Читать книгу Mord in der Gascogne - Ellis Brink - Страница 10
Mehrere Besuche
ОглавлениеZu Hause angekommen, die sonnige und beschauliche Heimfahrt hatte deutlich Stress bei ihr abgebaut, öffnete sie erst mal ein kleines Weinchen und setzte sich auf die Terrasse
vor der Küche. Sonnenschein, eine leichte Brise wehte, die Wedel der Palme vor dem Hochspannungsmast an der Grundstücksgrenze raschelten. Ein Vogel jubilierte vor sich hin, Bienen summten hinter Karla im wilden Wein an der Hauswand.
Sie läuft durch einen dichten frühlingsgrünen Wald, unter ihren Füßen raschelt das vorjährige Laub. Kleine weiße und rosafarbene Blütenköpfchen kämpfen sich durch die welken Blätter - über allem liegt ein wunderbarer, tiefer Friede. Fast ein Gefühl wie Fliegen, dann hörbar ein Knirschen und Keuchen lauter und lauter...
Als sie ruckartig aufwachte, pochte ihr Herz vor Schreck. Da waren doch Geräusche??
Sie hörte doch deutlich das Knirschen von Steinchen im Innenhof zur Garage. Verdammt noch mal, wer wagte es, sich heimlich an sie anzuschleichen? Vor Schreck und Wut stieg ihr das Blut in den Kopf. Na, vielleicht hatte sie auch einen kleinen Sonnenbrand.
Aufspringen und über die Terrasse in Richtung Innenhof und Einfahrt rennen, ging wieder. Mit hämmerndem Herzen bog sie um die Ecke und stand vor dem Typ aus dem Supermarkt, der gelassen so tat, als wäre er jetzt erst aus seinem Auto gestiegen. Er lächelte sie strahlend an, aber das kam jetzt gar nicht. Nicht hier, und nicht bei ihr!
" Sind Sie wahnsinnig, mich so zu überfallen, sich so an eine hilflose Frau anzuschleichen", geiferte sie und bremste abrupt vor ihm ab.
Der Kerl schaute auch noch überrascht aus, wurde rot im Gesicht und blökte zurück: " Hilflose Frau, dass ich nicht lache, wer so keift, vertreibt sogar Massenmörder. Ich wollte mit ihnen nur ein Wort wechseln..."
Weiter ließ sie den Heini nicht quasseln.
" Ein Wort wechseln: Worüber das denn? Ich tippe auf anschleichen, mich berauben oder wer weiß denn, was Sie sonst noch vorhatten! Überhaupt sind Sie hier auf Privatgelände und..."
Während sie sich noch ihren Schreck und Wut von der Seele schrie, stieg der Kerl doch tatsächlich ein, gab Gas und fuhr die Einfahrt rückwärts raus, wendete oben auf dem Weg und brauste ab in Richtung Dorf. Fassungslos schlich sie zurück in Richtung Weinglas und Haustür und bemerkte, als sie um die Hausecke bog, in der Kletterrose an der Regenrinne ein orangefarbenes Tuch. Komisch, dass ihr das vorhin nicht aufgefallen war . Sicher hatte Madame Rubiella ihren Schal beim letzten Hausputz vergessen. Karla legte ihn in den Flur auf die Ablage.
Jetzt sollte sie wirklich das Essen vorbereiten. In zwei Stunden waren Nicole und Henry da.
Bedächtig platzierte sie die kleinen Kartoffeln im Backofen und schnitt bei den beiden " magret de canard " die Fettschicht rautenförmig ein. Die foie gras stand schon erwartungsvoll neben dem Holzbrett, ein Messer und der Messbecher für das heiße Wasser daneben. Die Apfelringe und geschälten Weintrauben ( dafür bekommt man gewöhnlich drei Sterne im Restaurant ) beobachteten voller Andacht die kleine gebutterte Pfanne.
Der Tisch war schnell gedeckt, von Tante Erni hatte sie ja jede Menge Tischdecken, Porzellan - weiß mit Goldrand - und Haushaltsausstattung geerbt und größenwahnsinnig etwas für dies eine Jahr und besondere Gelegenheiten mitgebracht. Ihrem Autochen hatte man das auch angesehen!
Es klingelte, mit feuchten Händen rannte sie zur Gegensprechanlage." C' est nous", riefen Henry und Nicole. " Entrez, les portes sont ouvertes", rief sie zurück.
Sie umarmten sich und tauschten " la bise ", das Freundschaftsküsschen und ließen sich in der Sofaecke am jetzt kalten Kaminofen zum Plauschen nieder.
