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„Hier ist eine Zeugenaussage zum Iwanowa-Mord“, sagte Hauptkommissarin Eva Hennings, als sie, in der Hand einen Schnellhefter, Feldmanns Büro betrat. Hennings, eine leicht untersetzte Mittdreißigerin mit glattem kurzen braunen Haar und ungeschminktem blassen Gesicht war seine zuverlässigste Mitarbeiterin. Lou Feldmann stand am Fenster und schaute hinaus. Wie hieß das noch, dachte er: Es ist überall schöner, als da, wo wir sind? Er drehte sich nicht um, bedeutete Eva nur mit einer Geste, dass sie die Papiere auf seinen Schreibtisch legen sollte. Dort lag eine Menge unerledigter Akten. Eva platzierte die Zeugenaussage oben auf den Stapel und verließ wortlos den Raum. Sie hatte Lou Feldmann in den vergangenen Jahren gut genug kennen gelernt, um zu wissen, dass er, wenn er seinen Gedanken nachhing, besser nicht gestört wurde. Ihre Zusammenarbeit wurde dadurch nicht weniger intensiv. In der Tür traf sie mit Hauptkommissar Klaus Winkler zusammen. Eva Hennings ließ den Kollegen vorbei und schloss die Tür hinter ihm. Winkler, der kurzhaarige, früh ergraute Melancholiker, stellte sich neben Lou ans Fenster und blickte wie er hinaus auf die Straße.

„Ist dir dein Kellerloch zu ungemütlich geworden oder gibt’s was Besonderes?“, fragte Feldmann nach einer Weile. Winkler gehörte zu den Kollegen der Polizeidirektion 1, die wegen Umbaumaßnahmen vorübergehend beim LKA in der Keithstraße in die Kellerräume einquartiert worden waren.

„Warum hast du Andersen nicht festgenommen?“, fragte Winkler zurück.

„Bist du extra hierhergekommen, um mich das zu fragen?“

„Warum hast du Andersen nicht festgenommen?“, fragte Winkler noch einmal.

„Warum hätte ich das tun sollen?“

„Er hat seine Frau umgebracht.“

„Er hat ihr beim Sterben geholfen.“

„Auch das ist strafbar.“ Winkler klang seltsam erleichtert, als er hinzusetzte: „Zum Glück. Denn jetzt haben wir endlich was gegen ihn in der Hand.“

„Wieso endlich?“, fragte Feldmann und sah ihn immer noch nicht an.

„Weißt du das nicht? Wo wir doch seit zwanzig Jahren hinter ihm her sind. Andersen ist ein Spitzeneinbrecher, internationales Format. Schmuck, Antiquitäten, Bilder. Er hinterlässt nicht die kleinste Spur. Hausdurchsuchungen bei ihm waren immer erfolglos. Vor ungefähr zwei Jahren hat er anscheinend aufgehört. Jetzt, heißt es, arbeitet er im Milieu als Schlichter.“

„Andersen ist über achtzig“, sagte Feldmann. „Kein Wunder, dass er aufgehört hat.“ Er machte eine halbe Drehung vom Fenster weg, schaute Winkler, der sich ihm zugewandt hatte, direkt in die Augen. „Wenn ihr über die Jahre vermasselt habt ihn einzubuchten, dann erwarte das jetzt nicht von mir. Ich bin für Mord zuständig. Und für alte Männer, die keinem mehr was tun, ist es das Altenheim.“

Winkler schnaubte auf. „Es war Mord, wenn Andersen seiner Frau Sterbehilfe geleistet hat. Er hat sie umgebracht. Also bist du zuständig. Das kannst du nicht wegdiskutieren.“

„Ich habe nicht vor, irgendetwas zu diskutieren. Mach du deinen Job. Ich mache meinen.“

Ohne Lou Feldmann noch eines Blickes zu würdigen, wandte Winkler sich zur Tür. Feldmann sah ihm nach. Als Winkler nach der Türklinke griff, fragte er: „Was liegt eigentlich gegen diese Remy Straub vor, die heute Morgen in Kreuzberg aufgegriffen wurde?“

Winkler blieb stehen, drehte sich um, er schien verwundert. „Junkie-Braut. Einbrüche. Beschaffungskriminalität. Strich. Kontakte zum organisierten Verbrechen. Was interessiert dich denn an dieser kleinen Nutte?“

Lou Feldmann zog die Augenbrauen in die Höhe, hob die Schultern. „Ich finde nur, für eine kleine Nutte hat sie ziemlich viel Format gezeigt. Hat mir imponiert, dass sie sitzen blieb, um ihren toten Freund im Arm zu halten, statt vor uns davonzulaufen.“

Winkler winkte ab. „Vergiss es. Ich bin froh, dass wir sie jetzt aus dem Verkehr gezogen haben. Wieder eine weniger auf der Straße ...“ Er öffnete die Tür. „Aber das mit dem Andersen, das lass ich dir so nicht durchgehen. Den wollen wir auf jeden Fall haben. Der hat uns sein Leben lang verarscht.“

Als Winkler fort war, warf Feldmann einen kurzen Blick auf die von Eva Hennings oben auf den Aktenstapel gelegten Papiere, konnte sich aber nicht entschließen, sich damit zu befassen. Der Iwanowa-Mord, entschied er, hatte Zeit bis später. Im Moment ging es erst einmal um einen Mord, der keiner war. Denn wenn er sich um den nicht kümmerte, das wusste er jetzt, gab es in absehbarer Zeit einen absehbaren Konflikt mit absolut nicht absehbaren Folgen. Also griff er nach seiner Jacke und machte sich auf den Weg.

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