Читать книгу Das 4. Buch George - Elke Bulenda - Страница 12

Nur im Schatten verbrauchter Gottheiten kann man frei atmen.

Оглавление

(Emile Michel Cioran)

Wieder auf dem Heimweg, überkam mich ein seltsames Gefühl. Gleich so, als könnte mich jederzeit eine Lawine erfassen. Etwas lag in der Luft. Und bei meinem Pech, würde es sich als ausgewachsener Shitstorm herausstellen. Im Grunde hoffte ich bei meiner gestrigen Heimkehr, etwas Ruhe und Frieden zu finden. Doch weit gefehlt. Alles schien eine gewisse Eigendynamik zu entwickeln – ja, fast schon so, als wolle mir alles im rasanten Tempo über den Kopf wachsen. Verärgert musste ich feststellen, diese dämliche Pillendose samt Esther immer noch in der Hosentaschen mit mir herumzutragen. Kurz schoss es mir durch den Sinn, ich könne sie einfach verbrennen. Irgendwie brachte ich das aber doch nicht über mich. Vielleicht werde ich nicht nur ein Spießer, sondern auch ein ausgemachtes Weichei. Dazu bedrückte mich die erlebte Situation mit Dracon. Mir wurde klar, wie wenig ich im Grunde genommen über ihn wusste. Und wie besorgt er war, ich könnte seiner Mutter von diesem Vorfall erzählen. So derart in Gedanken versunken, trabte ich vor mich hin, als ich ein lautes Wiehern vernahm. Zuerst dachte ich an Karl-Heinz, dem depressiven Einhorn, doch hörte ich keinerlei Hufschläge. Selbst wenn er sich die Hufe mit Watte umwickeln würde, mein scharfes Gehör könnte ihn jederzeit lokalisieren. Und dann erklang ein Mark erschütternder Gesang...

Ehe mir klar wurde, woher dieses Gekreische kam - nämlich aus der Luft - wurde ich gepackt und mit voller Wucht von den Füßen gerissen. Und es stank penetrant nach Pferd! Unsanft wurde ich quer über den Sattel geworfen, oder eher halbwegs auf die Schenkel einer ziemlich drallen Hellrotblonden. Der Aufprall quetschte mir förmlich die Luft aus dem Brustkorb. Jeder Mann würde sich freuen, zwischen, bzw. auf den Schenkeln einer Frau zu landen. Nur war mir das jetzt überhaupt nicht recht! Ihre Zöpfe wehten im Wind, und sie schmetterte so laut ihr Lied - glaubt es oder nicht - ich sah sogar ihr Rachenzäpfen vibrieren.

»Ha, Krieger! Halt dich mal schön bedeckt!«, schnappte sie zwischendurch, drückte mich wieder unsanft nach unten und klatschte mir lautstark mit der flachen Hand auf den Hintern. Schöne Scheiße! Ich wurde von einer Walküre entführt! Obendrein kitzelte diese blöde, zottelige Satteldecke ganz fürchterlich meine Nase. Schnellstens wieder abzuspringen kam einem Selbstmord gleich, denn wir befanden uns schon in einer Höhe, die mir mit spöttischer Stimme weitere Knochenbrüche versprach, wenn ich es dennoch versuchen sollte.

»Hey! Lass mich runter! Ich bin noch nicht tot!«, keifte ich aufgebracht.

»Kommt gar nicht in Frage! Na und? Du bist untot! Wo ist da der Unterschied?«, trällerte sie und brüllte wieder ihre Arie in die uns umwirbelnde Luft.

»Tote laufen nicht herum! Argh! Kannst du nicht dieses Singen sein lassen? Mir pfeifen schon die Ohren!«, schnappte ich wütend.

»Nein, ich freue mich schon seit Jahren, meine Ausbildung endlich zu beenden! Und dazu gehört nun mal auch der Gesang!«, tremolierte sie ziemlich schräg.

… Auch das noch! Odin fand es angebracht, mir seinen Azubi zu schicken. Bin ich ihm nicht genug wert, um eine erfahrene Fachkraft für mich einzusetzen?...

