Zeit alles noch machen müssen und da kommt richtig Arbeit auf mich zu.«
Glücklicherweise hatte der Junge keine Ahnung davon, um was es hier eigentlich ging. Doch Kai, der sich mühsam ein Grinsen verbiss, bemerkte, dass er darüber nachdachte, ob irgendein verborgener Sinn hinter dieser Antwort liegen könnte.
Als sich seine Wangenmuskeln anspannten, erkannte Kai, das er sehr wohl ahnte, um welches Thema es hier gegangen war. Nachdenklich sah er auf den Jungen. Inzwischen sollte ja eigentlich in seiner Ehe wieder alles zum Besten stehen. Die Geburt mit all ihren Nachwirkungen lag etliche Monate zurück, Chrissie erhielt ihre Hormontherapie und war die meiste Zeit wieder lustig und fröhlich. Also sollte doch eigentlich auch ein gewisser Part des Ehelebens inzwischen wieder zum Alltag gehören.
Na ja, dass seine Frau keinen Zugang zu ihrem Sohn fand, das musste man wohl so akzeptieren. Aber sie versuchte, wenn auch keine warmherzige Mutter, so doch zumindest eine solche zu sein, die ihrem Kind nichts vorenthielt. Glücklicherweise war Molly, mit ihren zwei Sprösslingen, auf der Nachbarfarm nur zehn Kilometer entfernt und die beiden Freundinnen konnten sich oft genug sehen und dabei die Kleinen beaufsichtigen. Was von Chrissie dann nicht rüberkam, konnte sich Simon auf alle Fälle von Molly holen, die unter ihren mütterlichen Armen auch noch mehr Küken unterbrachte, als die zwei eigenen.
Kai runzelte die Stirn. Und trotzdem hatte er irgendwie das Gefühl, dass diese Ehe nach wie vor nicht so lief, wie sie sollte. Wobei man dem Jungen wirklich nicht nachsagen konnte, dass er sich nicht alle Mühe gab. Einen liebevolleren und fürsorglicheren Ehemann konnte sich wohl keine Frau wünschen. Patrick hatte sich den zarten Hinweis von ihm zu Herzen genommen und war sich seiner Verpflichtung und Verantwortung voll bewusst. Doch es fehlte einfach irgendetwas zwischen den beiden. Es gab nichts Bestimmtes, auf das er seinen Finger legen konnte, so mehr ein allgemeiner Eindruck aufgrund dessen sein Unterbewusstsein nach wie vor in Habachtstellung war.
Dann hatte Kai keine Zeit mehr, sich noch weiter Gedanken zu machen, denn inzwischen betrat ein überaus glücklich wirkender Fritz Hand in Hand mit Dolly die erste Stufe der Veranda und eine Gratulation war angesagt.
Hetty meinte am Abend, als sie in ihrem Zimmer alleine waren. »Was ich einfach nicht verstehen kann – warum müssen sie alle immer gleich heiraten?«
Kai zuckte mit den Schultern. Sie beide waren sich in der Hinsicht absolut einig gewesen und hatten auf den Gang zum Traualter verzichtet. Mit einem leisen Schmunzeln überlegte er, dass es auch viel zu kompliziert gewesen wäre, das Treueversprechen und die sonstigen Dinge, entsprechend ihren Ansprüchen anzupassen.
Aufgrund der Eheschließung und der anschließenden kurzen Flitterwoche, die Fritz und Dolly auswärts verbrachten, ergab sich natürlich wieder die Problematik, dass Kai und Hetty erneut Kindersitten mussten. Allerdings wussten sie nun, dass ein Ende absehbar war und damit war das Problem eigentlich keines mehr.
So wehrte sich Hetty auch nicht groß dagegen, noch einmal in Aktion zu treten und stand freiwillig auf, als sie hörte, dass Simon sich meldete. Heute war es voraussichtlich das letzte Mal, dass sie Kinderhüten musste, und ab dann konnten sie und Kai wieder zu ihren eigenen Nachtaktivitäten übergehen. Schon fast vergnügt nahm sie Simon in Empfang und ging mit ihm nach unten. Der Kleine würde von ihr heute noch einmal eine Sonderbetreuung bekommen und dann war endgültig Aus – Ende – Amen.
Kai war sich absolut sicher, dass er momentan keine Angst haben musste, dass Patrick und Hetty etwas taten, was sie nicht tun sollten. Aber Hetty war schon so lange aus und er wollte wissen, warum sie so lange wegblieb.
»Lippen schweigen, dadadada, dadadada, da, da, da, dadadada, dadadada, da, daa, daah ...« Hettys leise Stimme sang das Lieblingslied ihrer verstorbenen Mutter – den Walzer aus der Operette „Die Lustige Witwe“.
Sie hatte gesagt, dass ihre Mutter das immer gesungen hatte, wenn sie glücklich war. Kai blieb auf der Treppe stehen und lauschte. Das war eines der ersten persönlichen Dinge, die er von ihr erfahren hatte und damals war ihm aufgegangen, dass er mehr als ein oberflächliches Interesse für diese Frau zu entwickeln begann. Langsam stieg er die Stufen hinab, stoppte dann aber ruckartig seinen Schritt. Durch die offene Tür der Bibliothek hatte er einen guten Blick auf Hetty, die mit Simon im Arm walzertanzend und singend ihre Kreise zog. Es war ein rührendes Bild.
Der Grund für sein Stehenbleiben, war allerdings nicht der, dass er sie nicht stören wollte. Doch außer ihm war noch ein zweiter Zuschauer anwesend und das war Patrick. Hetty hatte ihn anscheinend noch nicht bemerkt, da sie sich voll auf den Kleinen konzentrierte. Und Kai hoffte, dass sie auch nicht mitkommen würde, dass Patrick sie beobachtete.
Er selbst drehte sich leise um und ging zurück auf das Zimmer. Dort legte er sich auf sein Bett und starrte an die dunkle Zimmerdecke. Hoffentlich hatte sich Patrick im Griff, wenn er Hetty unter die Augen trat, um seinen Sohn in Empfang zu nehmen. Kai seufzte. Seine ehemalige Einschätzung, dass Hetty inzwischen die Nummer Zwei in Patricks Leben war, konnte er wohl zu den Akten legen. Denn die geballten Fäuste und der Ausdruck in Patricks Augen, während ihm eine Träne über die Wange lief, waren wohl aussagekräftig genug. Der Junge liebte sie, nach wie vor, mehr als seine Frau. Und so wie es aussah, war er alles andere als glücklich.
Kai stöhnte auf. Manchmal wäre es wirklich besser für seinen Seelenfrieden, nicht immer alles zu wissen. Vor allem, weil ihm Patrick von Herzen leid tat. Denn auch, wenn er es nach außen hin nicht zeigte, war der Junge einer der wenigen Menschen, die er gern hatte. Und momentan wünschte er sich, ihm irgendwie helfen zu können. Er verzog den Mund. Na ja, über kurz oder lang sollte ja Chrissie wohl wieder endgültig auf dem Damm sein und damit würden sich wohl manche Dinge von selber regeln. Kai runzelte die Stirn. Warum hatte er nur das dumme Gefühl, dass das nur ein Wunschtraum war?