Читать книгу Past Perfect Life. Die komplett gelogene Wahrheit über mein Leben - Elizabeth Eulberg - Страница 8

Kapitel 4

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»Ich platze gleich«, sagt Marian am Samstagabend nach Lees Geburtstagsparty und reibt sich den Bauch.

Wieder einmal gab es bei den Gleasons viel zu viel zu essen. Und jetzt liegen wir beide auf dem Fußboden in ihrem Zimmer, die Füße auf dem Bett, über uns die bunte Lichterkette an der Zimmerdecke. Gizmo, Marians schwarzer Kater, streicht um uns herum. Baxter wird durchdrehen, wenn ich nach Hause komme und nach Katze rieche. Er schaut mich dann immer an, als wäre ich fremdgegangen.

»Wie jedes Mal«, erinnere ich sie.

»Das kannst du laut sagen.« Nach einer kleinen Pause sagt sie: »Aber in ein paar Stunden machen wir uns über die Reste her, oder?«

»Aber so was von«, sage ich lachend, auch wenn es wehtut, den Bauch zu bewegen. Während der Party habe ich die Gleason-Sippe genau in Augenschein genommen und über das nachgedacht, was Neil über seine Familie gesagt hat. »Hey, Marian, hast du jemals das Gefühl, unter Druck zu stehen, weil du eine Gleason bist?«

»Du meinst, weil man ständig darum kämpfen muss, der Lauteste im Raum zu sein? Ha!« Dann fügt sie nachdenklich hinzu: »Manchmal. Es wäre nett, ab und zu mal ein bisschen für sich zu sein. Für unseren ersten Kuss mussten wir sogar nach Door County fahren, damit es nicht gleich alle mitbekommen.«

»Das mit Rob und dir würde ich an deiner Stelle auch lieber geheim halten wollen«, necke ich sie.

»So was von. Aber selbst wenn ich meine Familie vermissen werde und das hier«, sie greift nach meiner Hand, »freue ich mich auf das, was vor uns liegt. College. Susan ist so glücklich an der Stout. Ich glaube, Mitglied einer Großfamilie zu sein, hat sie bestens auf ein Leben im Wohnheim ohne viele Rückzugsmöglichkeiten vorbereitet. Obwohl ich stark vermute, dass das gemischte Wohnheim nicht unwesentlich zu ihrer Begeisterung beigetragen hat …«

»Dad hat angedroht, mich ins Kloster zu stecken, falls ich mich auch nur für ein gemischtes Studentenwohnheim bewerbe.«

»Hey.« Marian drückt meine Hand. »Ich wollte dich nicht verletzen, als ich vor ein paar Tagen deine Mom erwähnt habe. Tut mir leid.«

»Schon okay.« Ich erwidere ihren Handdruck.

»Du bist immer so offen gegenüber allem. Und irgendwie der selbstsicherste Mensch, den ich kenne.«

Ich schnaube. »Machst du Witze?«

»Nein, wirklich. Du wusstest als Erste von uns, an welches College du gehen willst. In der neunten Klasse hattest du das alles schon durchorganisiert. Du hast X, Y und Z abgehakt, um dir einen Platz an der Green Bay zu sichern und den größten Teil der Studiengebühren zu finanzieren. Und ich? Ich weiß immer noch nicht, an welches College ich nächstes Jahr gehen soll.«

»Aber so superselbstsicher bin ich gar nicht.« Ich muss an Dana denken, die ihren Notendurchschnitt und ihre Erfolge überall herumposaunt.

»Was deine Ausbildung und deine Zukunft betrifft, weißt du, was du willst. Ich meine, ein bisschen von deinem Lebensplanungstalent könntest du ruhig auch mal anderweitig nutzen.« Marian hüstelt und sagt: »Bei Jungs zum Beispiel.«

Na gut, ja, ich war noch nicht wirklich mit einem Jungen zusammen. Okay, eigentlich gar nicht. Aber da bin ich nicht die Einzige. Jane und Julia geht es genauso. Wir sind ein kleiner Jahrgang. Die Auswahl an Jungs ist ziemlich begrenzt und es ist immer so blöd, wenn ein Pärchen Schluss macht und sich dann alle entscheiden müssen, für wen sie Partei ergreifen. Ihr könnt mir glauben, dass das einer der Gründe war, der mich davon abgehalten hat, endlich Neil mein Herz auszuschütten.