»Wozu soll das Gesinge gut sein? Falls der Krieger noch nicht tot ist, besorgt dein Gesang wohl den Rest, oder was? Ich kann mir nicht helfen, aber klingt das nicht nach Wagner?«

»Wer, bei Hel, ist Wagner? Nee, das ist ein altes Arbeitslied! Das singen wir immer, wenn wir unseren Job erledigen. Wir haben schließlich kein eingebautes Anti-Kollisions-System. Die Sicht ist nicht immer so gut. Wir warnen uns gegenseitig mit dem Gesang, damit wir nicht zusammenstoßen. Und jetzt halt die Klappe, sonst stopfe ich dir mein Kettenhemd in die Fresse!«, blaffte sie und stimmte wieder in ihr »Heija haiheja, hi, hei ho, tralali tralala!« ein. Also hat der Gesang die Funktion eines Nebelhorns! Ja, und so klang die Holde auch! Und einen Ton konnte sie ebenfalls nicht richtig halten. Ich äußerte meinen Unmut dadurch, dass ich versuchte eine ordentliche Position einzunehmen.

»Nun zappel mal nicht so herum! Du tust Fluffy weh!«, maßregelte sie mich.

»Autsch, der Sattelknauf! Was? Dein Zosse heißt Fluffy? Scheiß die Wand an! Das muss ein verdammter Albtraum sein! Wieso kann Odin nicht selbst kommen, mit seinem achtbeinigen Hengst Sleipnir? Der ist doch gegen deinen Fluffy wie ein Rennwagen mit Zwölfzylindermotor!« Nebenbei hoffte ich die Lehrlings-Walküre in ein Gespräch zu verwickeln, damit sie mit dem fürchterlichen Singen aufhörte. Doch war ich sehr erstaunt, weiterhin dieselbe Melodie vorgesungen zu bekommen, nur mit dem Inhalt eines Gesprächs.

»Ja, er heißt Fluffy, weil er so schön flauschig ist«, sang sie im schiefen Arpeggio. »Wenn du den armen Raben Hugin nicht in die Botanik gekickt hättest, wüsstest du, dass Odin dich darum bat, ihm einen aufblasbaren Ring mitzubringen. Nun, wie soll ich es formulieren. Ein Problem mit seinem... äh... verlängerten Rücken zwingt ihn dazu, auf das Reiten leider verzichten zu müssen. Aber erzähle das nicht überall herum. Das ist ihm nämlich sehr peinlich, musst du wissen.«

»Du meine Güte! Wem sollte ich das erzählen, hä? Meinst du, ich will in eine Jacke, bei der die Ärmel auf dem Rücken zusammengebunden werden? Und wenn Odin draußen scheißen geht, und seine Hämorrhoiden dabei Gras fressen, kann mir das nur egal sein! Und soll ich jemandem erzählen, ich wurde von einer Azubi-Walküre zu Odin gebracht? Weißt du was? Ich hänge jetzt noch ein bisschen hier ab und du machst einfach weiter deinen Job!«, knirschte ich beleidigt.

»Ich singe nicht sehr gut, ist es das?«, fragte sie bedrückt.

»Sagen wir es mal so: Der Gesang ist nicht schön, aber selten!«

»Ja, ich weiß, ich kann keinen Ton halten.«

»Vielleicht solltest du einen zur Brust nehmen, das funktioniert bei mir auch immer.«

»Nein, don´t drink and ride! Na ja, ich kann eben nicht gut singen. Aber mein Bekannter kann es auch nicht besonders, hat es trotzdem bis an die Pariser Oper gebracht!«

»Du meinst wohl bis unter die Pariser Oper... Reden wir von Heiko? Du meinst doch Heiko, das Ersatzphantom der Oper, richtig?«, fragte ich nach.

»Ja, der ›Abgebrochener-Riese-Heiko‹, du kennst ihn? Mensch das ist ja ein Ding! Er sagt, die Frauen liegen ihm zu Füßen!«, erzählte sie begeistert.

