Читать книгу Past Perfect Life. Die komplett gelogene Wahrheit über mein Leben - Elizabeth Eulberg - Страница 7

Kapitel 3

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Es ist ungewöhnlich still im Haus der Dorns.

Alle drei Kinder liegen mit geputzten Zähnen, gewaschenen Gesichtern und mit Schlafanzug im Bett. Ich habe zwei Gutenachtgeschichten vorgelesen, das Geschirr vom Abendessen in den Geschirrspüler geräumt und den Esstisch und die Arbeitsplatten abgewischt.

Jetzt muss ich nur noch versuchen, eine weitere Stipendienbewerbung fertig zu schreiben, während ich auf Mr und Mrs Dorn warte.

Beschreiben Sie eine besondere Eigenschaft oder eine Leistung, die Sie einzigartig macht.

Unfassbar, aber ich bin kurz davor zuzugeben, dass Rob recht hat. Es stimmt, was er gesagt hat: Welche Sadisten haben sich bitte schön diese Fragen ausgedacht?

Ist nicht jeder Mensch auf seine Art einzigartig? Ich muss nur herausfinden, was an mir besonders ist. Und zwar abgesehen von der Tatsache, dass diese Fragen mein Selbstwertgefühl zerstören.

Jemand klopft leise an die Haustür. Auch wenn Dad und ich große Horrorfilm-Fans sind, gruselt mich dieser typische Horrorfilmauf‌takt nicht: eine finstere Nacht, ein großes Haus, die Babysitterin ganz allein.

In Valley Falls kann wirklich nichts passieren, ohne dass Alarm geschlagen wird. Die Nachbarn der Dorns hätten schon längst den Notruf gewählt, wenn sie einen Unbekannten auf der Straße entdeckt hätten.

Nach Dads und meinem Einzug hatte es nur zwei Tage gedauert, bis uns praktisch die ganze Stadt einen Besuch abgestattet hatte, der Kühlschrank von oben bis unten voller Auf‌läufe und Eintopfgerichte und der Terminkalender mit Spielverabredungen und Gemeindeversammlungen ausgebucht gewesen war. Inzwischen gehören wir selbst zum Begrüßungskomitee, wenn jemand nach Valley Falls zieht, was so gut wie nie vorkommt.

Ich halte mich also nicht damit auf nachzuschauen, wer vor der Tür steht, sondern öffne einfach die Haustür.

»Uns liegt eine Beschwerde wegen Ruhestörung vor«, begrüßt mich Sheriff Gleason mit einem schiefen Grinsen. Er trägt Uniform, seinen Streifenwagen hat er in der Einfahrt geparkt. Er schaut an mir vorbei ins Haus. »Das Bierfass hast du versteckt, wie ich sehe.«

»Ich sollte wohl besser dem Drogendealer absagen«, antworte ich, ohne eine Miene zu verziehen.

Sheriff Gleason lacht, was er wahrscheinlich nicht tun sollte, wenn jemand über Drogen Witze macht. Aber ich bin’s ja nur. Die tugendhafte, leicht durchschaubare Ally Smith. Also darf er lachen.

»Was kann ich für Sie tun?« Ich trete zur Seite, damit er hereinkommen kann.

»Ich wollte bloß eine Auf‌lauf‌form vorbeibringen. Nina hat sie vor ein paar Tagen bei uns stehen gelassen.« Er reicht mir die Glasform. »Wollte nicht bei deiner Bierparty stören.«

Ich seufze. »Ja, diese Aufsatzthemen feiern bestimmt nicht von allein weiter.«

Sheriff Gleason nimmt seine Kappe ab. Seine dicken Locken kringeln sich zu allen Seiten nach oben. »Wie kommst du mit den Bewerbungen voran? Jane und Julia sind kurz davor durchzudrehen.«

»Sieht bei mir nicht viel anders aus.«

Er schenkt mir ein warmes Lächeln. »Du bist klug, Ally, und verantwortungsbewusst. Jede Uni kann sich glücklich schätzen, dich als Studentin zu haben.«

Das höre ich nicht zum ersten Mal.

»Ist Mom wieder da?« Die fünfjährige Annie tapst barfuß in die Küche und reibt sich die Augen.