Ich steuere uns schnell aus der Jungs-Gefahrenzone: »Okay. Ich zähle dir gerne die vielen Vorteile eines Studiums an der Green Bay auf, einer davon ist übrigens eine ihrer zukünf‌tigen Studentinnen.«

»Das ist natürlich ein großer Pluspunkt.«

»Der größte. Ist ja klar.«

»Ist ja klar.«

Wir schweigen für ein paar Momente. Marian grübelt bestimmt gerade über ihren Studienmöglichkeiten, während ich über das nachdenke, was sie gesagt hat. Für mich stand einfach immer die Schule an erster Stelle. Ich mag konkrete Ziele. Auszutüfteln, wie man von A nach B kommt, oder Listen machen, um mein Ziel zu erreichen. Nichts fühlt sich so gut an, wie etwas abzuhaken.

Einer der Gründe, warum das bei mir so gut funktioniert, liegt vermutlich in dem Belohnungssystem, das Dad sich für mich ausgedacht hat. Als ich in die weiterführende Schule kam, hing an unserem Kühlschrank ein Kalender, in dem meine Hausaufgaben eingetragen wurden. Für jeden Tag, an dem ich alle meine Aufgaben erledigt hatte, bekam ich ein Sternchen. Zehn Sternchen bedeuteten, dass wir Softeis essen gingen.

Man könnte es Bestechung nennen – ich nenne es Motivation.

»Oh!« Marian dreht sich auf die Seite. »Ich weiß, was wir machen. Wir spielen ›Zwei Wahrheiten und eine Lüge‹.«

Ich drehe mich zu ihr. »Oh ja!«

›Zwei Wahrheiten und eine Lüge‹ spielen wir schon, seit ich das erste Mal bei Marian übernachtet habe – normalerweise zusammen mit Jane und Julia. Einer denkt sich ein Thema aus und dann erzählt jede zwei Wahrheiten und eine Lüge über sich, während die anderen versuchen müssen, die Lüge zu erraten. Natürlich läuft das Ganze gewöhnlich auf eine Diskussion hinaus, in wen wir gerade verknallt sind.

Wo ich jetzt so drüber nachdenke, ist das vielleicht doch keine so gute Idee.

»Such du zuerst ein Thema aus«, schlägt Marian vor.

»Okay!« Mittlerweile weiß ich so gut wie alles über sie. Einmal spätnachts fanden wir heraus, dass sie alle Sorten Weingummi mochte außer Gummischlangen. Von denen wird ihr übel. Natürlich schenkten ihr Jane und Julia dann zu Weihnachten eine Riesentüte Gummischlangen.

Das Thema College scheidet schon mal aus, darüber nachdenken muss echt nicht sein. »Okay, Dinge, die du bis zum Ende der zwölf‌‌ten Klasse unbedingt tun willst«, schlage ich vor.

»Oh, das gefällt mir.« Kurz schließt sie die Augen. »Schule schwänzen, eine Eins in Mathe schreiben und zum Homecoming-Ball ein Kleid tragen, das so sexy ist, dass Rob Höllenqualen leidet.«

»Äh, hat nicht irgendjemand aus deiner Familie Aufsicht?«

»Das macht die Folter umso qualvoller.«

»Du bist echt fies«, sage ich anerkennend. Das wird bestimmt lustig. »Das mit dem Kleid ist also definitiv wahr. Im letzten Mathetest hattest du schon eine Eins, das Schulschwänzen muss also die Lüge sein. Völlig ausgeschlossen, dass du damit durchkommen würdest.«

»Tja, nicht in Valley Falls. Jetzt bist du dran.«

Dinge, die ich bis zum Ende der zwölf‌‌ten Klasse unbedingt tun will.

»Also, erst mal genügend Stipendiengelder einsammeln … äh …« Manchmal bin ich eine totale Niete in diesem Spiel, selbst dann, wenn ich mir das Thema ausgesucht habe. »Auf dem Abschlussball so viel tanzen, dass ich eine Woche lang barfuß laufen muss, und eine Eins im Chemie-Leistungskurs.«

»Chemie«, antwortet sie sofort. »Du bist zwar extrem gut, aber eine Eins bei Mrs Fayle schafft niemand.«

»Wenn jemand einen Nachnamen hat, der wie FAIL klingt, ist es kein Wunder, dass sie alle durchfallen lässt.«

