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Untersuchungen

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Um 6.30 Uhr standen " ihr " kleiner und rundlicher Docteur Pavie und natürlich in Latzhosen Didier, der Mann für alles Grobe und Schwierige vor der Tür. Keine halbe Stunde später erschien auch Gendarm Frédéric Simon, " Groupe du Gers ", Bataillon Saint Aubin, am Tatort. Hübscher Kerl, blonde Locken, blaue Augen, gut gewachsen und in seiner Freizeit bei den " Pompiers ", der freiwilligen Feuerwehr. Karla kannte ihn vom Feuerwehrkalender. Trotz der frühen Stunde hatte er schon Schweißperlen auf der Stirn und wirkte ein wenig sehr nervös. Was hatte er bloß! Bei wem wurde eigentlich eingebrochen und wer müsste eigentlich im Zentrum der allgemeinen Aufmerksamkeit stehen?

Aber nein, aber nein, man umrundete das Haus , warf die Arme in die Höhe und diskutierte und siehe da - ein Baguette unter dem Arm - vervollständigte nun auch Henry die Runde. Seinen Wagen hatte er oben am Weg stehen lassen und wollte gern sehen, was denn hier wohl los war.

Nun parlierten zwei der Herren mit eleganter Diktion, während Didier und Fréd breitbeinig und auf den Fersen wippend mit den Händen in den Hosentaschen den Tatort gelassen umrundeten.

Wie immer hatte Didier mehrere gute Ideen, wie man das Fenster und den Fensterladen notdürftig sichern könnte und selbstverständlich " mon dieu, quelle petitesse " auch das Material dafür zu Hause griffbereit.

Docteur Pavie telefonierte bereits hektisch mit der

" Asssurance " und bestellte einen neuen Laden und ein Fenster bei " Clair de Jour " in Vic.

Während so das Leben weiterging, notierte sich Gerndarme Frédéric alle Einzelheiten ihrer Beobachtungen, die Stirne fast so lockig gerunzelt wie sein Haupthaar und in seinem Eifer vorschriftsmäßig vorschriftsmäßig aussehend.

Als sie ihn zu seinem Wagen zurück begleitete, schnurrte ein schwarzer Citroen in die Einfahrt und hielt vor ihnen an. Die Wagentür ging auf und dem Wagen entstieg tatsächlich der Frechling, der Nervtöter aus Chateau- Renard, Mädchenquäler aus dem Supermarkt und Frauenverfolger auf dem gemieteten Grund und Boden.

Was zu viel war, war zu viel. Karla bemerkte, dass sie Frau war und auch nur Nerven hatte.

" Da, den Typ können Sie gleich gerne überprüfen, es ist schon mindestens das dritte Mal, dass er sich widerrechtlich und...."

" Nicht widerrechtlich, ich komme ja nicht dazu, mich zu erklären", fiel ihr der Kerl ins Wort.

" Widerrechtlich und unerlaubt", blökte sie und ihr traten

vor Wut und ausgestandener Angst die Tränen in die Augen.

" Der schleicht hier rum, glotzt in alle Ecken, als ob er etwas verloren hätte ", ihr fiel es wie Schuppen von den Augen, " der Schal", von wegen Madame Rubiella!

" Sie haben den Schal hier verloren, Sie sind hier herumgeschlichen! Gendarm Simon, ich bestehe auf einer Überprüfung der Personalien, ich erstatte Anzeige, ich... "

" Ecoutez monsieur, " Gendarm Simon sah aus, als wollte er sich gleich in Luft auflösen, " veuillez me suivre à la Gendarmerie. Madame, ich werde alles prüfen! Bien sur! "

Karla drehte sich auf dem Absatz um und eilte hochrot im Gesicht zurück vors Haus.

" Das Tuch, das Tuch können Sie als Beweis haben." Sie riss die Haustür auf und griff auf die Ablage, - leider kein Tuch vorhanden.

" Lassen Sie mich die ganze Angelegenheit in Ruhe klären", murmelte Gendarm Simon und verschwand durch das Tor.

" Weißt du was, Karla", sagte Henry, " du ziehst dich an, kommst hoch zu uns und bevor wir nach Barcelonne fahren, frühstücken wir noch in Ruhe. Die Fahrt lassen wir uns nicht nehmen. D'accord!"

