Читать книгу Kullmann und das Lehrersterben - Elke Schwab - Страница 6

Kapitel 3

Оглавление

Das Lied Vom selben Stern von der Gruppe Ich und Ich bohrte sich laut in Erik Tenes’ Ohr. Er wollte nicht wahrhaben, dass die Nacht schon vorbei war. Zu gut hatte er geschlafen, was nicht gerade oft in seinem Leben vorkam. Nach seiner Versetzung von Köln nach Saarbrücken vor sechs Jahren hatte er gehofft mit seinem Leben ins Reine zu kommen. Doch leider war ihm das bisher noch nicht gelungen. Zu schwer lastete seine Vergangenheit auf ihm – eine Zeit, die er einerseits hinter sich lassen, andererseits aber nicht vergessen wollte. Das in Einklang zu bringen, war nicht einfach.

Aber egal wie sehr er das Aufstehen an diesem Morgen in die Länge zog, sein Beruf als Kriminalkommissar ließ ihm keine andere Wahl. Er musste dem Unvermeidlichen ins Auge sehen – in diesem Fall dem Display seines plärrenden Handys. Dort stand der Name seines Vorgesetzten, Jürgen Schnur. Das bedeutete Arbeit.

»Ja«, murmelte er in das kleine Mobiltelefon. Ein Blick nach draußen verriet ihm, dass schon heller Tag war. Die Fenster seiner Stadtwohnung zeigten zur Ostseite. Alles schimmerte hell erleuchtet.

»Aufwachen, Erik«, schallte Schnurs Stimme fröhlich in sein Ohr. »Arbeit wartet auf uns.«

»Warum rufst du mich deshalb an?« Erik verstand hier etwas nicht. Normalerweise fuhren sie von der Dienststelle aus zu einem Tatort. Seit seiner Dienstzeit in Saarbrücken war ihm so ein Anruf noch nicht untergekommen.

»Schön! Ich hatte auch die Absicht, zur Arbeit zu kommen. Ganz ehrlich«, brummte Erik.

»Dieses Mal gibt es eine Planänderung«, klärte Schnur endlich auf. »Komm mich bitte in Völklingen abholen. Dann fahren wir zusammen nach Saarlouis. Dort hat es einen Todesfall gegeben.«

»Klar komme ich dich abholen«, antwortete Erik. »Aber du bist schneller am Tatort, wenn du jetzt schon losfährst.«

»Geht nicht! Mein Auto ist in Reparatur und meine Frau hat das andere mitgenommen.«

»Ach so«, kam es von Erik.

»Und Esther erreiche ich nicht. Weder daheim noch auf dem Handy noch auf der Dienststelle«, fügte Schnur an. »Was ist jetzt? Muss ich zu Fuß nach Saarlouis?«

»Quatsch!« Erik schwang seine Beine aus dem Bett. »Ich halte meinen Kopf noch kurz unter kaltes Wasser, dann fahre ich los.«

Er legte die wenigen Meter zum Bad zurück. Eine kalte Dusche und er fühlte sich sofort besser. Eilig schlüpfte er in Jeans und T-Shirt. Ein Schuh lag ihm so im Weg, dass er fast darüber gestolpert wäre. Den zog er an und suchte nach dem zweiten. Dabei fühlte er sich wie Der große Blonde mit dem schwarzen Schuh, denn die schwarzen Turnschuhe gehörten zu seinen Lieblingsschuhen. Wäre er nicht so in Eile, könnte er darüber lachen. Doch gerade weil die Zeit knapp war, fand er das Gegenstück nicht. Also zog er den Turnschuh wieder aus und entschied sich notgedrungen für seine weißen Leinenschuhe. Sein Handy steckte er in die Hosentasche, wühlte im Chaos nach seinen Autoschlüsseln und den Wohnungsschlüsseln, bevor er in den Korridor stürmte. Ein harter Aufprall ließ ihn erschrocken zusammenfahren.

Er war mit einer jungen Frau zusammengestoßen, die er noch nie in diesem Haus gesehen hatte. Sie wäre ihm aufgefallen. Ihre schwarzen Haare wirkten struppig, dazu blitzten ihre dunklen Augen frech. Sie trug ein bauchfreies Top, das ein Piercing am Bauchnabel freigab, und kurze Hüftjeans, auf der Eriks Blick länger hängenblieb als er sollte.

Im Treppenhaus waren deutlich Schritte zu hören. Kam jemand herauf? Oder ging jemand hinunter?, überlegte Erik. Rasch hob er seinen Blick hoch ins Gesicht seines Gegenübers, um die Peinlichkeit zu beenden.

»Da habe ich aber einen stürmischen Nachbarn«, flötete die Frau mit einer Stimme, die Erik noch mehr betörte.

Er musste zur Arbeit. Das durfte er nicht vergessen.

Hastig entschuldigte er sich, als aus den Tiefen des Flurs eine Männerstimme rief: »Mirna, wo bleibst du?«

»Ich komme schon!«

Mit einem Augenzwinkern verabschiedete sich Mirna von Erik und lief auf die Treppen zu. Wie hypnotisiert starrte Erik ihr hinterher, bis sie aus seinem Blickfeld verschwunden war. Er drehte sich zu seiner Wohnungstür um. Sie war zugezogen. Den Schlüssel dazu fand er gerade nicht. Aber das war nicht wichtig. Jetzt musste er die verlorene Zeit aufholen, um rechtzeitig bei seinem Vorgesetzten in Völklingen anzukommen.

Mit dem Fahrstuhl fuhr er hinunter, eilte auf den Parkplatz und steuerte seinen Wagen an, einen BMW 318i, seine neueste Errungenschaft. Grau metallic blinkte ihm das Auto entgegen, als wollte es ihn begrüßen. Der Wagen war für ihn so etwas wie ein Statussymbol. Im Gegensatz zu seiner Ein-Zimmer-Wohnung gab ihm dieses Auto ein besseres Selbstwertgefühl. Stolz erfüllte ihn, wenn er einstieg und den Duft einsog, das Markenzeichen neuer Autos. Der Motor summte leise, verriet nichts von seinen hundertdreiundvierzig Pferdestärken, die das Auto zur Rakete werden lassen konnten. Mit diesem Hochgefühl steuerte er durch die dicht befahrenen Straßen von Saarbrücken auf die Autobahn zu, die nach Völklingen führte. Wie immer war die A620 verstopft, sodass er sich zügeln und langsam fahren musste.

Kullmann und das Lehrersterben

Подняться наверх