Читать книгу Sommergäste in Sophienlust - Ell Wendt - Страница 8
5
ОглавлениеWie zieht man zahlende Gäste in sein Haus?
Wir sagten es allen Freunden und Bekannten, außerdem beschlossen wir, es mit einer Anzeige in den großen Tageszeitungen zu versuchen. Eines Abends legte ich Johannes einen Entwurf vor. Er hatte mich viel Kopfzerbrechen gekostet, und ich beobachtete mit geheimem Stolz Johannes’ Gesicht, während er halblaut las:
Sommer in Sophienlust
Zahlende Gäste finden Erholung in Landhaus an
schönstem oberbayerischem See. Jeder moderne
Komfort! Schöne Balkonzimmer mit herrlichem
Blick auf See und Gebirge! Sehr gute Verpfle-
gung! Lärm- und staubfrei. Idealer Aufenthalt
für geistige Arbeiter!
Preise von 6,50 Mk. bis 7,50 Mk.
Anfr.: Berthold, Landhaus Sophienlust,
Seewang a. See, Oberbayern
Johannes ließ das Blatt sinken. „,Jeder moderne Komfort‘ ist gut“, bemerkte er trocken.
„Du suchst mit Fleiß immer die Schwächen heraus“, rief ich ärgerlich, „so paradox es klingt: das ist nun einmal deine Stärke.“
Johannes verwies mich milde auf das Fehlen fließenden kalten und warmen Wassers und auf den schiefen Turm von Pisa. Wir ersetzten den modernen Komfort durch die unverbindlicheren Worte: komfortabel eingerichtet.
„Und wie kommst du auf den Idealaufenthalt für geistige Arbeiter?“ fuhr Johannes lachend fort.
Ich setzte ihm wortreich auseinander, daß geistige Arbeiter angenehme Mieter seien; von ihrer Mission erfüllt, pflegten sie blind zu sein für kleine Mängel in ihrer Umgebung.
„Na schön“, sagte Johannes, „hoffen wir also auf einen Zustrom an geistigen Arbeitern! Ein wenig Blindheit kann in Sophienlust nicht schaden.“
Die Arbeiten in Sophienlust gingen ihrer Vollendung entgegen. Herr Wunderl, der Malermeister, machte seinem Namen Ehre; er vollbrachte Großes im Verfertigen zartfarbiger Wandbemalungen. In den unteren Räumen hatten wir es aus pekuniären Gründen bei der dunkeln Wandvertäfelung gelassen. Wir machten aus der Not eine Tugend, indem wir feststellten, daß sie, im Verein mit den Geweihen, dem Ganzen das Ansehen wohlhabender Gediegenheit verlieh. Nur in Tante Sophiens Jugendstilsalon hatte die olivgrüne Tapete einem elfenbeinfarbenen Anstrich weichen müssen; Sofa und Sessel verbargen ihre stilisierten Seerosen unter Hüllen aus geblumtem Stoff. In diesem Zimmer würden sich unsere Gäste zu harmonischer Geselligkeit vereinen!
Soweit es möglich war, hatten wir in den Schlafgemächern die Muschelaufsätze und gedrechselten Kugeln an den. Betten entfernen lassen; Vorhänge und Decken aus heiterem Cretonne taten das Ihre, einen freundlichen Eindruck hervorzurufen.
Allmählich kam es dahin, daß wir uns mit Stolz als Besitzer von Sophienlust ausweisen konnten. Dieses Bewußtsein mußte uns über die betrübliche Tatsache trösten, daß der von Johannes ausgesetzte Tausender nicht unbeträchtlich überschritten worden war.
„Die Gäste werden es wieder hereinbringen“, sagte ich tröstend, „ein Unternehmen ohne Risiko gibt es bekannt lich nicht!“ Johannes konnte nicht umhin, diesen Ausspruch zu belächeln; seine Meinung von meinen geschäftlichen Fähigkeiten war außerordentlich gering.
Am ersten Mai übersiedelten wir nach Sophienlust. Ich hatte mich für die Sommermonate einer Köchin namens Fanny versichert, die laut Zeugnis „mit Erfolg im Gaststättengewerbe tätig gewesen war“. Außerdem nahmen wir unsere brave Rosa mit; seit Hinz’ Geburt stand sie unserem kleinen Hauswesen mit Umsicht vor. Sie würde mit Hilfe von Frau Windschagl die Hausarbeit verrichten und bei Tisch servieren, während Xaver Windschagl sich bereit erklärt hatte, im Nebenamt den Posten eines Hausmeisters zu übernehmen.
Unser Einzug gestaltete sich dank Tom und Lydia triumphal. Über der Haustür prangte, umrahmt von Girlanden, ein Transparent mit der verschnörkelten Inschrift: „Es lebe die Schloßherrschaft!“ In der Diele, die ihren feierlichen Moderduft allem Lüften zum Trotz getreulich bewahrt hatte, standen Tom und Lydia mit Frieda. Sie brachen bei unserem Anblick in einen kunstvollen Kanon aus, in dem wir und Sophienlust umschichtig gepriesen wurden. Frieda sang aus vollem Halse mit; ihre düstere Erscheinung war durch ein Blumensträußchen festlich aufgehöht.
Den Glanzpunkt der Empfangsfeierlichkeiten jedoch bildete die Überreichung eines schönen Bildes von Tom. Es wurde ausersehen, an Stelle der ringelreihentanzenden Mädchen mit den Rosenkränzen unser Wohnzimmer zu schmücken.