Sie nickte, verabschiedete auch Dr. Pavie und Didier, der in einer Stunde wieder hier sein würden. Im Haus lehnte sie sich gegen die geschlossene Tür. Sie schluckte und eine heiße Welle flutete vom Hals bis zur Stirn. Den Schal,

jetzt wusste sie auch wieder wo sie diesen Schal gesehen

hatte, in der Boutique bei Dracajo. Der Schwitzer..

Eine Stunde später saßen die drei " oben " unter dem beigen Sonnenschirm auf der Terrasse.

Bei Henry und Nicole war es immer um einiges wärmer als bei Karla unten, außer der großen Eiche und der Schirmpinie hatten sie keinen Sonnenschutz und ihr Gelände lag ganz eben auf einer kleinen Anhöhe links der Straße und war von den drei anderen Seiten umgeben von Weinbergen.

Auch wenn die Bienen in Nicoles Rosen summten, der Wind leise durch die Eichenblätter fächelte, waren sie von besinnlicher Ruhe noch weit entfernt. Sprachlosigkeit, nein eher Ratlosigkeit machte sich breit. Alle Möglichkeiten waren sie durchgegangen, keine hatte sie überzeugt. Ihre Beobachtung mit dem Schal hatte sie auch nicht entscheidend weitergebracht, allerdings beschlossen sie, den seltsamen Makler und auch der kleinen Danielle mal auf die Finger zu klopfen. Aber dazu musste man die Finger ja erst mal haben. Gut, dass das Frühstück à l' Allemagne, nach deutscher Art, war. Speck, Eier, Wurst, Käse und frisches Obst und dazu noch der starke dunkle Tee hatten wenigstens teilweise den verlorenen Schlaf ersetzt.

Noch einen kurzen Blick in den Spiegel, eine hellgraue 3/4 Hose, ein ellenbogenlanges weißes T-Shirt und ein lässig um die Schultern geschlungener dünner grauer Pulli vervollständigten das Bild.

Henry war wie immer in Jeans und T-Shirt und Nicole trug heute knielange Shorts und ein Oversize T- Shirt in braun und beige: sie waren schick und keine Landeier.

Rein in Henrys Citroen und erst in Richtung Centre Saint Aubin, um den Dorfplatz herum, vorbei am " Industriegebiet " in dem sich partout niemand niederlassen wollte - Insider nannten es ein Prestigeprojekt des Bürgermeisters - dann kam die alte Gendarmerie.

" Bonjour, Gendarm Simon und bonne chance " und sie folgten der Straße in Richtung Eauze. Links leuchteten die hellgelben Weizenfelder, rechts flirrten und rauschten die

Blätter der alten Platanen im warmen Wind. Sie passierten eine Abzweigung nach " Le Parré " und nach weiteren drei oder vier Kilometern befuhren sie die Straße nach La Demie. Selbstverständlich war das nur noch ein Sträßchen, hier dominierten wieder die Weinfelder, wenige Gehöfte duckten sich unter niedrigen Dächern an den Straßenrand. Wie auch immer, alle Häuser, alle Terrassen und Treppenstufen, die Ränder der Rasenflächen waren umgeben von Blumentöpfen in verschiedensten Größen und Materialien voller roter und dunkelrosa Geranien. Nun noch die kleine Brücke und die ersten Häuser von La Demie tauchten vor ihnen auf. An der kleinen Kapelle führte ein schmaler Feldweg den Hügel hinauf zum Hof von Dracajo.

Hier erwartete sie niemand. Zwischen den Steinpfosten der Einfahrt hing eine eiserne Kette. Die heiße Luft stand im Innenhof, die Hunde lagen hechelnd an ihrer Kette und stürzten ihnen wild bellend entgegen. Fast hatten sie Angst, sie könnten sich mit den Ketten gänzlich die Luft abwürgen. Der alte Lieferwagen " Spécialités Dracajo " verweilte einsam neben der Boutique.

Die Holzläden an den Nebengebäuden und dem hübschen aus alten Steinquadern erbauten Wohnhaus waren geschlossen. Alles wirkte verlassen. Hier stellten sie mit Sicherheit niemanden zur Rede, also stiegen sie wieder ins Auto und beschlossen nach Barcelonne weiterzufahren und Dracajos Befragung auf einen anderen Tag zu verschieben. Die Enttäuschung über das Scheitern ihres Plans stand ihnen allen ins Gesicht geschrieben.

Also rein in den Wagen und zurück zur Straße und dem Restaurant " Le relais fleuri " mit dem typisch französischen Bartresen vorne und dem einfachen Speiselokal und dem großen Parkplatz für die routiers und ihre Lastwagen hinten. Nun bogen sie nach links auf die stark befahrene N 124 in Richtung Nogaro ein. Stark befahren, da diese Straße Toulouse mit Mont-de-Marsan, Dax und den Pyrenäen und damit Spanien verbindet.

