Читать книгу Sommergäste in Sophienlust - Ell Wendt - Страница 14
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ОглавлениеDer Sommer meinte es gut mit uns; himmelblau und golden reihte sich ein Tag dem andern an. Im Park von Sophienlust blühte der Heckenrosenstrauch an der Südseite des Hauses mit hundert hellen Röschen, und die Jasminbüsche am Zaun streuten verschwenderisch ihren süßen Duft aus. Xaver Windschagl mähte die Wiese. Heuduft brodelte in der Mittagshitze. Alle Schalen und Krüge im Hause waren voller Margeriten und roter Wiesennelken.
Die Gäste fühlten sich zu allerlei Unternehmungen angeregt. Fräulein Posiegel stach eines Nachmittags mit Sigismund Rüstig in See, einem plötzlichen Gelüst nach mondänem 5-Uhr-Tee auf der Terrasse des Strandhotels in Seeried folgend. Amtsgerichtsrat Perlhuhn jedoch, sofern er nicht angelnd am See stand, zog es vor, die Gegend um Seewang in langen Fußmärschen zu durchstreifen. In seinem grüngrau karierten Sportanzug, die Mütze mit einer Klammer auf der Brust befestigt, in der Hand einen mit zahlreichen Erinnerungsnägeln geschmückten Knotenstock, zog er fröhlich pfeifend davon, um erst zum Abendessen wiederzukehren. Der mandeläugige Herr Buchholtz lag den ganzen Tag mit „Rumpelstilzchen“ auf dem See. Von der Sonne goldbraun getönt, glich er mehr denn je einem Sohn des Südens, während seine Frau die kleine Edith bewachte, die in einem geblümten Leinenhöschen artig mit Sand und Steinchen spielte.
Hinz sah diesem Treiben mit der Überlegenheit des Siebenjährigen zu. „Sie traut sich nicht ins Wasser“, berichtete er, „nur bis dahin“, und er zeigte auf seine zerschundenen Knie. „Beim Räuber-und-Schandi-Spielen würde sie bestimmt schreien“, fuhr er nach einer Weile verächtlich fort.
Ich gab zu bedenken, daß Edith erst fünf Jahre alt und obendrein ein Mädchen sei.
„Ich mag keine Mädchen“, erklärte Hinz, „Mädchen sind fad!“
Einen Hinweis auf die Zukunft, die seine Ansicht über diesen Punkt grundlegend ändern werde, beantwortete er mit der Feststellung, daß er niemals heiraten werde, höchstens Tante Lydia.
„Aber Herzchen, bis du groß bist, ist Tante Lydia ja uralt mit einer Brille und weißen Haaren wie Fräulein Posiegel!“
Hinz dachte angestrengt nach und kam zu dem Ergebnis, daß er ganz schnell groß werden wolle, um Tante Lydia einzuholen. Ich streichelte seinen blonden Schopf und forderte ihn auf, Xaver Windschagl ein wenig beim Zusammenrechen des Heus zu helfen.
Vor mir lag der Speisezettel, eine der schwierigsten Fragen in meiner neuen Tätigkeit als Pensionsinhaberin. Schon im kleinen Haushalt eine mühselige und undankbare Aufgabe, wächst er sich im großen zu einer wahren Sisyphusarbeit aus. Johannes hatte mir ein vegetarisches Kochbuch verschafft, eigens für Fräulein Posiegel, außerdem pflegte ich mir in einem anderen Rat zu holen mit dem verlockenden Titel: „Schmackhaft und bunt, zu jeder Stund.“
Trotzdem blieb der Speisezettel ein ewiger Alpdruck. Sollte es beispielsweise Rostbraten geben, so war mit Bestimmtheit anzunehmen, daß an dem betreffenden Tage in ganz Seewang nur Kalbfleisch zu haben war. Kalbfleisch, das wir unseren Gästen gerade auf die verschiedenste Art zubereitet — schmackhaft und bunt, zu jeder Stund — vorgesetzt hatten!
Fanny, obwohl mit Erfolg im Gaststättengewerbe tätig gewesen, verfügte nicht über eine schöpferische Phantasie. Ihre Vorschläge liefen stets auf Schweinsbraten mit Semmelknödeln und Salat hinaus, oder aber sie brachte Schmorfleisch mit Makkaroni in Vorschlag mit der Behauptung, die Gäste im „Wilden Mann“ in Vilshausen hätten solches mit Vorliebe gegessen. Der Ehrgeiz, Sophienlust den Ruf einer gepflegten Küche zu verschaffen, kam mich sowohl in materieller als auch in ideeller Beziehung teuer zu stehen.
„Wir müssen sparen“, sagte Johannes, über das Wirtschaftsbuch gebeugt, „wenn wir auf unsere Kosten kommen wollen.“
Ich fragte ihn, ob er jeden Tag Schweinernes mit Knödeln und Kraut essen wolle wie die Gäste im „Wilden Mann“.
Johannes erwiderte ausweichend, der Speisezettel sei meine Sache; es liege jedoch im beiderseitigen Interesse, das Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden. Von diesem Tage an beschloß ich, den Vorschlägen der Köchin Fanny ein willigeres Ohr zu leihen.