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7: Mittwoch, 12. Februar 2003

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Gefräßigkeit wurde vom Schicksal eben doch belohnt!

Am Eingang zur Lebensmittelabteilung hing ein Schild – sie suchten einen Metzger (tja, leider...), eine Kassenkraft und jemanden, der Regale auffüllte. Das hatte ich doch vorhin schon in der Zeitung gelesen? Ich ging fragen.

Eine ältere Frau, in makellosem weißem Kittel mit dem Kaufhaus-Logo auf der Brust, nahm meine Daten auf und fand, ich könnte morgen anfangen. Um sieben, schließlich musste ja um acht alles für die Kunden bereit sein. Von sieben bis halb vier, eine halbe Stunde Mittagspause, auffüllen, auszeichnen, aufräumen. „Trauen Sie sich das zu?“ Strenger Blick.

Ich nickte brav. „Das schaffe ich schon.“

„Na gut, ich versuch´s mit Ihnen. Eine Lohnsteuerkarte bringen Sie morgen mit, wir beschäftigen keine Schwarzarbeiter.“

Mist, die brauchte ich auch noch, aber heute musste das Rathaus ja nachmittags geöffnet haben. Netto vier Euro, hatte meine neue Chefin, Frau Zenker, gemeint. Acht Stunden, das waren zweiunddreißig Euro am Tag, und vielleicht fand sich ja, sobald ich offiziell gekündigt war, eines Tages auch etwas Anspruchsvolleres. Ich holte mir eine Zweitschrift der Lohnsteuerkarte und fuhr nach Hause, wo ich zwei Reisetaschen mit ungefähr einem Drittel der herumliegenden Wäsche vollstopfte und beschloss, etwas später in den Waschsalon zu gehen – ich war schon wieder so müde. Aber einen giftigen Brief an die Geschäftsleitung von MediAdvert konnte ich doch noch entwerfen!

Nach einigen Versuchen gelang mir eine recht befriedigende Mischung aus Schicksalsergebenheit, Ironie und Unverschämtheit. Vielleicht feuerten sie Suhrbier für seine Eigenmächtigkeit auch noch? Das wäre natürlich ganz toll... ich warf mich aufs Bett und malte mir aus, wie Suhrbier sich im Arbeitsamt neben mich setzte – aber während sie für mich den Traumjob hatten, musste er sich anhören, er sei unvermittelbar und bekäme aus diesem oder jenem Grund auch keine Stütze. Sehr nett! Na gut, als Leichenwäscher in der Anatomie konnten sie ihn vermitteln, das gönnte ich ihm gerade noch.

Also stand ich doch wieder auf, druckte den Brief aus, kuvertierte ihn und klebte eine Briefmarke auf – die vorletzte. Und jetzt sollte ich wohl doch mal waschen gehen, sonst musste ich morgen mangels Klamotten im Bett bleiben und war den Job auch gleich wieder los.

Ich suchte gerade nach einzelnen Euromünzen für den Kassierautomaten und einem einigermaßen spannenden Buch, um die zwei Stunden zu überbrücken, als es klingelte. Unlustig ging ich zur Tür – das war jetzt entweder jemand, vor dem ich mich wegen des Saustalls genieren musste, oder jemand, den ich absolut nicht sehen wollte. Durch den Spion erkannte ich nur grüne und beige Kleidung, also legte ich die Kette vor und öffnete.

„Polizei.“ Zwei Hanseln, beide etwa zwanzig.

„Können Sie sich ausweisen?“, fragte ich, ganz die mündige Bürgerin, und studierte die Ausweise. Eine Fälschung hätte ich ohnehin nicht erkannt, also nickte ich und löste die Kette. „Wenn es wieder wegen der Gestalten hier in der Gegend ist, ich weiß nichts, mir hat hier noch keiner was getan“, erläuterte ich über die Schulter und ging den beiden voraus. Sie setzten sich etwas zimperlich, einer in den Sessel, als dem ich hastig drei weitere Sweatshirts fegte, einer auf das ungemachte Bett. Ich schämte mich heftig und bot zum Ausgleich Kaffee an. Der Dunkelhaarige warf einen nachdenklichen Blick auf meine Küchenzeile, die ich zwar vom Abwasch befreit, aber ansonsten nicht weiter geputzt hatte, und lehnte dann ab; sein blonder, etwas kräftiger gebauter Kollege sagte gar nichts – aber er sah sich viel sagend um.