Die Strecke war wunderschön. Sommerliche Weinfelder wechselten mit riesigen Arealen voller Sonnenblumen, die Straße kurvte über sanfte Anhöhen und kurze Talstrecken.

In Nogaro angekommen, hörte Karla am Ortseingang das Brummen und Dröhnen der Tourenwagen, die dort auf dem Circuit Paul Armagnac ihre Runden drehten. Sie fuhren auf der " Hauptgeschäftsstraße " quer durch Nogaro und nahmen dann die D 25 nach Urgosse und Riscle. Diese Strecke erinnerte mit ihrem auf und ab an eine Achterbahn. Kurz vor Riscle senkte sich die Straße in das breite Tal des Adour hinab, der hier noch nicht sehr spektakulär seinen Weg nach Bayonne und zum Atlantik verfolgte.

Als die Flohmarktgesellschaft Barcelonne erreichte, meldete sich Nicole zu Wort.

" Henry, lass uns am Leclerc parken, dann können wir nachher noch schnell einkaufen."

" Da mache ich mit", Karla hielt eine Kühltasche hoch,

" gerade Obst, Käse und Pasteten brauche ich auch."

Sie parkten mit Blick auf den Baobab und schlenderten über den Kreisverkehr an der Schnellstraße auf den großen Platz bei der Arena zu. Zwischen und um die Festhalle und Arena drängte sich eine Vielzahl von Ständen. Rechter Hand ging es über eine schmale Eisenbrücke auf ein weiteres Gelände - ebenso pickepacke voll gestellt. Flohmärkte waren Karlas Leidenschaft, das musste mal erwähnt werden. Insbesondere Flohmärkte in Frankreich. Altes Werkzeug und absonderliche Gerätschaften für Landwirtschaft, Heimwerken und Garten tummelten sich neben Baumwollbettwäsche, Nachthemden, Laken und Blusen. Man fand Glas- und Tonwaren, Eisengitter, Spielzeug und und und. Selbst aus den Pyrenäen waren die Bauern und Händler mit ihren köstlich duftenden Würsten und sahnegelben Käsen angereist. Scheußliches neben Schönem und das Erstere war sicherlich in der Mehrheit. Aber auch Scheußliches war irgendwie herrlich.

Schnell hatte sie einen Stand mit marokkanischen Armbändern entdeckt und kaufte sich gleich mehrere mit verschieden farbigen Steinkugeln, silbernen Kügelchen und kleinen Anhängern - für jedes Outfit eines. Vielleicht würde Karla auch Karin nicht ganz vergessen!

An der Arena dröhnte es aus den Lautsprechern:

" La mer

Qu'on voit danser le long des golfes clairs

A des reflets d'argent

La mer...

Das Meer

Man sieht es tanzen entlang klarer Golfküsten

In silbernem Glanz

Das Meer ( Charles Trenet )

Auf der anderen Seite des Platzes hielt eine Version von

" Aux champs Elysées, au soleil, sous la pluie, à midi ou à minuit " dagegen.

.. Auf den Champs Elysées

Sonne scheint, Regen rinnt,

am Mittag oder Mitternacht

Die Luft war warm, ja fast schon heiß, und es lag ein fröhliches Gebrabbel und Gebabbel über dem Markt.

" Maman, regarde." " C'est bizarre là, ma mie."

Henry und Nicole waren an einem Stand hängen geblieben und kauften gerade einer Dame, wohl keine Französin, eine nette kleine Bleiglaskaraffe ab. " Pour l' Armagnac", rief Nicole ihr zu und schwenkte die Karaffe über ihrem Kopf.

Petri Heil, jetzt entdeckte sie einen Stand mit Töpfen und kleinen braunen Tonschalen und stürzte sich triumphierend auf eine verheißungsvoll vergammelte Kiste mit kleinen fast konischen Tontöpfchen.

Genau diese Töpfchen, sie wurden früher in den Landes, dem riesigen Waldgebiet am Atlantik zum Sammeln von Harz an Pinien benutzt, fehlten ihr noch für die Hausmauer und später dann auf ihrem großen Balkon in Köln. Am besten bepflanzt mit kleinen Veilchen oder grünen Hängepflanzen.