»Ha!«, ruft Marian. Sie klatscht in die Hände und setzt sich auf. »Okay, ich bin dran. Was nehme ich bloß, was nehme ich bloß …« Sie tippt sich ans Kinn, aber es ist sonnenklar, dass sie’s genau weiß. Und dass ich wahrscheinlich nicht begeistert sein werde. Normalerweise kann ich eine Gleason-Falle aus hundert Meter Entfernung riechen. Aber diesmal nicht. »Oh, ich weiß! Neil! Genau gesagt: deine Gedanken zu Neil.«

Ich bete, dass mein Gesicht mich nicht verrät und knallrot wird. Aussichtslos, klar. Natürlich ahnt Marian längst, dass es zwischen uns kribbelt. Oder auch nicht kribbelt. Es ist schwer, etwas vor ihr zu verheimlichen. Versteht mich nicht falsch, ich will ja mit ihr über Neil sprechen, aber ich meine … die beiden haben als Kinder zusammen in der Badewanne gesessen! Kommt sie damit klar, wenn sie erfährt, dass ihre beste Freundin dauernd an Neil denkt – und zwar nicht gerade jugendfrei?

»Okay.« Ich überlege fieberhaft, was ich sagen soll. Eigentlich ist es leicht: Er ist süß, er lässt Schmetterlinge in meinem Bauch tanzen, und wenn er sich auf etwas konzentriert, bilden sich auf seiner Stirn diese unglaublich niedlichen Falten.

Aber was sage ich Marian?

»Er ist mein Lieblings-Gleason«, beginne ich, obwohl ich nicht mal selber weiß, ob das jetzt nun die Wahrheit oder eine Lüge ist.

»Hey!«, sagt Marian. »Und schon muss ich dich unterbrechen. Ich weiß genau, dass das eine Lüge ist. Gewonnen!«

Ich bin erleichtert, aber nur für den Bruchteil einer Sekunde, denn es ist völlig klar, dass sie es mir mit ihren zwei Wahrheiten und einer Lüge nicht so leicht machen wird.

»Egal, ich bin dran. Bereit?«, fragt sie.

Bin ich das? Bin mir nicht sicher.

»Er isst keine grünen M&Ms, in den Sommerferien geht er Bungeespringen und diese Woche wird er jemanden auf ein Date einladen«, sprudelt sie hervor.

Beim letzten Punkt rutscht mir das Herz in die Hose. Möchte ich, dass es wahr ist oder eine Lüge? Ich weiß, dass sein großer Bruder ihm früher, als er noch klein war, mal erzählt hat, dass grüne Süßigkeiten nach Popel schmecken, das mit den grünen M&Ms könnte also stimmen, glaub ich. Die Gleasons mit ihrem Süßigkeiten-Tick! Was das Bungeespringen betrifft, ist Neil eigentlich nicht der Typ dazu, aber in seiner Familie fordert man sich liebend gerne gegenseitig heraus.

»Dass er jemanden auf ein Date einlädt, ist das die Lüge?« Mir fällt auf, dass ich die Luft anhalte, während Marian mir einen kritischen Blick zuwirft.

»Glaubst du im Ernst, dieser Junge würde sich jemals mit einem Gummiseil an den Füßen in die Tiefe stürzen?«, fragt sie lachend.

»Na ja, eure Familie liebt verrückte Wetten«, halte ich dagegen.

»Okay, dann erzähl ich’s dir.« Sie zieht eine Augenbraue hoch. »Neil steht auf ein bestimmtes Mädchen, so viel ist klar. Und wir alle haben eine Theorie darüber, wer besagtes Mädchen ist.« Ich könnte schwören, dass sie mich vielsagend anfunkelt. Vielleicht bilde ich es mir aber auch nur ein. Weil ich unbedingt dieses Mädchen sein möchte. Oder hat Marian eben deswegen versucht, das Thema auf Jungs zu bringen? Ja, schon klar, ich blicke das alles total.

Marian fährt fort: »Wir glauben, dass er einen kleinen Schubser in die richtige Richtung braucht. Deswegen ist eine kleine Wette am Laufen, damit er sich endlich aufrafft und das geheimnisvolle Mädchen fragt, ob es mit ihm ausgeht. Er hat Zeit bis Ende nächster Woche.«

Neil wird spätestens nächste Woche ein Mädchen um ein Date bitten. Was, wenn nicht ich es bin? Was, wenn ich ihn mit einer anderen sehe, wo ich mir endlich über meine Gefühle für ihn klar geworden bin? Was, wenn sie in der Mittagspause und überall sonst dabei ist, direkt vor meiner Nase?

Eines ist sicher: Nächste Woche wird entweder großartig oder eine absolute Katastrophe.

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