»Entschuldige, Kleines«, sagt Sheriff Gleason sanft. »Ich wollte dich nicht wecken.«

»Sie kommen sicher bald.« Ich streiche über die Falten in ihrem Gesicht, die das Kissen hinterlassen hat. »Aber du musst wieder ins Bett. Morgen früh hast du Schule und deine Mom wird ent‌täuscht sein, wenn sie sieht, dass du so spät noch auf bist. Außerdem wollen wir doch nicht, dass Sheriff Gleason dich verhaftet, weil du eigentlich schon längst ins Bett gehörst.«

»Das ist richtig«, antwortet er und zieht seinen Gürtel hoch. »Paragraf fünfhundertachtundsechzig: Minderjährige müssen zur Schlafenszeit im Bett liegen.«

Annies Augen werden groß und sie geht in ihr Zimmer.

»Alles gut«, versichere ich ihr. »Ich komme in ein paar Minuten und schau nach dir.«

Sheriff Gleason setzt seine Kappe wieder auf. »Na gut, meine Aufgabe hier ist erledigt. Die Auf‌lauf‌form ist abgeliefert, damit die Ehefrau glücklich ist, und Annie schläft wieder, damit die Babysitterin zur Ruhe kommt. Kein übles Tagesergebnis.«

»Danke.« Wenn ich den Aufsatz schaf‌fe, bevor die Dorns wieder hier sind, bleibt mir gerade noch genug Zeit, um mit Dad einen So-schlechten-dass-er-schon-wieder-gut-ist-Film zu gucken. Er muss früh ins Bett, weil seine Schicht um sieben Uhr morgens beginnt.

»Dann lasse ich dich mal in Ruhe weiterarbeiten. Viel Glück bei den Aufsätzen.« Er dreht sich zur Tür um, bleibt dann aber stehen. »Oder auch nicht. Sieht so aus, als bekämst du noch mehr Besuch.«

Ich werfe einen Blick zur Straße und entdecke Neil. »Hi, Onkel Brian«, sagt er verlegen grinsend.

»Nicht zu spät nach Hause kommen!«, ordnet Scheriff Gleason an und wuschelt seinem Neffen durch die Haare, als wäre Neil ein Kleinkind und kein fast eins achtzig großer Achtzehnjähriger.

»Ich wollte Ally bloß was vorbeibringen«, antwortet Neil.

»Komm rein«, sage ich und wir beide winken Sheriff Gleason zum Abschied. Dann senke ich meine Stimme. »Wir müssen aber leise sein. Annie ist schon einmal aufgewacht.«

»Okay«, flüstert Neil, während er seine grün-weißen Vans auf der Fußmatte abstreift. »Marian meinte, dass du hier bist. Mom hat heute Abend Brownies gebacken und ich dachte, ich bring dir ein paar vorbei. Du magst die doch so gern.« Er reicht mir eine Tüte.

Ich linse hinein: Darin liegen zwei riesige Brownies. »Danke – wie lecker.«

»Gern geschehen. Ich glaub, keiner von uns hat’s geschafft mitzuzählen, wie viele du davon an Thanksgiving verdrückt hast.« Er schaut auf den Küchenfußboden.

»Hey!«, sage ich ein bisschen zu laut und halte mir erschrocken die Hand vor den Mund.

»Psst, die Kinder«, flüstert Neil kopfschüttelnd. »Denk an die armen, schlafenden Kinder.«

»Klar, weil ich nämlich niemandem etwas abgeben werde.«

»Hey! Ich hab mein Videospiel unterbrochen und bin ganze anderthalb Blöcke gelaufen, um die bei dir abzuliefern.«

»Okay, du darfst einen halben Bissen abhaben«, willige ich ein und breche ein winziges Stückchen für ihn ab.

Neil nestelt am Ärmel seiner dunkelblauen Daunenjacke, dann tritt er einen Schritt näher. Uns trennen nur noch wenige Zentimeter. Ich meine, klar, wir müssen leise sein und so, aber ich war ihm selten so nah, dass ich die Sommersprossen auf seiner Nase zählen kann.

Ich wende meinen Blick ab.

»Also, äh, woran arbeitest du gerade?« Neil zeigt auf meinen uralten Laptop auf dem Küchentisch.

Ich setze mich an den Computer und starre auf den einzigen Satz, den ich bisher geschrieben habe. »Eine weitere Bewerbung.«

»Brauchst du Hilfe?« Er zieht einen Stuhl heran und setzt sich neben mich.

