Читать книгу Die Mulgacamper Romane - Sequel - Band 13 und 14 - Elda Drake - Страница 4
ОглавлениеKapitel 1
Hettys Augen sahen nachdenklich auf die hellbraunen Wassermassen, die im Brisbane River langsam und gemächlich Richtung Meer strömten.
Sie saß auf der Terrasse eines bekannten Cafes an der Southbank von Brisbane und beschäftigte sich in ihrem Kopf gerade mit der – sicher noch nie ergründeten Frage – warum alle Liebesfilme immer dann endeten, wenn das Paar nach endlosen Irrungen endlich zusammengekommen war. Ein Schmunzeln lief über ihr Gesicht. Vielleicht deswegen, weil sich wohl niemand Nicole Kidman beim Windeln wechseln und Boden schrubben vorstellen konnte, oder einen unrasierten George Clooney, der in ausgeschlabberten Jogginghosen den Mülleimer zur Aschentonne trug.
Aber wahrscheinlich eher darum, weil es eine unbestrittene Tatsache war, dass nach so viel Glück auch wieder Probleme auftauchen würden und den Kinozuschauer interessierte es wohl als Allerletztes, wie ein Pärchen damit fertig wurde, dass im Garten schon wieder die Blattläuse über die Rosen herfielen.
In ihrem Fall konnte sie sich wirklich nur äußerst glücklich schätzen. Erstens gab es auf der Farm von Kais Mentor, auf der sie nun schon seit geraumer Zeit ihr Domizil aufgeschlagen hatten, einen Gärtner und Hauspersonal das die so ungeliebten Alltagstätigkeiten erledigte. Sprich, Blattläuse und Hausarbeit waren definitiv kein Thema, mit dem sie sich auch nur im Entferntesten beschäftigen musste. Zweitens sah Kai, sogar unrasiert, einfach umwerfend aus und auch in seiner Freizeitkleidung erweckte er den Eindruck, als wäre er gerade einem Modejournal entstiegen. Das führte natürlich zu drittens – nämlich, dass er nach wie vor kein Problem damit hatte, dass sie nach wie vor neun Jahre älter war, nach wie vor durchschnittlich aussah und nach wie vor ihre Gedanken auf die grüne Weide schickte, wo ihnen unsinnige Dinge einfielen, mit deren Folgen er dann konfrontiert wurde.
Doch all das hatte ihr Herr und Meister inzwischen auch schon in für ihn erträgliche Bahnen geleitet, ohne sie in ihrer Freiheit, tun und lassen zu können, was sie wollte, einzuschränken. Denn mittlerweile war sie zu einem festen Bestandteil seiner Sicherheitsfirma geworden, die am Rande von Brisbane in einem weitläufigen Areal ihren Sitz hatte. Dort nahm sie regelmäßig an den Übungen mit seinem Trainingsleiter, und dem mittlerweile in seiner Position als rechte Hand bestärkten George teil, um sich fit zu halten. Und zur Belohnung durfte sie bei kleineren Einsätzen der Firma mitmachen, was, wie sie leider festgestellt hatte, bei Weitem nicht so aufregend war, wie ihre eigenen, früher erlebten Abenteuer. Aber es war eine nette Abwechslung zum Farmleben und wenn sie die nächste Zeit endlich mal wieder verreisen konnten, dann war die Welt mehr als in Ordnung.
Ein Schatten fiel auf sie und schon bevor sie aufsah, wusste sie, dass Kai angekommen war. Seine Angewohnheit, wie aus dem Nichts aufzutauchen, seine allzeit schwarze Kleidung und der nach wie vor eher blasse Teint, hatten ihm bei ihr schon seit Beginn ihres Kennenlernens den Spitznamen Graf Dracula eingebracht.
»Prinzessin!« Er bückte sich, um ihr einen kurzen Kuss zur Begrüßung zu geben und seine strahlend blauen Augen funkelten belustigt, als er anschließend hinzufügte. »Hast du das mit der Quantenphysik endlich im Griff?«
Hetty lachte laut auf. »Nö, das Thema war dieses Mal etwas Banaleres.«
Das kam davon, wenn man als Ausrede für die ausschweifenden Gedankengänge anführte, dass es ansonsten nur noch physikalische Abhandlungen gab, die für sie interessant genug waren, um ihre geistigen Fähigkeiten darauf zu richten. Und Kai merkte sich grundsätzlich auch den kleinsten Unsinn, den sie von sich gab, nur um ihn ihr bei nächster Gelegenheit unter die Nase zu reiben. Denn obwohl sie nun schon einige Zeit zusammen waren, machte es diesem eigentlich so ernsten und introvertierten Menschen immer noch unheimlich Spaß, sie zu verulken.
