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9: Donnerstag, 13. Februar 2003

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Wenigstens war ich pünktlich angetreten, stellte ich, sehr zufrieden mit mir fest, als ich am nächsten Vormittag über eine riesige Palette gebückt dastand und die Kisten vorsichtig öffnete.

Knabbergebäck in Massen! Und weil es sich um ein Sonderangebot für die Sonderverkaufsfläche handelte (Alles für Ihre Faschingsparty!), musste auch jede Tüte ausgezeichnet werden, mit einem giftgrünen Supersparpreis-Etikett, auf dem 1.19 € stand. Ich klickte mit der Preispistole, popelte ab und zu die verklebten Etiketten aus dem Schacht und schichtete die Chipstüten dann gefällig auf, zwischen die Luftschlangenrollen und die Sektflaschen. Pappnasen gab es hier auch und dazu den Hinweis, dass man alles für eine perfekte Verkleidung auf der Sonderfläche im dritten Stock fände.

Klick – klick – klick – und auspacken. Klick - klick – klick – und auspacken... Das ging ziemlich aufs Kreuz, stellte ich bald fest und richtete mich ächzend auf.

Ein richtiger Verkäufer, höchstens zwanzig, kam vorbei und musterte mein Kunstwerk. „Ja, okay, aber geht das nicht ein bisschen schneller? Wir haben noch mehr einzuräumen!“

„Wenn die Pistole nicht immer verkleben würde, ginge es wirklich etwas schneller“, monierte ich. Er nahm sie mir aus der Hand, untersuchte sie, sagte „Die ist völlig in Ordnung“, und drückte sie mir wieder in die Hand.

„Warum kleben dann die Etiketten immer im Schacht fest?“

„Halten Sie sie gerade“, riet er mir und ging weiter. Arrogantes Bürschlein. Gerade halten? Was sollte das nützen? Wütend klebte ich weiter. Kaum war ich damit fertig, wurde ich zum Obst geschickt, vergammeltes Zeug aussortieren. Wie sollte man dabei den strahlend weißen Kittel so strahlend weiß halten? Als ich fertig war, sah ich jedenfalls nicht mehr ganz so gepflegt aus wie am Morgen, und dabei war es noch nicht einmal Zeit für die Mittagspause.

Als nächstes Fünfminutenterrinen. Schön, die musste man nur einräumen!

Ich schleifte die leeren Kartons ins Lager zurück, wo man mir sofort einen Palettenwagen voller Milchprodukte zeigte.

Nach einem Rüffel, weil ich die fettarmen zu den normalen Joghurten hatte stellen wollen, ging ich wieder an die Arbeit – frierend. Vor der Kühlung war es frischer, als man sich träumen ließ, wenn man nur als Kunde davor stand, um nach zwei Bechern Kirschjoghurt zu suchen.

Leicht fröstelnd arbeitete ich weiter, zeigte ratlosen Kunden, wo die Butter, der Lieblingskäse und der fettfreie Quark (bäh!) standen und kam mir ungemein effizient und fleißig vor. Schließlich betrachtete ich mir mein Werk zufrieden. „Träumen Sie nicht! Im Lager stehen noch drei weitere Wagen!“, erklang eine barsche Stimme hinter mir und ich machte mich seufzend wieder auf den Weg ins Lager. Als die Mittagspause kam, war ich so müde, dass ich mir kaum noch vorstellen konnte, wie ich die drei Stunden am Nachmittag noch überstehen sollte. Hier konnte ich nicht einmal einkaufen und so Zeit sparen, um heute Abend ganz, ganz früh ins Bett zu gehen, denn hier war mir alles viel zu teuer. Im Billigmarkt kostete das meiste knapp die Hälfte.

Matt kaute ich an meiner Breze und stand dann mühsam wieder von dem umgedrehten Biertragerl auf, das im Pausenraum den Stuhl ersetzte. Taten mir die Füße weh! Ich schlurfte zurück zu den Paletten mit Pralinenschachteln, die ich für die Pause einfach stehen gelassen hatte, und begann, die Schachteln einzusortieren – die alten nach vorne, die neuen nach hinten, wie angeordnet.