»Wenn du so fragst … fallen dir besondere Eigenschaften an mir ein, die mich von anderen unterscheiden?«

Neil denkt einen Moment nach. »Wie viele brauchst du?«

»Haha, sehr lustig«, sage ich. Wie dumm von mir, das Thema überhaupt anzuschneiden.

Aber Neil fängt an, an den Fingern abzuzählen: »Du bist echt klug, du kannst gut zuhören, du bist witzig, und gerade weil du manchmal eher still bist – ich weiß, wie schwer es ist, sich in meiner Familie Gehör zu verschaf‌fen –, sind deine Scherze besonders lustig. Äh«, er zeigt auf das Haus, »du tust ganz schön viel für andere …«

»Dafür werde ich bezahlt«, erinnere ich ihn.

»Ja, aber du machst mehr als das, zum Beispiel die Küche aufräumen. Nina erzählt meiner Mom ständig, wie unangenehm ihr das ist, das Haus sauberer vorzufinden, als sie es verlassen hat. Also kannst du noch hinzufügen, dass du richtig was wegarbeiten kannst. Hilft das schon mal? Ich kann nämlich weitermachen.«

Ich spüre, wie ich rot werde. Obwohl es süß von Neil ist, mich so zu loben, ist es mir irgendwie peinlich. Aber ich hatte ihn ja darum gebeten. Und ich mag es, wenn er so über mich spricht.

»Das ist total nett von dir, dass du das sagst.«

»Na ja, es entspricht der Wahrheit.« Er schaut mich erwartungsvoll an.

Ich senke meinen Blick. »Richtig, ich, äh …« Ich verstumme und versuche, mich wieder aufs Thema zu konzentrieren. »Ich weiß einfach nicht, was die von mir hören wollen. Die meisten Bewerber für dieses Stipendium sind echt klug. Das allein macht mich also nicht besonders.« Vor lauter Anspannung verkrampfen sich meine Schultern. Ich atme tief durch, schließe die Augen und versuche, mir einzureden, dass alles gut wird und schon klappen wird. Aber was, wenn nicht?

»Alles in Ordnung?«, fragt Neil.

»Klar.« Ich möchte das Thema wechseln und nicht weiter über Stipendien oder Aufsätze nachdenken.

Es gibt da eine Sache, die mir seit dem Mittagessen im Kopf herumgeistert. Okay, seien wir ehrlich, es hat mich den ganzen Nachmittag beschäftigt. Und, na ja, jetzt habe ich ihn ja direkt vor mir, warum also nicht den Versuch wagen?

»Weißt du, wer noch ziemlich klug ist?« Ich wackele mit den Augenbrauen. »Dana.«

Neil lehnt sich auf seinem Stuhl zurück. »Ja, stimmt.«

»Und was läuft da zwischen euch beiden?« Ich lege meine Zeigefingerspitzen aneinander und tue so, als würden sie sich küssen.

Neil wirft mir einen Blick zu, der klarmacht, dass er meine pubertären Albernheiten nicht im Entferntesten lustig findet. »Nichts. Wir sind bloß befreundet.«

»Da habe ich aber was anderes gehört«, necke ich ihn. Obwohl ich natürlich auf gar keinen Fall will, dass etwas anderes zwischen ihnen ist.

»Ich hab dir doch gesagt, dass da nichts ist.« Neil presst seine Lippen zusammen.

»Entschuldige«, antworte ich. Ich kann es nicht ertragen, ihn so zu sehen. »Siehst du, so lustig bin ich gar nicht.«

Er seufzt. »Schon gut, ich bin bloß … wegen der College-Suche ein bisschen gestresst. Auch wenn ich weder so heiße noch so aussehe«, er zeigt auf seine feuerroten Haare, »bin ich nun mal ein Gleason. Ich möchte auf ein College gehen, an dem ich einfach nur Neil van Horne bin und nicht Kyles kleiner Bruder oder der Sohn der Finanzbehördenleiterin oder der Neffe des Sheriffs. Ein Ort, wo ich ab und zu auch mal Mist bauen darf. Ständig wird uns gesagt, dass wir aus unseren Fehlern lernen sollen, aber als Gleason darf man keine Fehler machen. Und wenn es doch passiert, ist das Stadtgespräch.«

Mein erster Gedanke ist natürlich sofort, was für ein geniales Aufsatzthema das wäre.