Klar, Whiskey für Henry, Floc für Nicole, nein heute Ricard mit Wasser und Eis und Karla trank ein Gläschen Campari -Orange.
" Hört mal", sagte sie nachdenklich, " welche Flohmärkte
( eine ihrer kleinen Süchte ) gibt es eigentlich diesen Monat?"
Beide tauschten einen Blick.
" Jetzt im August findet der große Markt in Barcelonne statt, du weißt doch, der beim Leclerc. Also am Donnerstag, glaube ich, das heißt also morgen. Wollen wir vielleicht gemeinsam hin, was meinst du? "
" Gute Idee, meine Lieben, aber jetzt ab an den Tisch und ich sause in die Küche."
Das Wasser kochte, schnell das Messer rein und die Foie gras vorsichtig aus dem Glas lösen.
Die erste Scheibe, die zweite Scheibe, verflixt, jetzt war sie doch mit dem Messer abgerutscht. Die Scheibe zerfiel und über das Brett kullerten drei Steinchen, Kiesel, milchiggrau.
Auf ihr heftiges " merde " kamen ihre beiden Gäste in die Küche und betrachteten verdutzt Karla, das Brett, die Foie und die Kiesel.
" Wo hast du denn die Foie gekauft? ", Nicole nahm einen der Kiesel zwischen Daumen und Zeigefinger.
" Bei Dracajo in La Demie ! Sag mal, stopfen die heutzutage die Enten mit Steinen und nicht mehr mit Mais?", fragte sie.
" So eine Frechheit!"
" Wir machen das so", brummte Henry", auf dem Weg nach Barcelonne fahren wir bei Dracajo vorbei und beschweren uns. Und nun nicht ärgern, sondern genießen! "
Noch lange saßen sie zusammen, aus dem Wohnzimmer waren sie nach draußen auf die Terrasse gewechselt. Um die Terrassenleuchte schwirrten die Falter und ab und zu strich eine kleine Fledermaus wie ein flüchtiger Schatten an der Hauswand entlang.
Was war das nur für eine Ferkelei mit diesen Steinen, woher könnten sie kommen? Henry wusste mal wieder mehr Details über Dracajo.
Er selbst war wohl Portugiese, lebte aber schon Jahre, wenn nicht Jahrzehnte im Gers. Seine Frau kam von einem kleinen Bauernhof bei Panjas, in der Nähe von Nogaro. Irgendwann hatten die beiden dann die alte Hofanlage bei La Demie gekauft und sich auf die Herstellung von Foie gras und anderen Produkten der Entenzucht- und Mast verlegt.
In letzter Zeit hatten sie wohl viel modernisiert, neue Ställe und Außengehege gebaut - ja, sogar in die Schweiz lieferten sie ihre Leckereien. Na ja, Schweizer waren - aus welchen Gründen auch immer - häufig im Gers anzutreffen. Dabei war das Gers wirklich keine Gegend für den Massentourismus. Es fehlte das Meer, es hatte eine vorwiegend bäuerliche Struktur. Natürlich bezauberte auch diese ländliche Atmosphäre, die alten Wehrdörfer aus der Krieg mit England, die Sonne, der Wein, die Nähe der Pyrenäen! Aber wie gesagt: Massentourismus nein.
Lange nach Mitternacht begleitete sie ihre Freunde die Auffahrt entlang bis zum so genannten " chemin rural ", eine immerhin geteerte Straße, die sie jetzt noch dreihundert Meter weiter bis zu ihrem Haus zurücklegen mussten.
Nun aber flott ins Bett, denn morgen war Donnerstag und sie würden gegen 10.30 Uhr nach Barcelonne fahren, natürlich in Henrys Auto, denn ihr Wägelchen war zu klein, besonders wenn sie noch Einkäufe machen wollten.
Schnell noch das schmutzige Geschirr in die Geschirrspülmaschine, der Anblick der Küche in diesem Zustand würde sie am Morgen wirklich deprimieren. Was hatte Henry gesagt: "Heb sie gut auf". Also ließ sie die Steinchen in die leere Zuckerdose im Schrank gleiten.
Alle Türen geschlossen, Karla löschte das Licht. Die Schönheitspflege im Schnellgang erledigen, den neuen Schlafanzug in knallrot anziehen und das Fenster auf: Ihr Träume könnt kommen.
c'est nous = wir sind es
entrez,les portes sont ouvertes= herein, die Türen sind offen