Mist – da fasste man gute Vorsätze und wurde prompt noch erwischt, bevor man irgendetwas davon in die Tat umsetzen konnte! Die hielten mich jetzt bestimmt für eine von den hier üblichen Sozialhilfeempfängerinnen – drei ledige Kinder in Pflege, ein Alkoholproblem, ein gewalttätiger Freund, geringe Alltagstauglichkeit, langsames Denken...

„Tut mir Leid, dass es hier so aussieht“, stotterte ich also, „ich wollte gerade waschen gehen. Heute Morgen hab ich mir erst mal einen neuen Job gesucht, deshalb bin ich hier noch nicht allzu weit gekommen...“

Sie nickten nachsichtig. „Sie sind Frau Unger.“

Eine Feststellung, keine Frage. Das hätten die beiden doch eigentlich an der Tür fragen müssen? Recht geschehen würde es ihnen, wenn ich jetzt sagte, ich sei bloß die Putzfrau. Nein, wie es hier aussah, warf ja kein besonderes Licht auf meine beruflichen Fähigkeiten!

„Ja. Wollen Sie meinen Ausweis sehen?“

Wo hatte ich den bloß? Hoffentlich in der Handtasche. „Nein, nein. Später.“

„Und, worum geht es denn nun?“

Sicher wollten sie wissen, ob ich den jüngsten Autodiebstahl/Automaten-Aufbruch/Fall von Vandalismus beobachtet hatte, aber da konnte ich ihnen nicht helfen. Wer hier wohnte, sah so etwas besser nicht.

„Wo waren Sie gestern?“

„Den ganzen Tag?“, fragte ich verblüfft zurück. „Sind Sie sicher, dass Sie nicht doch einen Kaffee möchten? Das kann etwas dauern.“ Synchrones Kopfschütteln. „Also, morgens war ich in der Hamm KG, zu einer Präsentation, die aber nicht geklappt hat. Danach war ich bei MediAdvert, um meinen Misserfolg zu beichten, würde gekündigt, diente den Tag noch im Archiv ab – das ist dort die übliche Strafe – fuhr heim, stellte fest, dass ich meinen Schlüssel verloren hatte, erinnerte mich, dass das wohl bei Hamm gewesen war, fuhr dort wieder hin, holte den Schlüssel, blieb auf dem Rückweg im Lift hängen, saß dort bis fast Mitternacht fest und fuhr dann wieder nach Hause. Scheißtag. Warum wollen Sie das wissen?“

„Dann können Sie Herrn Hamm also ein Alibi geben?“

Ich schüttelte den Kopf. „Den kenne ich doch gar nicht!“

„Und eine Frau Schwarzmeier?“

„Nie gehört. Ich kenne bei Hamm bloß die Leute, die die Präsentation angeschaut haben, aber deren Namen habe ich nicht mitgekriegt. Drei Männer, einer älter, einer sehr geschniegelt, einer etwas zerzaust, und eine ziemlich schicke Frau. Einen Herrn Hamm kenne ich nicht – ist das der Chef von dem blöden Laden? Der sollte mal einen Abend in seinem Aufzug festsitzen!“

„Seiner Aussage nach ist ihm genau das gestern passiert – mit Ihnen zusammen.“

„Sch- Mist: Dieser zerzauste Lümmel ist der Chef? Oha... Ach, was soll´s, den sehe ich trotzdem nie wieder.“

„Da wäre ich an Ihrer Stelle nicht so sicher“, meinte der Dunkle und erhob sich, „kommen Sie bitte mit?“

„Bin ich verhaftet? Wegen Beleidigung?“

„Wieso das denn?“, fragte der Blonde.

