Читать книгу Die Mulgacamper Romane - Sequel - Band 13 und 14 - Elda Drake - Страница 8
ОглавлениеKapitel 5
Fritz stürzte sich mit Wonne in seine Gastgeberpflichten, wobei das Wort Pflicht in keinster Weise der Freude entsprach, die ihm Dollys Anwesenheit bereitete. Endlich eine Person in seiner Altersgruppe, mit der er reden konnte. So gut er sich mit der jüngeren Generation verstand, aber zwanzig und mehr Jahre Altersunterschied machten eben auch eine andere Sichtweise aus. Und nun hatte er zum ersten Mal seit langer Zeit jemanden, mit dem er über Dinge reden konnte, ohne vorher lang und breit erklären zu müssen, wann diese Vorfälle stattgefunden hatten. Zugegebenermaßen war ihm keine Minute langweilig und wenn am Abend die anderen hinzukamen, hatte er eher das Gefühl, dass sie im Weg waren. Denn er und Dolly hatten sich noch soviel mehr zu erzählen, da reichte die Zeit unter Tags einfach nicht aus.
Die Woche auf der Farm war vergangen, wie im Flug und Dolly musste sich eingestehen, dass sie nur ungern an die Heimreise dachte. Sie seufzte leise auf. Ihre Tochter war seit kurzem verheiratet und das frisch verliebte Ehepaar lebte natürlich bei ihr im Chateau. Doch obwohl ihr Schwiegersohn sehr zuvorkommend war und ein wirklich netter Mensch, überkam Dolly doch immer öfter das Gefühl, das fünfte Rad am Wagen zu sein. Abgesehen davon, dass sie sich in ihrem eigenem Haus nicht mehr frei bewegen konnte, da die beiden in jeder Ecke herum turtelten und sie andauernd über zwei sich küssende Menschen stolperte. Das war wohl auch der Grund gewesen, warum sie sich im Datum für das Seminar geirrt hatte, denn sie konnte nicht schnell genug wegkommen.
Hetty, die neben ihr auf die Veranda trat, riss sie aus ihren Gedanken. »Kai und ich müssen mal kurz in die Firma, macht es dir etwas aus hierzubleiben?«
Sie sah Dolly mit einem leicht verzogenen Mund an. »Wir wollen Chrissie nicht unbedingt alleine lassen, du weißt schon.«
Dolly lächelte. »Kein Problem, ich sitte Mutter und Kind, haut ihr nur ab.«
Eine halbe Stunde später drang Babygeschrei an ihre Ohren. Ah, Simon war wach geworden. Dieses Mal musste Chrissie zwangsgedrungen selber zur Tat schreiten und ihren Sohn versorgen. Doch das Geschrei hielt an. Dolly stand auf und ging ins Haus, um nachzusehen. Ihr erster Gedanke, dass Chrissie ihren Sohn tatsächlich einfach ignorierte, wurde durch die verzweifelte Stimme, die sie aus der Küche hörte, ad absurdum geführt.
»Ach Simon, schrei doch nicht so. Bitte sei doch endlich still.« Chrissie stand vor dem Fläschchenwärmer und versuchte vergeblich ihren plärrenden Sohn zu beruhigen. »Du kriegst doch gleich was zum Essen.«
Dolly sah mit hochgezogenen Augenbrauen, wie verkrampft sie ihren Sohn hielt. Leise schüttelte sie den Kopf. Da war wirklich Hopfen und Malz verloren. Diese junge Frau bekam einfach keinen Zugang zu ihrem Sohn. Und man konnte ihr wirklich nicht vorwerfen, dass sie es nicht versuchte. Aber nicht bei jedem weiblichen Wesen dieser Welt war ein Mutterinstinkt tatsächlich vorhanden und bei Chrissie fehlte einfach das Gespür, wie man ein Baby behandeln sollte.
Simon ignorierte ihre Beschwichtigungsversuche und legte noch an Lautstärke zu, was Chrissie in einen Tränenausbruch trieb.
Dollys Herz zog sich vor lauter Mitleid zusammen und ihr Vorsatz, sich einfach wieder still zurückzuziehen, verschwand ins Nirgendwo.
Sie trat zu Chrissie, legte ihr den Arm um die Schulter und drückte sie leicht an sich. »Ach Mädchen, wein doch nicht so. Komm, ich helfe dir mit dem kleinen Schreihals.«
Während Dolly Simon schuckelte, der daraufhin mit dem Geschrei aufhörte, versuchte Chrissie ihre Fassung wieder zu gewinnen.