»Der Knödel-Heiko... Ja, ich habe ihn als Informanten kennengelernt. Wenn er behauptet, die Frauen liegen ihm zu Füßen, mag er wohl recht haben. Aber nur, weil er sie mit seinem scheußlichen Gesang besinnungslos gesungen hat. Womöglich vergeht sich der alte Lüstling auch noch an ihnen«, fügte ich grinsend hinzu.

… Insgeheim fragte ich mich, wieso sich die Azubi-Walküre, Frauen zu Füßen liegend wünschte. Wenn sie ihren Job richtig machte, lagen jede Menge tote Kerle zu ihren Füßen. Ich persönlich halte nichts davon, wenn mir Frauen vor den Füßen herumliegen. Der Fuß ist für mich keine Erogene Zone und außerdem muss man dann über die ganzen Weiber steigen, um seinen Weg fortzusetzen ...

»Nee, Heiko ist ein anständiger Kerl!«, sang die Reiterin ziemlich schief. »Da ist schon Bifröst, wir sind gleich da!«, deutete sie mit dem Zeigefinger an, den sie mir beinahe ins Auge rammte. Als wir aufsetzten war ich zutiefst erleichtert. Es ist schon sehr irritierend, wenn ein Pferd in nichts anderem als der Luft herum galoppiert. Zum Glück besaß Fluffy einen breiten, komfortablen Rücken und war keine knochige Mähre. Die Aussicht, der Ritt auf diesem fusseligen, gepunkteten Pferd könnte bald ein Ende haben, stimmte mich beinahe schon euphorisch. Doch die sich anbahnende Euphorie wurde abrupt abgebremst, weil uns der zottelige Wächter namens Heimdall den Weg abschnitt.

»Heda! Na, wen haben wir denn hier?«, fragte er mit seiner tiefen Bassstimme, die die Regenbogenbrücke in Schwingungen versetzte.

»Was soll die blöde Frage!«, pöbelte ich. »Du kennst mich doch längst!«

»Wer redet denn von und überhaupt mit dir, hä? Beinahe hätte ich dich nicht erkannt, weil du diesmal hier nicht mit nacktem Arsch auftauchst«, entgegnete er drohend und gab mir eine gepfefferte Kopfnuss auf den Hinterkopf.

»Autsch! Was ist denn das für eine unerhörte Behandlung!«, entrüstete ich mich.

»Na, mein schönes Kind? Sag, wie ist dein Name?«, begann er seine plumpe Anmache und ignorierte meine Reklamation.

»Wenn du das nicht weißt, dann hast du während deines Job geschlafen! Jeder hier kennt meinen Namen«, pampte die junge Walküre zurück.

»Äh, hallo? Deinen Namen kenne ich ebenfalls nicht«, meldete ich mich zu Wort.

»Klappe halten!!!«, fauchten beide im Duett.

»Warum nur so spröde, meine Liebe? Vielleicht kann ich dir beizeiten mal meine Schädelsammlung zeigen?«, setzte Heimdall sein überaus amouröses Werben fort.

Die Walküre blieb ziemlich cool und zeigte ihm lediglich den Mittelfinger: »Weißt du, was dies bedeutet?«, fragte sie hochmütig von ihrem Ross herunter.

»Äh, dass du bis eins zählen kannst?«, antwortete Heimdall listig grinsend, während ich in lautes Gelächter ausbrach. Die Walküre nahm die Zügel wieder auf: »Lass mich durch, Gottvater Odin erwartet mich!« Und gleich darauf walzte Fluffy mit seinem mächtigen Leib am überrumpelten Wächter vorbei.

»War das jetzt ein Ja? Soll ich dir nun meine Schädelsammlung zeigen, oder nicht?«, rief uns Heimdall hinterher, während die Walküre Kurs auf das Heim der Asen nahm.

Sie drehte das fluffige Pferd mit der Breitseite zum Tor, damit sie besser anklopfen konnte. Wie nicht anders zu erwarten, öffnete sich eine kleine Türklappe, aus der niemand anderes, als eben wieder dieser Heimdall hinaus spähte. Genervt verdrehte ich die Augen.