Nach den Pralinen kamen Marmeladengläser, von denen mir noch beinahe eines runtergefallen wäre, dann wirklich eine Putzaktion, weil ein Kunde einen dieser ekligen Milchschläuche nicht richtig festgehalten hatte, dann Süßkram für die Wühltische vor den Kassen – die Kinderfallen -, Getränkedosen (erstaunlich, dass die sich nach Einführung des Dosenpfands immer noch verkauften), Nudeltüten und Fischkonserven.

Immerhin, gegen halb vier hatte ich fast alle Lieferungen eingeräumt (nun gut, ich war nicht die einzige Hilfskraft hier), die Gänge zwischen den Regalen sahen ziemlich ordentlich aus, alle Kisten, Paletten und Drahtgeflechtwagen standen sauber aufgereiht im Lager und ich war nahezu tot.

Frau Zenker fand, ich müsste noch etwas flotter werden, aber für eine Anfängerin hätte ich mich schon ganz ordentlich gehalten, und schrieb mir die ersten acht Stunden auf. Ich sollte morgen wiederkommen und am Samstag auch, dafür könnte ich dienstags frei haben und mittwochs zwei Stunden früher gehen. Im März freilich käme eine fest angestellte Hilfskraft wieder, die im Moment nur im Krankenhaus läge, dann müsste man eben mal sehen...

Mein ganzes Leben wollte ich hier auch nicht verbringen! Vielleicht sollte ich zu Hause mal an einer neuen Bewerbung basteln. Aber ein Zeugnis hatte ich von MediAdvert auch noch nicht gekriegt. Ob die meinen Brief schon hatten? Gestern eingeworfen... sie konnten noch gar nicht reagiert haben.

Immerhin, Viertel vor vier, und ich war für heute schon fertig! Doch gar nicht so übel, oder? Auf kaputten Füßen schlich ich zum Bus und dann nach Hause, wo ich es mannhaft vermied, mich hinzusetzen – ich wäre ja nie mehr hochgekommen! – und sofort die Wäschetaschen und mein Kleingeld packte.

Erst, als sämtlicher Kram in Waschlauge herumturnte, stellte ich fest dass ich a) meinen wirren Krimi vergessen hatte und mir b) eine Wollsocke zwischen die T-Shirts geraten war. Eine weiße Wollsocke, immerhin – aber die konnte ich hinterher garantiert wegwerfen und die andere zum Schuhepolieren verwenden.

Welche Schuhe denn?, ärgerte ich mich. Die Pumps hatte ich weggeworfen, ansonsten hatte ich noch ein Paar Loafers aus Wildleder, ein Paar Ballerinas aus zerkratztem blauem Lack und zwei Paar Turnschuhe. Ach ja, und diese Stiefel – undicht, das Profil abgetreten, das Wildleder verfärbt, die Schnürsenkel mehrfach mit Knoten geflickt. Die wollte ich ohnehin wegwerfen, aber erst nach den Eisheiligen, man wusste ja nie; hier schneite es zu den überraschendsten Momenten.

Also brauchte ich Schuhputzlumpen nicht wahnsinnig dringend, und Möbel aus echtem Holz, denen man mit reiner, wenn auch verfilzter Wolle und feinsten Essenzen zu Leibe rücken konnte, hatte ich auch nicht. Was ich besaß, bestand aus weiß beschichtetem Pressspan – Bett, Schrank, zwei Billys, Tisch, zwei Stühle... der Sessel im Stil der schrillen Siebziger war ohnehin nur eine weiße, kugelförmige Plastikschale, in der zwei Kissen mit psychedelischem Muster in orange, gelb und pink lagen. Schaurig schön... es ging doch nichts über Flohmärkte!

Sollte ich meine Wohnung mal umgestalten? Aber wie? Es durfte nichts kosten und sollte möglichst auch keine Arbeit machen. Vielleicht reichte es auch, Staub zu saugen, damit das ursprüngliche Hellbraun des Teppichs wieder zum Vorschein kam. Naja, wenn ich zum Beispiel mal die Gardinen wusch...