„Weil ich gestern total unverschämt zu diesem Kerl war, aber er hat immerzu angefangen.“

„Nein, darum geht´s uns nicht. Wir brauchen eine Aussage von Ihnen - und Sie sind natürlich nicht verhaftet, weshalb denn auch? Solange Sie Frau Schwarzmeier nicht ermordet haben...“

„Da ist eine ermordet worden?“, keuchte ich. „Oh Scheiße! Die arme Frau!“

„Genau. Also, können wir? Und nehmen Sie Ihren Ausweis lieber mit, man weiß ja nie.“

Mist. Ich guckte hastig in meinen Geldbeutel. Ja, da steckte er ja, neben Fahrzeugschein und ec-Karte. In diesem scheußlichen Aufzug unter die Leute? Aber ich konnte nicht einmal bitten, dass ich mich umziehen durfte, was hätte ich denn stattdessen nehmen sollen? Also fügte ich mich unlustig und folgte den beiden aus dem Haus. „He, Heike, haben Sie dich endlich geschnappt, alte Chipstöterin?“, rief Berti von der anderen Straßenseite.

„Klar!“, rief ich zurück. „Tätlicher Angriff auf eine Familienpackung Käsechips!“ Berti lachte, die beiden Polizisten musterten mich irritiert. „Ihr Freund?“

„Ach wo, der wohnt um die Ecke, wir sehen uns manchmal auf der Straße. Ich weiß nicht mal, wie er mit Nachnamen heißt.“

„Daxenberger“, sagte der Blonde. „Den kenne ich schon, von den letzten paar Einsätzen hier. Diebstahl, Sachbeschädigung, betrunkenes Randalieren... Nette Bekannte haben Sie.“

„Lässt sich in dieser Gegend nicht vermeiden“, sagte ich und setzte mich nach hinten. „Sie sollten mal über einen Umzug nachdenken.“

„Wovon? Hier sind die Mieten hinreißend billig, und mein neuer Job wird so toll auch wieder nicht bezahlt“, antwortete ich pampig. In vergrämtem Schweigen fuhren wir – nicht ins Präsidium, das ich kannte, weil es fast direkt am Markt lag, gegenüber dem Neurenaissance-Rathaus, sondern nach Norden, Richtung Zolling. Zu Hamm?

Genau, zu Hamm. Ziemlich viel Betrieb war hier – aber im siebten Stock, wohin wir schließlich fuhren, wirkten die Gänge wie ausgestorben.

Am Ende des Flurs – der wohl extra wegen der zarten Füßchen der Chefs mit flauschigem blauen Teppich ausgelegt war, schade, dass ich nicht die Hundekackeschuhe anhatte – befand sich eine Doppeltür, und dahinter ein Konferenzraum, in dem mich der Quälgeist von gestern und außerdem der Geschniegelte und der ältere Mann mit der getarnten Halbglatze müde ansahen. Dazu gab es noch zwei Männer in Zivil, denen man die Kripo trotzdem anmerkte, einen uniformierten Polizisten und eine Frau, die gerade Kaffeetassen einsammelte. Ich nickte in die Runde, murmelte etwas und funkelte diesen Hamm giftig an, er starrte genauso giftig zurück, wahrscheinlich tat ihm sein bestes Stück immer noch weh. Hätte er mich eben nicht besabbert!

„Setzen Sie sich bitte, Frau Unger“, bat einer der Polizisten.

Ich gehorchte – möglichst weit weg von Hamm - und wartete.