Obwohl ich dazu nicht viel schreiben könnte, denn ich kann ja unmöglich wissen, wie es sich anfühlt, unter so einem Druck zu stehen. Ich habe mir nie wirklich Gedanken darüber gemacht, was es bedeutet, ein Gleason zu sein. Ich hab immer nur die Sonnenseite gesehen: der Rückhalt in der Großfamilie, rauschende Partys und riesige Familientreffen an Thanksgiving und Weihnachten.

Ganz naiv bin ich nicht – mir ist klar, dass sie alle aufpassen müssen, damit nicht über sie gelästert wird. In sozialen Netzwerken treten die Cousins und Cousinen alle unter falschem Namen auf, damit sie Fotos posten können, ohne im Ort neugierige Blicke auf sich zu ziehen. Anfangs fand ich das super aufregend: Auch ich legte mir einen Decknamen zu. Nicht nur zum Schutz meiner Gleason-Freunde, sondern auch, um mir Dad vom Hals zu halten. Ständig belehrte er mich, wie vorsichtig man sein muss, wenn man persönliche Dinge im Netz postet. Er liebt es geradezu, über Privatsphäre, Typen mit falschen Identitäten und Internetbetrug zu predigen, ganz besonders, wenn so ein Fall in einer der True-Crime-Serien vorkommt, die wir gerne gucken.

Für mich ist das alles ein Spiel. Ich bin »Erin Rodgers« (weil ich Green-Bay-Packers-Fan und ein Nerd bin). Wie sehr Neil und seine Cousins und Cousinen aufpassen müssen, darüber habe ich mir nie wirklich Gedanken gemacht.

Neil fährt fort: »Aber dann stelle ich mir vor, wie es ist, allein zu sein, keine Familie um einen herum, auf die man sich verlassen kann. Und ich frag mich, ob ich das hinbekomme. Vielleicht kann ich gar nicht auf eigenen Beinen stehen.«

»Versteh ich gut. Bei mir und Dad seh ich das genauso«, gebe ich zu. Wie soll ich ohne meinen Dad auskommen? Wie wird er ohne mich klarkommen? Ich lege meine Hand auf Neils Rücken. Ich spüre, wie sich seine Schultern anspannen, also ziehe ich sie wieder weg. Ich denke an das, was Dad immer sagt, wenn ich aus Angst vor der Zukunft in Panik gerate. »Das alles gehört mit zum Erwachsenwerden.«

»Erwachsenwerden ist scheiße.«

»Aber echt.«

Wir lachen beide. Früher dachte ich, die Zwölf‌‌te wäre entspannt. In den vergangenen drei Jahren ging es nur um gute Noten und genügend Extrakurse und Sozialstunden für meine College-Bewerbungen. Aber meine größten Sorgen konnte ich die ganze Zeit nicht abstreifen: Woher soll eine Siebzehnjährige wissen, womit sie den Rest ihres Lebens verbringen will? Oh, und dann natürlich die Frage, an welches College ich gehen soll. Vom College meiner Wahl hängt ab, wer meine zukünf‌tigen Freunde sein werden. Wenn ich daran denke, wie sehr sich mein Leben in neun Monaten verändern wird, läuft es mir kalt über den Rücken.

Im Moment plane ich, Grundschullehrerin zu werden und mich dann an einer Schule hier in der Nähe zu bewerben. Für einige mag das nicht der große Traum sein, aber mir gefällt das Leben in einem kleinen Ort. Ich gehe gern zur Schule. (Wie gesagt: Nerd.)

Das also ist mein Plan. Für jetzt.

Letztes Jahr wollte ich Tierärztin zu werden. Und klar kann das College mich verändern und ich entscheide mich dann noch um. Anders als die allseits beliebte Bewerbungsaufsatzfrage andeuten mag, habe ich also keine Ahnung, wo ich mich in fünf Jahren sehe. Eigentlich sollte ich mich über all die Möglichkeiten freuen, die mir offenstehen, aber manchmal wächst mir das alles über den Kopf.

»Tut mir leid«, sagt Neil und blickt auf seine Hände. »Ich bin hergekommen, um dir Kuchen vorbeizubringen, und nicht, um rumzujammern.«

»Schon okay. Mich stresst das alles auch«, gestehe ich. Obwohl, ich glaub nicht, dass ich es so gut verbergen kann wie Neil. Er wirkt immer so sicher und zuverlässig, so was wie das stille Auge im Gleason-Sturm. So was wie sage ich nur, weil selbst der stillste Gleason höllisch laut ist.