Woher kamen denn plötzlich diese Ideen? Gardinenwaschen – hatte ich die überhaupt schon mal gewaschen?

Das konnte ich auch vertagen. Ich sollte den herumliegenden Kram mal in eine Schublade stopfen – oder in einen Pappkarton, und den dann unten in den Kleiderschrank... dann sah es vielleicht auch besser aus.

Aber das war bloßes Herumdoktern an den Symptomen! Ich hatte nur einen Idiotenjob, keinen Freund (ach, Tom!) und vielleicht eine Morduntersuchung am Hals – und was tat ich? Überlegte, wie ich meine Wohnung neu stylen konnte. War das das gleiche Weibchenverhalten wie neuer Freund – neue Frisur? Musste man ein Symbol setzen für den Neuanfang - der dann ohnehin schnell versandete?

Andererseits fühlte ich mich dann vielleicht besser und energiegeladener... Diese grauenvolle Unordnung hatte mir zuletzt ziemlich aufs Gemüt gedrückt, und je mehr die Berge anwuchsen, desto unfähiger hatte ich mich gefühlt, irgendwo anzufangen, um das Chaos in den Griff zu kriegen...

Die Leute um mich herum sahen aus, als wälzten sie ähnliche Gedanken. Kunststück, im 24/7 wuschen nur Versager wie ich. Alle anderen hatten eine eigene Waschmaschine oder wohnten doch wenigstens in einer Anlage, wo eine im Keller stand. Oder sie trugen einfach alles in die Reinigung und ließen es dort auch gleich noch bügeln. Reiche Faulpelze!

Ich genoss ein paar Minuten lang meine proletarische Askese, aber wenn ich ehrlich war, hätte ich am liebsten eine Zofe gehabt, die sich um meine Klamotten kümmerte, wusch, bügelte, Knöpfe annähte, Schuhe putzte und die Wohnung aufräumte. Ich war bloß neidisch auf Leute, die gut genug verdienten, um dererlei Lästigkeiten zu delegieren. Und auf alle Männer, die sich fürs Grobe eine Ehefrau hielten. Ja, eine Ehefrau, das wär´s! Aber der musste man mehr bieten als ein Einzimmerappartement. Außerdem stand ich doch eher auf Männer, und die konnte man leider für gar nichts gebrauchen. Das Männchen der Spezies war nur notdürftig domestizierbar, das hatte ich schon in der Schule gelernt. Ich stand schmerzgepeinigt auf und warf die Wäsche in zwei Trockner, ließ die Münzen in den Schacht fallen und setzte mich vorsichtig. „Sport gemacht?“, fragte eine Frau neben mir und sah von ihrer Frauenzeitschrift auf.

Schöne Nägel in zehn Minuten.

„Nein. Neuer Job – aber der Effekt ist der gleiche.“

„Wenn es richtig wehtut, ist es bestimmt gut für die Figur, damit tröste ich mich immer“, gab sie zu bedenken.

Ich musste lachen. „Hoffentlich! Aber mir tun vor allem die Füße weh, und so dick sind die eigentlich nicht. Allerdings fühlen sie sich im Moment so an.“

„Das lässt schnell nach. Was ist das für ein Job? Verkaufen? Umfragen? Propagieren?“

„Hilfsdienste im Supermarkt. Was bedeutet Propagieren?“

Aus alt mach neu – peppige T-Shirts!

„Propagieren, das ist, wenn man auf dem Markt steht und den Leuten erzählt, wie toll der neuartige Gurkenhobel oder dieses Superfleckenwasser ist, mit dem man einen graubraunen Teppich in einen weißen mit Rosenmuster verwandeln kann.“

„Ach so! Da gucke ich ganz gerne zu, aber ich finde den Teppich nachher schlimmer als vorher – ich meine, Rosenmuster? Das passt doch zu gar nichts.“

Neue Energie – die fünf besten Wochenendkuren.

