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2.4.4. Kulturtransferkonzeption für mediävistische Räume

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Die Applizierbarkeit des vorgestellten kulturwissenschaftlichen Konzeptes auf die mediävistischen Zeit- und Kulturräume scheint ob der Überlieferungslage der kulturellen Artefakte nicht immer einfach. Auch die dem Mittelalter als Epoche zugeschriebene Anonymität der Überlieferung erschwert zunächst die Vorgehensweise, wie sie für die Neuzeit und Moderne konzipiert wurde. Dennoch gibt es eine Reihe von mediävistischen Arbeiten, die sich dieses Konzeptes produktiv bedienen.Roland1 Doch es ist gerade die stets kritisierte konzeptuelle Offenheit der Transferforschung,2 die diesen Ansatz multiapplikabel macht, ihm den „Charakter eines Korrektivs gegenüber vorangegangenen und noch bestehenden Forschungskonzepten“3 verleiht. Freilich muss den Spezifika mediävistischer Kulturräume Rechnung getragen werden: Die Transferforschung müsse sich von nationalgeschichtlich geprägten Räumen der Neuzeit und Moderne lösen, was jedoch aus mediävistischer Perspektive ohnehin selbstverständlich erscheint, so RolandRoland Scheel.4 Das europäische Mittelalter sei von nationes, verwandtschaftlich, religiös, kulturell-sprachlich und ökonomisch ausgerichteten Kulturarealen geprägt gewesen.Roland5 Die Ausgangs- und Zielkulturen für den Untersuchungsraum zu definieren, macht eine feinfühlige Selektion von Kriterien erforderlich, da es sich nicht um Länder, Nationen oder Staaten handelt, denen die Textzeugnisse entstammen, auch Kirchen- und Konfessionszugehörigkeiten oder die sprachliche Verwandtschaft sind als alleinstehende Merkmale irreführend. Für eine Differenzierung von mediävalen Kulturräumen ist eine Kumulation von Kriterien nötig, wie etwa Religion, Sprache, Schrift, Recht, Wirtschaft, Verfassung etc.6

Weiterhin ist bei Transfers im Mittelalter also nicht von linearen, hierarchischen Prozessen auszugehen, sondern von asymmetrischen Transferprozessen, die zwischen zwei, lokal wie zeitlich, voneinander entfernten Kulturarealen stattfinden.7 Dabei ist die zeitliche Verschiebung, der ein Rezeptionsprozess stets unterliegt – in der vorliegenden Untersuchung sind es immerhin etwa drei Jahrhunderte – der einfachste Typ von Asymmetrie. Analog dazu ist von einer räumlich-geographischen Asymmetrie bei Transferprozessen auszugehen. Hier möchte Kugler eine Binnendifferenzierung vornehmen und mit den Begrifflichkeiten Nahdistanz und Ferndistanz operieren, um so die Transferprozesse zum einen zwischen verschiedenen volkssprachigen Kulturen innerhalb Lateineuropas, zum anderen zwischen Lateineuropa und dem Islam oder dem Fernen Osten zu untersuchen.8 Bihrer plädiert allerdings in diesem Zusammenhang für eine kommunikationsgeschichtliche Ausweitung des Kulturtransferbegriffs sowie für das Konzept der mittleren Distanz, das kein abgeschlossener dritter Bereich, sondern als „Kontinuum zwischen den beiden Polen Nähe und Ferne zu denken“9 sei. Als Ausgangspunkte der Untersuchung sind Akteure, Begegnungen, Transfers und Erinnerungsakte zu wählen, statt von „scheinbaren Entitäten wie vormodernen Nationen, Herrschaftsräumen oder der Christenheit“10 auszugehen. Hiermit korreliert auch Kuglers Konzept der mediävistischen Kulturtransferforschung: Er entwirft eine Reihe an Fragen, die zwar nicht die Verbindlichkeit einer Methode beanspruchen, aber einer pragmatischen Herangehensweise durchaus behilflich sein können.11 Eine allgemeine und „ubiquitär anwendbare Theorie des Kulturtransfers“12 wird wohl vorerst ein Desiderat bleiben.

Karl der Große im Norden

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