Nachdem er ebenfalls einen Cappuccino geordert hatte, kam er auf das Thema zu sprechen, das Hetty auf ihre Gedankengänge geführt hatte.
Denn das Verhalten von Chrissie, der Tochter von Fritz, sorgte für genügend Diskussionsstoff. Nach einer schweren Geburt war sie in eine Wochenbettdepression verfallen und hatte sich völlig in sich zurückgezogen.
Ihr Mann Patrick hatte sich alle Mühe gegeben, für sie Verständnis aufzubringen und die Versorgung des Babys übernommen. Das hatte ihn selbst fast in den Zusammenbruch getrieben, schließlich war er auch noch Geschäftsführer der großen Erzmine seines Schwiegervaters und hatte dort nicht gerade einen Acht-Stunden-Tag. Denn, eigensinnig wie er war, ließ er sich die Oberhoheit über seinen ehemaligen Aufgabenbereich als Buchhalter und Informatiker nicht abnehmen und bestand darauf, auch hier das Sagen zu haben. Sein Schwiegervater hatte ihm den Willen gelassen, schließlich sparte Patrick durch seine selbst entwickelten Computerprogramme der Firma eine Menge Geld und es war auch nicht das Schlechteste, wenn er zumindest ein überwachendes Auge auf die Finanzen hatte. Denn, wie gefährlich es sein konnte, den falschen Mann in dieser Position zu haben, hatten sie alle zur Genüge erfahren müssen.
Als Kai gesehen hatte, dass mitnichten seine Ziehschwester ihren Sohn in der Nacht versorgte, sondern statt dessen der Kindsvater um zwei Uhr Morgens in der Küche stand und nur noch ein Schatten seiner Selbst war, war er schlichtweg entsetzt gewesen. Es war abzusehen, dass Patrick diese Doppelbelastung nicht mehr lange verkraften würde und einfach zuzusehen, wie der Junge langsam aber sicher vor die Hunde ging, brachte er beim besten Willen nicht übers Herz. Vor allem, als er bei ihrem Gespräch feststellte, dass Patrick das Verhalten seiner Frau auch noch verteidigte, anstatt sich darüber zu beschweren. Also hatte er dem Jungen angeboten, er und Hetty würden in den Nachtstunden die Versorgung des Kleinen übernehmen, was dieser auch angenommen hatte.
Doch Kai kannte den Jungen inzwischen gut genug um zu bemerken, dass in seiner Ehe etwas nicht so war, wie es sein sollte. Und es gab nur einen Menschen, dem er sich in der Hinsicht anvertrauen würde und das war Hetty. Die machte es sich die nächsten Nächte zur Aufgabe, von ihm zu erfahren, warum sich seine Frau, die den ganzen Tag zuhause war, in der Kinderversorgung zurückhielt und ihrem Mann diese Last aufbürdete. Nachdem sie ihn mit sanfter Gewalt endlich soweit hatte, dass er darüber sprach, wie distanziert Chrissie ihrem Kind gegenüber war und dass sie auch ansonsten lustlos und depressiv war, hatten sie und Kai gehandelt. Sprich, Kai hatte zum Telefonhörer gegriffen, jemanden aus der großen Gruppe derjenigen Menschen angerufen, die ihm verpflichtet waren und bald darauf hatten sie die Information und Diagnose, die sie brauchten. Anschließend die nötigen Maßnahmen einzuleiten, war die leichteste ihrer Aufgaben gewesen.
Nun fuhr Chrissie zweimal die Woche zu einem Gespräch mit einem, in diesen Dingen sehr erfahrenen Psychologen nach Brisbane, nahm ansonsten ihre Hormontabletten und hätte an und für sich wieder so sein sollen, wie früher. Und wenn es darum ging, sich mit ihren Freundinnen und Freunden auf einer Party zu treffen, konnte man auch keinen Unterschied mehr feststellen.
Doch nach wie vor mussten Kai und Hetty größtenteils den Nachtdienst für das Baby übernehmen, denn Chrissie dachte nicht Entferntesten daran, hier endlich ihren Mann zu entlasten und das konnte kein Dauerzustand bleiben. Schließlich hatten sie beide sich nicht schon vor vielen Jahren sterilisieren lassen, weil sie unbedingt Kinder wollten, sondern eben aus genau dem anderen Grund. Und auch wenn der kleine Simon mit Abstand in der obersten Liga der liebsten Babys anzusiedeln war, so waren doch kleine Kinder eher etwas, das sie lieber aus weiter Entfernung sahen.