»Wie lautet die heutige Losung? Als kleinen Tipp möchte ich anmerken, sie lautet genauso wie dein Name, meine Süße!«, grinste er mit mächtigem Goldgebiss.

»Netter Versuch, Heimdall! Aber wenn du mich nicht einlässt, werde ich das Odin sagen!«, schimpfte die Azubi-Walküre.

»Jaaa?«, fragte Heimdall verschlagen. »Wie willst du es ihm erzählen, wenn ich dich erst gar nicht hereinlasse? Hm?«

»Du vergisst, unser Allvater Odin sieht alles!«, konterte sie.

Von überall und nirgends ertönte eine donnernde Stimme: »Genau! Ich sehe alles! Lass jetzt das Mädchen mit dem Krieger herein, oder du darfst bis ans Ende deiner Tage den Schnee von der Regenbogenbrücke schippen! Na, wie würde dir das schmecken? Gewähre ihnen Einlass, aber Heimdalli... äh, dalli!...«

»Sehr wohl, mein Herr und Gebieter!«, gab Heimdall klein bei und öffnete das mächtige Tor, dessen Türangeln unheilvoll quietschten.

»... Und hole ein bisschen Fett für die Scharniere! Bei diesem Lärm kann ja niemand schlafen!«, befahl der Gottvater etwas milder.

Grinsend ritten wir am zurechtgestutzten Gockel vorbei. Und da wir uns jetzt in Asgard befanden, hoffte ich so schnell wie möglich vom Rücken des Gauls heruntergelassen zu werden. Doch weit gefehlt! Die Walküre gab ihrem Reittier die Sporen und wir nahmen wieder rasant das Tempo auf. Wir überquerten den gigantischen Wehrhof und hielten genau auf eines der Tore der Valhall zu. Wenn ich ehrlich sein soll, war ich hin- und hergerissen, zwischen dem Zukneifen und Aufreißen meiner Augen. Als beinahe schon Fluffies Schnauze das Tor berührte, wurde es schwungvoll aufgerissen. Wie immer wunderte ich mich, woher Heimdall wusste, wo und wann er rechtzeitig welches Tor öffnen musste. So gesehen, hätte er auch gerade unterwegs sein können, um Fett für die Scharniere zu holen. Vermutlich gibt es doch mehr als einen von dem Burschen, anders kann ich mir das nicht erklären. Wie eine Irre lachte die Walküre und galoppierte durch die Halle, sodass von Fluffies Hufeisen nur so die Funken aufstoben. Entgegen meiner Hoffnungen wurde das Ross nicht langsamer. Gerade warf ich einen flüchtigen Blick in die Halle, als mich die namenlose Azubi-Walküre auch schon am Schlawickel packte und vom Rücken des Pferdes schleuderte. Im hohen Tempo schlitterte ich wie ein Eisstock durch die Halle, wurde dabei links von Fluffy und seiner wilden Reiterin überholt und glitt bis an Odins Thron, wo ich etwas unsanft davor, von den Treppenstufen ausgebremst wurde. Ein amüsiertes Lachen von Seiten Odins und ein schiefer Gesang der Walküre beendeten meine unsanfte und äußerst ärgerliche Odyssee wie ein unheilvoller Tusch. Zum Glück warf ich, geistesgegenwärtig wie ich immer so bin, bei Beginn meiner Entführung noch Annies Gartenkugel auf den heimischen Rasen. Ansonsten wäre sie jetzt nur noch ein Scherbenhaufen.

Zuerst spuckte ich einen Mundvoll Flusen aus, um mir anschließend wütend Luft zu machen: »Verdammt, ich protestiere gegen diese Art von Behandlung! Ich wurde gegen meinen Willen hier hergebracht!«, rappelte ich mich auf und betrachtete angefressen meine verschmutzte Kleidung, mit der ich unfreiwillig den Boden aufgewischt hatte.