„Ja, dann machen wir am besten gleich weiter“, ergriff einer der Zivilbullen das Wort. Gut aussehender Kerl, registrierte ich automatisch. So schwarzäugig, das gefiel mir. Kein Ring am Finger. Andererseits hatte er mir bis jetzt nur einen flüchtigen Blick gegönnt, und wenn ich bedachte, wie ich aufgemacht war, wenn ich vor allem an diese bescheuerten Häschen auf meinem Sweatshirt dachte, konnte ich eigentlich nur froh sein, wenn er mich nicht so genau ansah. Beim nächsten Verhör – wenn es denn eins gab – musste ich unbedingt die schönen schokoladenbraunen Jeans und den dazu passenden Pullover mit dem großen weichen Rollkragen -

„Frau Unger! Frau Unger? Hören Sie mich?“

Mist! Jetzt hatte ich mich nicht nur als kindisch und ohne Geschmack, sondern auch noch als ein bisschen beschränkt präsentiert. „Wann sind Sie gestern in den Lift gestiegen?“ Ich zuckte die Achseln. „Auf die Uhr geschaut hab ich nicht – aber der Lift ist nach oben gefahren, Herr Hamm ist eingestiegen, dann ist der Lift hängen geblieben, und er hat gesagt Ach ja, Viertel vor acht, da wird er abgeschaltet.“

„Haben Sie selbst auf die Uhr gesehen?“

„Nein“, musste ich zugeben. „Aber ich war um halb sieben bei mir zu Hause, hab den Schlüssel vermisst und bin zurück zum Bus – also sehr viel später kann es eigentlich nicht gewesen sein, sehr viel früher aber auch nicht. Und später hab ich ja auch ab und zu auf die Uhr geschaut, wenn wir uns gestritten haben, ob das hier ein Saftladen ist, weil wir schon so lange festsitzen. Also, ich denke, Viertel vor acht haut ziemlich genau hin.“

„Aber überprüft haben Sie das nicht?“, beharrte der andere Zivilbulle. Auch nicht hässlich, kurze, graublonde Haare, grüne Augen – aber ein ziemlich strenger Blick. Der mit den Kirschenaugen guckte freundlicher, eindeutig. Ich lächelte versuchsweise – schüchtern, wie es einer Verdächtigen zukam.

War ich überhaupt verdächtig? „Kannten Sie Frau Schwarzmeier?“

Ich schüttelte den Kopf. „Den Namen hab ich vorhin zum ersten Mal gehört.“

„Lügen Sie nicht“, ließ sich Tarnglatze vernehmen, „sie hat Sie doch gestern noch kritisiert! Weil Sie eine Präsentation in kaputten Schuhen abgehalten und dabei Tausende an Schaden verursacht haben.“

„Die war das? Ja, die hab ich gestern gesehen, aber den Namen wusste ich doch nicht.“ Tarnglatze wandte sich entrüstet an Kirschenauge. „Wir haben uns laut und deutlich vorgestellt.“

„Himmelarsch“, protestierte ich, „das war meine allererste Präsentation, wie man ja wohl unschwer gemerkt hat. Ich war tierisch nervös, ich hab keinen einzigen Namen mitgekriegt.“

„Ach – wenn Sie gewusst hätten, wer ich bin, hätten Sie sich im Aufzug wohl weniger unverschämt benommen?“ Ich funkelte Hamm an. „Im Gegenteil – dann hätte ich die Sau erst so richtig rausgelassen. Und am Ende eine Klage.“ Ihm stieg etwas Farbe ins Gesicht, und ich wandte mich befriedigt ab. So, den hatte ich abgeschossen!

Der Geschniegelte – ich taufte ihn Glanzhaar – lächelte spöttisch. „Gefallen Sie sich als Rebellin?“

„Jedenfalls lass ich mir nichts gefallen, wenn Sie das meinen!“

„Interessant“, kommentierte der böse Bulle, der zu dem mir kein passendes Etikett einfiel. Grünauge? Nö, doof, ich hatte ja schon Kirschenauge. Goldlöckchen? Wo hatte der denn Locken? Böser Cop reichte.

„Finden Sie?“, fragte ich kriegerisch zurück.