Vielleicht wäre das mal was für mich?

„Stimmt“, sagte die Frau neben mir, „aber die verdienen gar nicht so schlecht. Der Schund kostet ja nicht viel, das nehmen viele Leute so mit. Ich hab das mal gemacht, aber abends hat man nicht nur Plattfüße, sondern ist auch total heiser. Lieber ein friedlicher Bürojob.“

„Hätte ich auch gerne, aber ich hab erstmal nur was im Supermarkt gefunden. Bei euch im Büro suchen sie nicht zufällig noch jemanden für die Ablage oder so?“

„Nein, dafür haben sie ja mich. Wenigstens, bis ich mit der Uni fertig bin, dann sehen wir weiter. Was studierst du?“

„Medienwissenschaften – aber ich bin schon fertig. Bis einschließlich Dienstag hatte ich auch schon einen Job in einer Agentur, aber dann haben sie mich gefeuert...“ Bis ich vor meiner Nachbarin die ganze Geschichte ausgebreitet hatte, waren die Trockner schon längst fertig und die Wäsche war soweit abgekühlt, dass man sie nicht mehr glattstreichen konnte.

Egal. Ich faltete den Kram trotzdem irgendwie und packte ihn ein.

„Wie heißt du eigentlich?“, fragte ich, während ich versuchte, ein Billig-T-Shirt mit schiefen Nähten ordentlich zusammenzulegen. „Vanessa Stutz. Und du?“

„Heike Unger. Was studierst du?“

„Jura und BWL. Ich soll mal später Papas Kanzlei übernehmen, aber meine Eltern sind dermaßen lästig, dass ich lieber hierher gezogen bin. Viel ursprünglicher, finde ich – in Rothenwald sitzt man ja wirklich unter einer Käseglocke. Behütete höhere Tochter. Allein schon dieser affige Name!“

„Vanessa ist doch ganz schick?“

„Ach komm, das ist der totale Poppername. Mir gefällt´s in Spitzing. Basis, sozusagen.“

„Ich würde schon ganz gerne woanders wohnen, aber dazu brauche ich erstmal ein anständiges Gehalt. So toll zahlt der Feinkostkeller nicht. Ach, zurzeit bin ich eben schlecht bestrahlt...“

„Werbung“, wiederholte Vanessa nachdenklich und schaufelte ihren Kram aus dem Nachbartrockner in einen Korb. „Ich kann mich mal umhören, vielleicht weiß mein Vater was, wenn er nicht mehr schmollt. Gibst du mir deine Telefonnummer?“ Wir tauschten unsere Handynummern aus. Nettes Mädchen, fand ich, als ich zu Hause meinen verknitterten Kram in den Schrank schichtete und versuchte, die Stapel einigermaßen zu begradigen. Garantiert wusste sie auch nichts - meine Slapsticknummer bei Hamm hatte sie zum Kichern gebracht, ihr aber auch mitfühlende Laute entlockt. Sonst tat ich ja keinem leid – außer mir selbst! Post hatte ich auch keine – bis auf zwei Werbesendungen ohne Adresse, die ich Meinerz´ in den Kasten steckte.

Dann stand ich fußlahm mitten im Zimmer. Bett oder Gardinen? Bett, sagten meine Füße. Leg uns hoch, du hast es dir verdient! Schweinehunde.

Ich nahm die Gardinen ab und ließ lauwarmes Wasser in die Badewanne laufen. Einen Rest Feinwaschmittel fand ich auch noch, und als ich die Gardinen in die Lauge geworfen und ein bisschen herumgerührt hatte, staunte ich doch, welch graue Brühe sich da bildete. Eklig – soviel Dreck hatte ich vor dem Fenster gehabt?

Vielleicht sollte ich auch mal das Fenster... Wenigstens ein bisschen!

Mit einem zusammengeknüllten Stück Küchenrolle und dem Glasspray ging ich an die Arbeit und betrachtete mir eine Viertelstunde später zufrieden mein Werk. In diesem Moment kam die gerade untergehende Sonne hinter einer Wolke hervor und beschien das Fenster, das total verschmiert war – ich hatte den Dreck nur verteilt und nichts geputzt. Scheußlich. Also, noch mal, und mit mehr Wasser!