Kai hatte sich auch nur deshalb bereit erklärt, den Patenonkel für den Kleinen zu machen, weil er gedacht hatte, mit einem Taufgeschenk und netten Zuwendungen an den Feier- und Geburtstagen wäre die Sache gegessen. Dass sich jetzt die Verpflichtung zur Hilfe daraus ergeben hatte, war ihm kurzzeitig egal gewesen, doch irgendwie war bei der Sache kein Ende abzusehen. Also musste unbedingt schnellstmöglichst eine akzeptable Lösung gefunden werden.
Und deshalb debattierten sie jetzt erneut über die Thematik, wie sie in Sachen Patrick und Chrissie weiter verfahren sollten.
»Nach Aussage von Patrick meint der Psychologe, dass die Behandlung hervorragend anschlägt. Aber ehrlich gesagt habe ich da meine Zweifel.« Hetty runzelte die Stirn. »Gut, ich muss zugeben, so ganz allgemein wirkt sie wieder wie früher, aber sie kümmert sich nach wie vor nicht um den Kleinen.«
Kai nickte. »Sie nimmt ihn zwar mit, wenn es um die üblichen Krabbelgruppendinge geht, aber Molly hat George auch schon erzählt, dass sie auffällig wenig Anteil an den Fortschritten von Simon nimmt. Ich habe, ehrlich gesagt, die starke Vermutung, dass sich das auch nicht mehr ändern wird. Wenn ich bedenke, welchen Zirkus sie veranstaltet hat, als sie schwanger war und jetzt … Zum Glück ist Patrick ein absoluter Mustervater. Das kompensiert hoffentlich das Verhalten von Chrissie.«
Er seufzte auf. »Aber auf Dauer kann das nicht so weitergehen, das wird ihn überfordern. Schließlich muss er sich auch um die Mine kümmern und wir wissen beide, dass er in seinem Büro nicht nur lockere acht Stunden am Tag gemütlich rumsitzt, sondern mehr leistet, als alle anderen. Um für Simon da sein zu können, hat er inzwischen einen Teil seiner Arbeit auf seinen Laptop verlagert und logt sich von der Farm aus in die Firma ein. Aber irgendwann muss er auch mal schlafen. Und ich habe den Job als Hilfstruppe langsam aber sicher satt, obwohl der Kleine wirklich pflegeleicht ist. Doch normalerweise fällt mir etwas anderes ein, wenn ich in der Nacht wach werde, als ein Baby zu füttern und Windeln zu wechseln.«
Hetty verkniff sich ein Lachen. Da Simon sehr schnell wieder einschlief, war es eigentlich noch nie vorgekommen, dass Kai seine Einfälle vergessen hatte. Aber sie wusste, was er damit sagen wollte und sie war der gleichen Meinung. Ein Baby, das in der Kinderwiege mit im Raum lag, störte einfach. Ihr Privatleben kam momentan eindeutig etwas zu kurz.
Kai hatte ihre Miene gesehen und sein rechter Mundwinkel hob sich, ein sicheres Zeichen dafür, dass er ein Lächeln verbarg. Natürlich hatte er ihrem Gedankengang folgen können. Schließlich hatten sie sich ihr Domizil nicht grundlos im Westflügel des großen Hauses eingerichtet, wo ihre Suite abgelegen genug lag, dass die restlichen Hausbewohner nicht mitbekamen, was hinter der geschlossenen Türe vor sich ging.
Dann wurde er wieder ernst. »Eigentlich sollten wir uns schon lange um die Sache mit Westaustralien kümmern. Aber da sind wir dann einige Zeit unterwegs und sie müssen auf der Farm alleine zurechtkommen.«
Hetty nickte. Sie wusste, dass Kai plante, sein Unternehmen auch auf der anderen Seite von Australien bekannt zu machen und normalerweise wären sie jetzt gerade dorthin unterwegs, um die entsprechende Akquise zu machen. Schließlich hatte Kai seinen ehemaligen Militärkameraden Nat vor allem deswegen eingestellt, damit er selbst mehr freie Zeit für diesen Bereich seiner Firma hatte. Und Nat war inzwischen gut genug eingearbeitet um, mit kurzen telefonischen Anweisungen von Kai, einigermaßen zufriedenstellend seine Aufgaben zu erledigen. Und den großen Rest konnte man unbesorgt George überlassen, der in Punkto Zuverlässigkeit Nat sogar noch übertraf.