„Wenn Sie sich nichts gefallen lassen – wie weit gehen Sie, wenn jemand Ihnen dumm kommt? Frau Schwarzmeier war ja nicht besonders höflich zu Ihnen...“

Ich nickte. „Ganz klar, ja. Wegen des dummen Spruchs mit den Schuhen – mit dem sie übrigens völlig Recht hatte, nur hatte ich eben nur ein Paar Pumps – bin ich nachts wieder hergeschlichen, hab sie kaltgemacht, eine Doppelgängerin in den Lift gestellt, den Lift beschädigt, wegen des Alibis, und morgen komme ich wieder und knöpfe mir die drei Herren vor. Und danach sind alle meine Feinde bei MediAdvert dran, angefangen bei Freund Suhrbier... Nichts gegen Serienkiller, aber das hört sich verdammt stressig an. Da kommt man ja vor lauter Morden zu gar nichts mehr!“

„Frau Schwarzmeier wurde vor acht umgebracht“, erläuterte böser Cop glatt. „So überzeugend ist Ihr Alibi also auch wieder nicht. Genauso wenig wie das von Herrn Hamm, Herrn Bogner und Herrn Huffland.“

Ich riet mal: Huffland = Glanzhaar, Bogner = Tarnglatze. Leider machte niemand Anstalten, mir die Auflösung zu verraten. „Im Krimi sind perfekte Alibis bloß immer verdächtig“, antwortete ich also nur.

„Das ist kein Krimi, das ist die Wirklichkeit“, schnappte böser Cop. Guter Cop (Kirschenauge) lächelte nur. „Und wenn Ihnen mein Alibi nicht passt, kann ich´s nicht ändern. Verhaften Sie mich doch!“ Kirschenauge griff ein. „Soweit sind wir noch lange nicht. Ihr Motiv scheint mir auch nicht übermäßig einleuchtend – es sei denn, Sie legen jeden um, der Ihnen dumm kommt?“

Ich lachte. „Dann wäre Leisenberg bereits zu einem Weiler mutiert. Ein bisschen gemeiner als Frau Schwarzmeier muss einer schon zu mir sein, damit er mir eine Kugel wert ist oder eine nette Dosis Strychnin. Oder was auch immer.“

„So wie ich?“, fragte Hamm und grinste spöttisch.

„Ja... ich muss sagen, bis jetzt liegen Sie im Rennen um den Schierlingsbecher unangefochten auf Platz eins.“ Unwillkürlich musste ich auch grinsen.

„Würden Sie jetzt bitte das deplatzierte Gewitzel einstellen“, schnauzte böser Cop. Ich setzte mich sofort gerade hin, faltete die Hände und guckte fromm. „Zu Befehl!“ Böser Cop wollte gerade losbrüllen, da schickte Kirschenauge ihn nach draußen, nach den Ergebnissen der Spurensicherung fragen.

Die Sekretärin schenkte Kaffee nach, und plötzlich knurrte mein Magen ganz laut. Halb vier – und ich hatte seit dem Smarties-Krapfen von der Friedrichs nichts mehr gegessen; das war schon mehr als vierundzwanzig Stunden her – verhungern konnte man hier! „Möchten Sie etwas zu essen haben?“, fragte sie mich sofort. Ich lächelte waidwund (hoffte ich, wahrscheinlich sah es bloß dämlich aus) und verzichtete edel. Niemand war beeindruckt; Hamm orderte eine Runde Kekse und Orangensaft und erläuterte auf Kirschenauges Fragen hin, dass Frau Schwarzmeier die Assistentin der Geschäftsleitung war und ihm und seinem Stellvertreter Huffland (Glanzhaar oder Tarnglatze, verflixt?) unterstellt. Tarnglatze steuerte Details bei, als war er wohl Huffland. Ah ja – jetzt wurde Glanzhaar als Bogner, seines Zeichens Marketingchef, vorgestellt. Aalglatter Scheißer. Hässlich war er freilich nicht, Kirschenauge sah aber besser aus. ich lächelte wieder schüchtern in die Runde, aber dann beschloss ich, das lieber zu lassen, weil es gar nicht zu meiner Klappe passte.