Nach dem zweiten Durchgang waren die Fenster immerhin bloß noch streifig. Also, als Putzfrau brauchte ich es nicht zu versuchen, dazu war ich wirklich zu schlecht. Immerhin sah man, dass ich geputzt hatte, und das reichte doch vorerst! Ich wischte noch eine dicke Schicht aus Staub und toten Fliegen vom Fensterbrett, saugte das Gröbste auf und spülte die Gardinen aus. Immer neue graue Wolken quollen im Spülwasser auf. Äh!

Schließlich wurde das Wasser aber doch etwas klarer, und ich hängte die ausgedrückten Gardinen über den Handtuchhalter. Hunger hatte ich. In letzter Zeit hatte ich so wenig gegessen, da musste ich doch eigentlich was abgenommen haben? Sechzig Kilo hatte ich beim letzten Mal gewogen, an Neujahr... Die Waage – wo war die Waage? Seitdem ich mal eine Phase gehabt hatte, in der ich mich dreimal täglich frustriert gewogen hatte, hatte ich sie verräumt, aber wohin? Wo hatte ich sie an Neujahr gefunden?

Ganz unten im Kleiderschrank... nein. Im Küchenschrank, unter der Spüle – Bingo! Ich trug sie ins Bad, zog die Schuhe aus und stieg drauf. Zweiundsechzig, Mist aber auch! Hatte ich seit Neujahr dermaßen viel gefuttert?

Mit dem üblichen Frust trug ich sie wieder zurück und nahm mir vor, die vielen verknüllten Plastiktüten, die auch unter der Spüle wohnten, mal aufzubrauchen und keine neuen mehr zu kaufen. Also strich ich eine ordentlich glatt, faltete sie klein und verstaute sie in meiner Tasche, damit ich sie bei Einkäufen immer griffbereit hatte.

Sehr wohl organisiert! Der Gipfel an Spießigkeit wäre es natürlich, so einen Einkaufswagenchip am Schlüsselbund hängen zu haben – aber so effizient wollte ich nun auch wieder nicht sein, das war zu öde und unspontan.

Ich sah mich weiter tatendurstig um. Ach ja, eine Kiste mit Schotter...

Ich hatte keine Kiste, natürlich. Also nahm ich eine weitere Plastiktüte und sammelte allerlei herumliegenden Kram ein, Zeitschriften, Handspiegel, Haarschleifen, Krimi, Kassenzettel... ich war ja blöd, das Zeug konnte doch zum Teil in den Müll, zum Teil gehörte es ganz woanders hin! Also leerte ich die Tüte wieder aus und sortierte. Die Sache mit der Kiste war eben wieder eine meiner üblichen Schnapsideen.

Jedenfalls sah es jetzt schon beträchtlich ordentlicher aus. Klarer, irgendwie. Die Bücher müsste ich vielleicht mal übersichtlicher... ich stopfte die quer liegenden zwischen die anderen und brachte sie mit einem Handkantenschlag auf Linie. So! Jetzt fand ich zwar sicher nichts mehr, aber es sah gut aus. Ziemlich gut wenigstens.

Und die alten Zeitschriften kamen jetzt endgültig auf den Stapel im Müllhäuschen. Sofort! Hinterher fiel ich wirklich aufs Bett und döste, begleitet vom monotonen Geräusch der Tropfen, die aus den nassen Gardinen in die Badewanne fielen. Immerhin, ich hatte für fast zwei Wochen etwas anzuziehen. Und die Kostümjacke konnte ich doch mal in die Reinigung bringen, dann taugte sie noch als Blazer. Den Rock warf ich wohl besser weg, der überzeugte nicht mehr. Zu eng war er auch.

Fernsehen? Lesen? Vielleicht kapierte ich den Krimi ja jetzt? Ich wälzte mich zum Lichtschalter und suchte dann nach dem Krimi. Jetzt konnte mir natürlich jeder reingucken, weil die Gardinen immer noch im Bad vor sich hin tropften.