Sich die Tränen aus den Augen wischend, schüttelte sie demoralisiert ihren Kopf. »Schau doch, bei dir ist er sofort ruhig, aber ich kann tun was ich will, bei mir schreit er nur. Ich mache irgendwie alles verkehrt. Jeder im Haus kommt besser mit meinem Sohn zurecht als ich. Sogar Kai und Hetty haben keine Probleme mit ihm, nur ich.«
Die Tränen begannen erneut zu laufen. »Ich bin einfach keine gute Mutter. Und ich will doch wirklich alles richtig machen. Aber was ich auch tue, Simon akzeptiert mich nicht.«
Dolly hatte den Kleinen mittlerweile gefüttert und deutete mit dem Kopf in Richtung Bibliothek. »Komm wir setzen uns hin und dann erzählst du mir mal alles, was dir so auf der Seele liegt.«
Simon wurde von ihr in sein Bettchen verfrachtet und schlief bald darauf ruhig und fest, während seine Mutter sich ihren Frust von der Seele redete. Dolly hatte sie in den Arm genommen und streichelte ihr über das lange blonde Haar. Chrissie hatte ihre eigene Mutter sehr früh verloren und bis zu diesem Zeitpunkt nicht gewusst, das ihr Vater nicht alles ersetzen konnte. Die ruhige Stimme von Dolly und ihre Fürsorge war genau das, was sie jetzt brauchte. Die machte ihr keine Vorwürfe und sah sie auch nicht an, als ob sie ein kaltes gefühlloses Monster wäre, sondern verstand, dass sie sich einfach fürchterlich fühlte.
Dolly grübelte inzwischen nach, was am besten zu tun war. Chrissie war ein liebes nettes Mädchen, aber so wie es aussah, bekam sie einfach keinen Draht zu ihrem Sohn. Und die psychotherapeutische Behandlung half in der Richtung wohl auch nicht so richtig weiter. Sie warf einen Blick auf die Wiege. Kein Wunder, wenn der eigene Sohn jeden Menschen und sogar den Stallburschen angurrte, aber die Mutter nur anschrie und zappelte, um von ihr wegzukommen. Irgendetwas war da ganz am Anfang schief gelaufen und nun war anscheinend der richtige Zeitpunkt versäumt, um noch eine passende Basis zu finden. Dolly seufzte. Sie hatte das bei einer ihrer Freundinnen schon einmal erlebt. Die Mutter liebte ihre inzwischen erwachsene Tochter wirklich, aber eine gefühlvolle Beziehung war zwischen den beiden nie entstanden.
Chrissie löste sich etwas verlegen aus der Umarmung. »Tut mir leid Dolly, dass ich dich mit meinen Problemen belaste, was musst du dir nur denken.«
Dolly lächelte sie an. »Ach Kindchen, für was bin ich schließlich da, so kann ich mich wenigstens etwas nützlich machen. Und du bist nicht die erste Mutter, die mit ihrem Kind nicht zurecht kommt und wirst auch nicht die letzte sein. Das ganze BlaBla von wegen im siebten Himmel sein, wenn das Kleine erst da ist, gehört in das Reich der Phantasie. Fast alle Eltern haben zuerst mal zu beißen, weil es einfach eine Riesenumstellung ist, ein Baby im Haus zu haben. Aber trotzdem erzählen dir dann die meisten, wie wundervoll es ist, obwohl sie ihren Sprössling in der Nacht am liebsten an die Wand klatschen würden.«
Diese doch etwas extrem übertriebene Schilderung brachte Chrissie zum Lachen. »Ach Dolly, du bist einfach ein Schatz. Danke für deinen Beistand.«
Dann runzelte sie die Stirn. »Willst du wirklich morgen schon fahren? Es wäre so schön, wenn du noch bleiben würdest.«
Dolly zuckte mit den Schultern. »Ich werde zuhause nicht sonderlich vermisst, aber was wird dein Vater dazu sagen, wenn ich mich noch länger einniste?«
Auch wenn Chrissie zurzeit noch nicht alles wahrnahm, was um sie herum passierte, aber dass ihr Vater Dolly hofierte, war beim besten Willen nicht zu übersehen.
Sie versuchte keine Miene zu verziehen, als sie antwortete. »Ich schätze er ist heilfroh, wenn du noch länger bleibst, dann leistet ihm wenigstens jemand beim Babysitten Gesellschaft.«
Als Fritz einige Stunden später von der Mine heimkam und erfuhr, dass Chrissie darauf bestanden hatte, dass Dolly ihren Aufenthalt auf der Farm verlängerte, gab er seiner Tochter einen Kuss. »Das hast du gut gemacht, mein Mädchen.«
Die lachte zum ersten Mal seit langer Zeit laut auf und knuddelte ihren Vater. »Ich habe mir schon gedacht, dass du nichts dagegen hast.«
Und dann beobachtete sie grinsend, wie die rote Farbe in seine Wangen stieg.