»Du kannst so viel Protestieren, bis du ein Protestant wirst! Du wurdest hier hergebracht, weil es mein Wille ist! Wie konntest du nur meinen armen Hugin ins Gebüsch schubsen? Ist dir nichts mehr heilig?«

»Idiot! Vollidiot!«, kreischte Hugin, der sich auf der Rückenlehne von Odins Thron niederließ und das Gefieder aufplusterte. Sein Raben-Kumpel Munin nickte ihm wissend zu. Doch der Allvater ließ sich von diesem Zwischenruf nicht ablenken, setzte stattdessen unbeirrt seine Gardinenpredigt weiter fort. »Sage mir, was habe ich dir getan, dass du nicht meiner Bitte nachkommst?«, fragte Odin, hievte sich von seinem Thron und kam die Treppe hinab, genau auf mich zu. Zum Glück erhob er seine Hand nicht gegen mich. Beim letzten Treffen verpasste er mir drei Maulschellen, die sich gewaschen hatten. Am Rande bemerkte ich, dass wir allein waren. Kein Saufgelage, kein Fressen und auch keine Kämpfe. Nur Geri und Freki, die Wölfe Odins, suchten seine Nähe.

»Was willst du von mir? Kannst du dir nicht einen anderen Idioten suchen? Bin ich vielleicht ein Prophet? Weißt du was? Ich wäre froh, wenn ich ein stinklangweiliges Leben hätte!«, knirschte ich wütend. Doch viel Zeit für meinen Groll blieb mir nicht, denn Odin legte mir seine Hand auf die Schulter und drückte mich hinunter. Unweigerlich musste ich in die Knie gehen. Diese Behandlung wurde mir zuteil, weil ich erhobenen Hauptes vor ihm stand und mich nicht verneigte, so wie es normalerweise das Protokoll verlangte. Dann setzte er sich auf die Treppenstufe, zog dabei ein schmerzerfülltes Gesicht, legte nachdenklich das Kinn in die Hand und drehte sein ihm verbliebenes Auge gen Himmel.

»Hm, lass mich mal überlegen... Nein, außer dir kenne ich keinen anderen Idioten. Und ja, im gewissen Sinne bist du ein Prophet, weil gerade dein Gott mit dir spricht. Und wenn der Berg nicht zum Propheten kommt, dann muss eben der Prophet zum Berg. Ich habe dich zu mir bringen lassen, um vertraulich mit dir unter drei Augen zu reden. Du darfst dich jetzt zu mir auf die Treppenstufen setzen«, sagte er und machte eine einladende Geste mit der Hand.

»Das ist noch lange kein Grund, mich gegen meinen Willen zu verschleppen!«, schnappte ich, nahm jedoch seine Einladung an und setzte mich zu ihm.

»Das musst du gerade laut sagen! Ich weiß wen und was du dort in deiner Hosentasche hast, also sei mal ganz ruhig, ja?«, fuhr er mir über den Mund.

… Ups, er sah wirklich alles. Aber diese List mit Esther, das tat ich nur aus der reinen Not heraus...

»Oh, ach das?... Warum ist die Halle leer? Hast du sie räumen lassen, um mit mir ungestört zu sprechen?«, lenkte ich geschickt vom Thema ab.

»Jetzt bilde dir mal nichts ein. Meine Frau Frigg ließ die Halle räumen, weil sie umdekorieren will. Du kennst doch die Frauen, ständig frickeln sie an ihrem Nest herum. Seit unserer Kreuzfahrt schwärmt sie von diesen Fut Fazlies... Wie heißen die Dinger in unserer Sprache?... Windlichter!... Also ich finde, soetwas hat in einer Kriegerhalle nichts zu suchen. Bunte Lichter! Nein, das ist irgendwie völlig schwul!«

Sehr zu meiner Verwunderung kehrte die Azubi-Walküre, die Fluffy mit sich am Zügel führte, zurück. Erwartungsvoll nahm sie vor Odin Aufstellung, während ihr Zosse die Halle volläpfelte. Wie auf ein geheimes Zeichen hin, tauchte wie aus dem Nichts, eine Nordische Frau mit einer Schippe auf, die den Dung sofort entfernte.