„Wie ist denn diese Frau Schwarzmeier umgebracht worden?“, fragte ich, um Interesse zu zeigen. „Warum wollen Sie das wissen?“, fragte Bogner sofort. Nein, Glanzhaar passte besser. Ich zuckte die Achseln. „Dann eben nicht. Behalten Sie nur Ihre kleinen Geheimnisse für sich, wenn Sie das glücklich macht.“

„Dass Sie bei MediAdvert eine große Zukunft haben, kann ich mir nicht vorstellen“, blaffte Glanzhaar. „Sie ist doch schon draußen“, petzte Hamm. Ich lächelte höhnisch und beschloss, dass ich heute einen besseren Job gefunden hatte. Einen viel besseren Job. Einen Job, für den Hamm die Firma sofort hinschmeißen würde. Wieso war der in so jungen Jahren eigentlich schon Chef? Wahrscheinlich gelerntes Söhnchen, früh geerbt, in zwei Jahren hätte er den Betrieb ohnehin runtergewirtschaftet. Der Gedanke war unbedingt vorzumerken... „MediAdvert ist eine Klitsche ohne Zukunft“, verkündete ich großspurig und hoffte, dass sie alle Suhrbier genügend hassten, um nicht zu widersprechen. Obwohl – solche blöden Kerle, wahrscheinlich waren sie seine besten Kumpels. Dann sollten Sie es ihm ruhig weitertratschen! Hamm verzog höhnisch das Gesicht. Blöder Hund. „Brauchen Sie mich noch?“, fragte ich schließlich ungeduldig. „Ich müsste noch allerlei erledigen, schließlich trete ich morgen eine neue Stelle an.“

„Ach was?“, fragte Hamm. „Ach ja!“, schnappte ich.

Kirschenauge winkte ab. „Gehen Sie ruhig, aber geben Sie dem Beamten vor der Tür bitte die Adresse Ihres neuen Arbeitgebers.“

Das tat ich so diskret wie möglich, und gerade noch rechtzeitig, denn kaum hatte der Wachtmeister oder was auch immer sein Notizbuch zugeklappt, schlängelte sich Hamm durch die Tür. „So schnell haben Sie einen neuen Job?“

„Dachten Sie, das schaffe ich nicht?“

„Das wird schon so ein Job sein. Tüten kleben, vielleicht.“

„Wenn Sie meinen... Ich bin jedenfalls sehr zufrieden. Vielseitig.“

Bestimmt. Ich hatte sicher die verschiedensten Waren auszupacken, auszupreisen und einzuräumen. „Und vom Organisatorischen viel reizvoller als bei MediAdvert“, fügte ich hinzu. Direkt gelogen war das nicht.

„Logistisch sehr anspruchsvoll.“ Vor allem, weil ich mit diesen blöden Lafetten sicher nicht zurechtkommen würde. Hießen die Dinger überhaupt so? Oder Paletten?

„Ich bin ja tief beeindruckt“, spottete Hamm. „Wenn man bedenkt, dass ich Ihnen ein Alibi verschafft habe, könnten Sie den Ball ruhig etwas flacher halten“, zischte ich und bemerkte aus dem Augenwinkel, wie der Beamte auf seinem Stühlchen die Ohren spitzte. Egal.

„Sie mir? Ich Ihnen, meinen Sie wohl! Ich hätte ja gar kein Motiv gehabt!“

„Ich vielleicht? Der Inspektor oder was auch immer hat das selbst gesagt. Wer weiß, was für finstere Dinge in diesem Betrieb abgehen.“

„Das muss ich mir nicht sagen lassen!“

„Dann gehen Sie mal schön wieder da rein und petzen Sie den Bullen -“

„Nana“, machte der Beamte.

„Sorry, den Herren von der geschätzten Obrigkeit, wie gemein ich zu Ihnen war.“

„Die Körperverletzung auch?“

„Das war Notwehr. Ich kann das gerne erklären, wenn Sie es wünschen.“

„Schnepfe!“

„Blödmann.“ Er drehte sich um und verzog sich in den Sitzungsraum. Ich ging nach Hause, endlich.

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