Ein unbehagliches Schweigen entsteht. Ich bin mir nicht sicher, was es sonst noch zu sagen gibt. Draußen auf der Straße hupt ein Auto. Ich werfe einen Blick auf die Mikrowellenuhr. Die Dorns können jeden Moment nach Hause kommen.

»Soll ich gehen?«, fragt Neil. Er hat meinen Blick auf die Uhr gesehen und steht zögernd auf.

»Ja, vielleicht. Ich glaub zwar nicht, dass die Dorns etwas dagegen haben, dass du hier bist und mir Brownies gebracht hast, aber wer weiß, was in der Stadt geredet wird.«

Im Sommer hatte sich mein Dad beim Einkaufen im Lebensmittelgeschäft der Gleasons mit einer Frau darüber unterhalten, wie lange er noch für die Hausrenovierung brauchte, an der er gerade arbeitete. Prompt sorgte dieses fünfzehnminütige Gespräch dafür, dass alle dachten, die beiden hätten eine Affäre.

Man kann nie vorsichtig genug sein. Und sosehr Dad und ich auch dazugehören – wir sind nicht hier geboren und werden daher immer Außenseiter bleiben.

»Wäre das denn so schlimm?«, fragt Neil so leise, dass ich mir nicht sicher bin, ob ich mich verhört habe. Meint er das Gerücht, dass ich mit einem Jungen zusammen bin? Oder dass ich mit ihm zusammen bin?

Oh mein Gott. Bin ich etwa Miss Ahnungslos?

Die Tatsache, dass ich mir diese Frage überhaupt stelle, bestätigt, dass ich – in der Tat – ahnungslos bin.

Es ist so: Ich mag Neil. Sehr sogar. Er ist einer meiner besten Freunde. Vor ein paar Wochen habe ich sogar gedacht, dass sich zwischen uns etwas anbahnen würde. Wir haben praktisch den ganzen Homecoming-Ball zusammen auf der Tanzfläche verbracht. Wir sehen immer zu, dass wir nebeneinandersitzen. Jedes Mal, wenn wir zusammen sind, spüre ich, wie es zwischen uns knistert. Aber Marian kann ich nicht fragen. Neil ist schließlich ihr Cousin und ich will nicht, dass das irgendetwas zwischen uns verkompliziert. Und während ich die ganze Zeit darauf gewartet habe, dass er den ersten Schritt machte, passierte … nichts. Vielleicht hab ich mir das Ganze nur eingebildet, aber ich hätte schwören können, er hätte die Funken auch gespürt.

Wäre nicht das erste Mal, dass ich mich täusche.

Neil tritt einen Schritt auf mich zu und ich halte automatisch die Luft an. So wie mein Herz rast, bestehen keine Zweifel, wie sehr ich mir wünschte, dass es endlich passiert.

Wir sind nur wenige Zentimeter voneinander entfernt. Ich kann nicht atmen.

Und dann klingelt mein idiotisches Handy.

Neil tritt einen Schritt zurück und ich verfluche die Technik, die einen Moment im echten Leben ruiniert. (Oh Gott, das ist so ein typischer Dad-Gedanke.)

Es ist Mrs Dorn, die mir sagt, dass sie in zwanzig Minuten zu Hause seien. Hätte sie mir nicht eine Nachricht schreiben können? Oder einfach ohne Ankündigung nach Hause kommen? Obwohl, wäre vielleicht nicht so toll gewesen, von ihr und Mr Dorn bei einer wilden Knutschszene überrascht zu werden.

Nicht, dass es dazu gekommen wäre. Oder zu sonst irgendetwas.

Als ich auf‌lege, steht Neil bereits an der Haustür. »Ich sollte jetzt gehen.«

»Ja, vielleicht. Wir sehen uns morgen, zur gleichen Zeit am gleichen Bürgersteig.« Mir läuft es kalt den Rücken hinunter, weil ich das hier gerade so sehr vermassele.

Neil lächelt mir zu, öffnet die Haustür und zögert kurz, bevor er sich noch einmal umdreht. »Das wird schon, Ally.«

Ich hab keine Ahnung, was er meint. College? Die Stipendien? Uns?

Was auch immer – ich hoffe, er hat recht.

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