»Verzeih, Allvater Odin, aber ich habe noch nicht dein Urteil gehört«, sprach die angehende Walküre fordernd und zeigte dabei keinerlei Spur von Demut.

Odin wandte sich mir zu: »Sag, wie war dein Ritt hierher, mein Junge?«

»Einfach grauenhaft! Der wird mir ewig in Erinnerung bleiben!«, gab ich zurück.

»Prächtig, dann war der Ritt völlig in Ordnung. So soll er sein! Ragnora? Du hast deine Abschlussprüfung mit Bravour bestanden. Ab heute bist du eine vollwertige Walküre, ich gratuliere dir. Weißt du, eine Ausbildung ist unheimlich wichtig! Danke, du darfst jetzt Fluffy in den Stall bringen und trockenreiben«, nickte Odin ihr freundlich zu.

»Hurra! Yeaaah! Danke Papi!«, quiekte die Walküre, fiel Odin um den Hals und gab ihm einen dicken Kuss auf die Wange.

»Ja, ist ja gut, meine Süße! Nun geh!«, lachte Odin.

Vor mir verbeugte sich das Mädchen nur knapp: »Vielen Dank, dass du mit Asgard-Airlines geflogen bist. Bitte beehre uns bald wieder!«

Dann verließ sie mit Fluffy die Halle. Beinahe wäre ihr vor Stolz eine dritte Brust gewachsen. Odin schaute ihr schmunzelnd hinterher und schüttelte den Kopf: »Ach, Mädchen und Pferde! Dabei gibt es doch sicherlich Angenehmeres, das eine Frau zwischen den Schenkeln spüren kann!«

»Ragnora? Was ist denn das für ein bescheuerter Name?«, fragte ich ratlos.

»Oh, sie kommt ganz nach ihrem Vater. Von ihm hat sie sehr viel. Unter anderem, seine nicht vorhandene Musikalität geerbt«, griente er.

»W... Wa... Was?«, stotterte ich völlig perplex.

»Na ja, das ist so: Dich bedrückte es doch sicherlich, weil du nicht wusstest, wie dein Kind geworden wäre, wenn die Michaeler deine Edda nicht ermordet hätten... Das Mädchen weiß natürlich nicht, dass sie von dir und Edda ist. Aber sie konnte doch nicht die ganze Zeit in Eddas Bauch bleiben. Sie glaubt, ich wäre ihr Vater, was ja auch im eigentlichen Sinne stimmt, denn ihr seid alle meine Kinder, oder nicht?«, zwinkerte er mir zu. »Was ist denn? Du bist so blass!«

Er klatschte mir auf den Rücken. »Ich sehe schon, du brauchst einen Schluck zu trinken! Weib! Bring dem Burschen ein großes Horn voll Drachenblut! Sonst bekommt er noch die Blutarmut!«, brüllte er lachend durch die Halle, die seinen Worten ein markantes Echo verlieh. Die Frau, die vorher die Pferdeäpfel beseitigte, kam herangeeilt und reichte jedem von uns ein Trinkhorn mit würzigem Met. Mir schoss es kurz durch die Synapsen, dass sie sich doch hoffentlich vorher ordentlich die Hände gewaschen hatte.

»Danke Fulla. Zum Wohl mein Junge! Gratuliere, es ist ein Mädchen! Unter uns, ein Mann kann nie genug Kinder zeugen, denn sie sind sein ganzer Stolz. Ach ja, wo wir gerade beim Thema sind... Was macht dein kleiner Junge?«, hakte er nach.

»Oh, der kleine Stöpsel ist toll! Wir verstehen uns prächtig. Er ist eben etwas ganz Besonderes!«

»Ja, er ist wie du, der siebte Spross seines Vaters. Diese Zahl hat etwas Magisches.« Odin wurde ernst. »Aber du bist nicht hier hergekommen, um mit mir über Trivialitäten zu plaudern. Wie du dir sicherlich denken kannst, geht es jetzt ans Eingemachte. Ich habe einen Auftrag für dich!... «

*

Das 4. Buch George

Подняться наверх