Übrigens hatte ich immer noch Hunger. Ich wühlte im Küchenschrank herum und fand noch eine halbe Tafel Schokolade – nein, lieber etwas Würzigeres! Also kochte ich mir eine ordentliche Portion Spaghetti und streute Parmesan darüber – das aß ich furchtbar gerne, ohne Sauce.

Satt und zufrieden stapelte ich dann Teller, Topf, Besteck im Spülbecken und weichte es ein. Zum Abspülen reichte es nicht mehr, für heute war ich wirklich fleißig genug gewesen. Was gab´s denn im Fernsehen? Kurz vor sieben... Vorabendserien, bei denen ich mich nie auskannte. Doch lieber den Krimi? Irgendwie war ich unruhig; ich humpelte ins Bad und prüfte, wie nass die Gardinen noch waren. Zu nass auf jeden Fall.

Krimi! Und am besten noch mal von vorne.

Ich schaffte es wenigstens, zu kapieren, warum die Lacklederblondine dem anderen Typen ein falsches Alibi verschaffte (so hatte sie dann auch gleich eins!) und kam bis zu der Stelle, an der eine zweite, ähnlich zugerichtete Leiche aufgefunden wurde. War die Blondine eine Serienkillerin und nicht die Beauftragte der Versicherung? Was ging´s mich an, ich hätte lieber gewusst, wer diese Schwarzmüller – nein, Schwarzmeier – umgelegt hatte. Und warum.

Die Polizei konnte doch nicht ernsthaft glauben, ich sei es gewesen? Ich hatte die Frau praktisch nicht gekannt!

Diese blöden Gardinen, jeder konnte reingucken! Wieso hatte ich nicht bis zu meinem freien Tag gewartet? Oder sie frühmorgens gewaschen, dann hätte ich sie abends gleich wieder aufhängen können! Aber Staubsaugen wollte ich doch noch; heute hatte ich wirklich Hummeln im Hintern – sehr ungewöhnlich. Der Teppich wurde tatsächlich etwas heller und verlor den Grauschleier, den ich seit Monaten gezüchtet haben musste. Ich spülte auch gleich noch meinen Spaghettiteller ab und wunderte mich zunehmend über mich selbst – hatte ich jetzt den absoluten Putzwahn? War das eine Ersatzbefriedigung, weil es im Job so schlecht lief? Oder wollte ich mich als perfekte Hausfrau präsentieren, falls doch mal der Traummann (Tom!!) an die Tür klopfte?

Jetzt sah es hier eigentlich recht zivilisiert aus, mal abgesehen von den restlichen Wäschestapeln im Flur. Ich stopfte sie in die zwei Reisetaschen: morgen, wenn ich dann nicht noch müder war – aber Müdigkeit schien mich anscheinend nur noch anzutreiben! Ich drückte die tropfenden Enden der Gardinen mit einem frischen Handtuch aus, weil ich die Geduld verlor, und hängte sie dann wieder auf.

Deutlich heller – und als ich die Heizung hochdrehte, damit sie schneller trockneten, verbreitete sich angenehmer Waschmittelduft in der Wohnung. Dann konnte ich ja auch noch das Bad putzen! Wozu ein schlechter Krimi einen nicht motivieren konnte... Wenigstens frische Handtücher – und das Waschbecken polieren – und die Zahnpastaspritzer vom Spiegel – naja, und den grauen Rand aus der Wanne.

Ja, jetzt sah es hier einigermaßen zivilisiert aus! Ich warf noch schnell einige längst leere Duschbadflaschen weg und fand mein Werk gut. Jetzt war aber wirklich Feierabend angesagt, um Viertel nach acht würde doch wohl etwas Brauchbares im Fernsehen kommen, oder? Nichts Besonderes. Ich verfolgte eher desinteressiert den recht lahm dargestellten Mord an einem zwielichtigen Priester und hatte nichts dagegen, als es gegen neun Uhr klingelte.

Fehlstart

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