Da sie nun schon da war und noch länger bleiben würde, bot Dolly Kai und Hetty an, sie könnte sich unter der Woche, wenn Patrick arbeiten musste, in der Nacht um Simon kümmern. Mit einem leichten Schmunzeln meinte sie. »Ich kann Gesellschaft gebrauchen, bei euch stört sie nur.«
Kai sah sie mit leicht hochgezogenem rechten Mundwinkel an, was, wie sie inzwischen bereits wusste, bedeutete, dass er ein Lächeln verbarg. »Uns wird ohne den Kleinen nicht langweilig werden. Auch wenn es kaum zu glauben ist, wir können uns ein Leben ohne Babysitten vorstellen.«
Dann bückte er sich und gab ihr einen Kuss auf die Wange. »Du bist ein Engel!«
Hetty sah vergnügt, dass Dolly leicht errötete. Selbstverständlich war sie wie jede Frau, die sie kannte, nicht immun gegen einen Kai und zu ihr war er immer besonders charmant und zuvorkommend.
Und welche Frau würde es nicht genießen von diesem selten gut aussehenden Mann gelobt zu werden. Mit seinen knappen 1.90 Metern, einem athletischen Körperbau mit schmalen Hüften und breiten Schultern war er ja schon von der Statur her in der Oberliga. Pechschwarze halblange Haare umrahmten ein feingeschnittenes Gesicht mit strahlend blauen Augen und dem einzigen Makel, der an diesem Mann zu finden war – eine schmale, fast unsichtbare feine Narbe, die sich über die linke Wange zog. Wobei Hetty noch niemanden getroffen hatte, der nicht ihrer Meinung war, dass ihm das noch einen zusätzlichen Hauch der Verwegenheit gab und ihn eigentlich damit erst richtig perfekt machte.
»Leute, ich wandere aus! Ich habe es satt! Jetzt habe ich gedacht, da sie nun zusammen sind hört endlich diese verfluchte Schwärmerei auf – aber nein, sie ist nach wie vor bis über beide Ohren verknallt in den Typen!«
Schmunzelnd sah der Verstand zum Chef der Sarkasmusabteilung, der sich verzweifelt die Haare raufte. »Falls es dir noch nicht aufgefallen ist, hier in diesem Gehirn gibt es keine Tür zur Außenwelt. Also heißt die Parole „Durchhalten“!«
Hetty konnte sich ein kurzes Auflachen nicht verkneifen. Auf den verwunderten Blick von Dolly bemerkte Kai mit einem Schmunzeln. »Anscheinend führt sie gerade wieder eine Unterhaltung mit sich selbst. Du kennst doch die Thesen von Sigmund Freud mit Ich, Es und Überich?«
Dolly nickte.
Kai deutete auf Hetty, die leicht rot angelaufen war. »Wenn sie zu seiner Zeit gelebt hätte, wäre er wohl nicht nur bei drei Einstufungen geblieben.«
Dolly lachte laut auf. »Ja, aber die hätten dann ganz anders geheißen: leicht türilü, etwas mehr türilü, ziemlich türilü, türilü, sehr türilü, schwer türilü und hoffnungslos türilü.«
Der konsternierte Blick von Kai sorgte dafür, dass sich beide Frauen vor Lachen bogen.
Dann klärte ihn Hetty auf. »Ich habe Dolly auf Tasmanien erklärt, wie ich die Dinge einordne, nämlich nicht so kompliziert, wie diese ganzen Biologen und Theoretiker, sondern einfach: Blume blau, Blume gelb und so weiter. Auf die Art haben wir dann auch die Vögel klassifiziert: Ein fliegendes Braunes, eine getupftes Schwarzes ...«
Sie zeigte mit dem Finger auf Dolly, die sich gerade die Lachtränen aus den Augen wischte und dabei aufpasste, dass sie ihr Make-up nicht zerstörte. »Damit haben wir uns dann die ganze Reise amüsiert.«
Kai hielt sich mit dem Lächeln nicht mehr zurück und sah Dolly fragend an. »Hast du das dann bei deinen Vorträgen auch angewandt?«
Die kicherte. »Vor den Kollegen nicht, aber als ich einmal als Gastrednerin in einer Uni war und gemerkt habe, dass es den Studenten etwas langweilig wurde, habe ich erklärt Klassifizierungen könnte man auch einfacher machen. Und ab dann hatte ich sie alle voll auf meiner Seite und wir haben eine Menge Spaß gehabt.«
Kai nickte. Ja, das war es eben, was Hetty perfekt konnte. Bei allem und jedem auch etwas Lustiges finden und den verfluchten Ernst aus der Sache nehmen. In ihrer Gegenwart gab es immer etwas zu lachen und das war eine ihrer Eigenschaften, die ihn von Anfang an angezogen hatte.