Sie zuckte hoffnungslos mit den Schultern. »Ich habe ja bereits versucht Chrissie die Idee mit einer Nanny oder so etwas ähnlichem, schmackhaft zu machen, aber da habe ich sie voll auf dem falschen Fuß erwischt. Ihrer Meinung nach läuft doch alles prima.«
Kai verzog den Mund. »Na, sie hat ja auch nicht viel Arbeit mit dem Kleinen. Soviel ich weiß, ist Chrissie noch nie in der Nacht aufgestanden und auch unter Tags lässt sie ihn, wenn möglich, von anderen Leuten versorgen.«
Das Läuten von Hettys Handy unterbrach ihr Gespräch. »Hallo Dolly, schön dass du dich wieder mal meldest. Von wo aus rufst du an?«
Als sie die Antwort erhielt, lief ein Grinsen über ihr Gesicht und sie deutete Kai mit einem Kopfnicken an, er solle sich mal umsehen. Der schmunzelte und stand auf.
Dolly hörte sich gerade die Erwiderung von Hetty an, als ein Schatten auf ihren Tisch fiel. »Gnädige Frau!«
Erstaunt sah sie auf. »Kai! Wo kommst du denn her?«
Der zeigte auf die andere Terrassenseite. »Wir sitzen da drüben.«
Das perlende Lachen, das Dolly von sich gab, entlockte ihm ein Lächeln. »Da hat der Zufall wieder einmal mitgespielt!«
Dolly nickte. Irgendwie hatten die zwei den für sich gepachtet. Wenn irgendjemand einen besonderen Draht zum Schicksal hatte, dann die beiden.
Kai reichte ihr die Hand. »Komm mit zu uns und lass dich erst mal richtig begrüßen.«
Dolly ließ sich den Kuss auf die Wange gerne gefallen. Sie war zwar fünfzehn Jahre älter als Hetty, doch abgesehen davon, auch eine Frau. Von so einem blendend aussehenden Mann umarmt zu werden, tat ihr einfach gut. Inzwischen wusste sie auch, dass er da bei ihr eine ganz große Ausnahme machte. Sie hatten sich kennengelernt, als Hetty auf Tasmanien vermisst wurde und sich vom ersten Augenblick an gemocht. Von Anfang an hatte Kai ihr gegenüber nicht seine übliche Distanz gewahrt, sondern hatte sie wie eine gute Freundin behandelt und sich ganz normal und ausführlich mit ihr unterhalten. Erst später hatte sie von Hetty erfahren, wie ungewöhnlich dieses Verhalten von ihm war.
Bereits damals hatte Dolly sich gedacht, Hetty und Kai würden, trotz ihrer Gegensätze, ein wunderbares Paar abgeben. Als sie dann erfahren hatte, dass die beiden tatsächlich zusammengefunden hatten, war sie begeistert gewesen.
Nachdem sie auch von Hetty umarmt worden war und Platz genommen hatte, musste sie natürlich erklären, warum sie tausendfünfhundert Kilometer von ihrem Wohnort entfernt, hier ganz alleine beim Kaffeetrinken saß.
Dolly seufzte. »Ich bin heute nach Brisbane gekommen, weil hier ein einwöchiges Seminar für Biologen stattfindet. Als ich am Hotel eintraf und nach dem Schulungsraum fragte, habe ich festgestellt, dass ich mich im Datum geirrt habe. Es ist erst einen Monat später.«
Stirnrunzelnd sah sie auf den Tisch. »Anscheinend werde ich alt.«
Kai nahm ihre Hand und sah ihr mit einem Zwinkern in die Augen. »Frauen wie du, werden nie alt!«
Dolly errötete und lachte dann. »Wenn du auch noch charmant bist, dann kann man dir wirklich nicht widerstehen.«
Kai lächelte. »Ich komme auch schon in das Alter, in dem gutes Aussehen alleine nicht mehr hilft.«
Hetty warf ein. »Ich habe langsam aber sicher das Gefühl, ich bin auf einem Seniorenausflug. Also ich fühle mich nicht alt, nur damit ihr es wisst! Und wenn ihr jetzt dann über Zahnprothesen und Nierenwärmer redet, stehe ich auf und laufe davon.«
Als sie endlich wieder ernst wurden, meinte Kai. »So wie es aussieht, hast du also eine Woche Zeit und nichts anderes vor. Komm doch einfach mit zu uns auf die Farm.«
Dolly runzelte die Stirn. »Ich habe allerdings meinen Camper dabei, habt ihr denn einen Stellplatz für mich?«
Hetty grinste sie an. »Das werden wir schon hinkriegen. Notfalls parken Kai und ich mit unseren Autos eben auf der Wiese.«
Sie wechselte einen kurzen Blick mit ihrem Freund und sah, dass seine strahlend blauen Augen amüsiert funkelten. Was Dolly wohl zu dem Prunkpalast sagen würde?