Während sie mit dem " Monsieur " bald in ein heftiges Gefeilsche geriet, fiel ihr Blick auf den Nachbarstand. Hier wurden regionale Erzeugnisse der Enten - und Gänsezucht verkauft und jetzt wunderte sie sich auch nicht mehr, dass bei Dracajo niemand anzutreffen war. Hier

standen Madame und Monsieur und der Sohn des Hauses,

Nicolas genannt und da war auch Danielle, mit einem langen weißen Rock und T-Shirt bekleidet.

Monsieur hatte sie ein wenig auf Seite gezogen, hielt sie am Oberarm und sprach hastig auf sie ein, während sie die Stirn runzelte und mit ihrer flachen Hand gegen seine Brust drückte.

Unbeeindruckt zog Dracajo sie weiter hinter den Stand und wies auf eine gut verpackte Kiste. Nun ließ Danielle die Hand fallen, nickte, flüsterte etwas zurück und beide beugten sich über diese Kiste.

" Merde, et merde, et merde", hörte Karla jemanden brüllen, in leichter Leinenhose und beige Poloshirt, einen orange Schal um den Hals stürzte ein Typ auf Danielle zu und stieß Dracajo zurück. Alle drei standen zusammen und gestikulierten heftig. Aber das war ja der " Schwitzer " wieder und wieder der orange Schal - der sah doch genau so aus, wie der, den sie im Garten gefunden hatte.

" Mesdames, Messieurs ", eine ruhige Stimme übertönte den Lärm der Umgebung. Gendarm Frédéric Simon. Das konnte interessant werden!

Auch Karla vergaß Topf und Töpfchen und schob sich

" unauffällig " näher an die Gruppe heran.

" Danielle, mit Ihnen muss ich sprechen", hörte sie noch Gendarm Simons Stimme.

" Danielle muss nichts, gar nichts", warf der Schwitzer dazwischen. Das war nicht nur der Typ, der bei Dracajo auf dem Hof war, sondern auch der Immobilier.

Wie im schönsten Film antwortete Danielle nun trotzig

" Ecoute, Franck, ich spreche mit wem ICH will! In

Großbuchstaben! Compris! "

Leider hielt Karla noch zwei Töpfchen in den Händen und ihr Marchand schien der Meinung zu sein, dass ihr Geschäft in trockene Tücher sollte. Also regelte sie die nötigen Einzelheiten und während er die Töpfe in altes

Zeitungspapier wickelte, konnte sie sich endlich wieder umsehen. Gendarm Simon hatte Danielle ein ganzes Stück weiter gezogen und von den übrigen Kontrahenten getrennt. Er redete ihr anscheinend ins Gewissen, denn sie gab keinen Muckser von sich. Der gute Franck beobachtete beide mit saurer Miene und wischte sich wieder und wieder mit dem Schal über das Gesicht.

" Sag mal, willst du uns weglaufen?", Henry tippte auf ihre Schulter. " Wir haben nach dir gesucht, ma chère! Bei dem Gewühl gar nicht so einfach. Wir würden jetzt gern einkaufen gehen und nachher noch in Nogaro einen Kaffee trinken. D'accord."

Nicolas drückte Danielle eine Kiste in die Arme, ganz Kavalier sprang Franck ihr zu Hilfe. Schon im Weggehen drehte Danielle sich um, schaute zurück und warf Karla einen dreisten Blick zu: Neugierige Ziege, bedeutete das wohl. Auch der Gendarm Frédéric beobachtete sie nachdenklich. Mein Gott, dachte sie, soo schlimm neugierig war sie doch auch nicht! Wenn man sich so auffällig verhielt, musste man - oder Frau - sich nicht wundern.

Vehement hakte sie sich bei Nicole ein und alle drei gingen

gemächlich, es war inzwischen sehr heiß geworden, den

ganzen Weg zurück zum Supermarkt Leclerc. Nach dem Einkauf

verweilten sie noch kurz im Zentrum von Nogaro, setzten sich unter die Sonnenschirme auf der Terrasse der Brasserie

" Le Progrès ".

Ein leckerer Café und sie besprachen den aufregenden Vormittag.

" Also, " sagte Karla, " jetzt mal die Gedanken ordnen." Nun erfuhren Henry und Nicole ihre Beobachtungen im Detail, das Denkstübchen wurde aufgeräumt.

Also, der Anfang war leicht: Die seltsamen Herren im Citroen unterwegs, einer davon im Gespräch in Saint Aubin mit Danielle. Ihr Einkauf bei Dracajo, der gute Franck, der orange Schal in ihrem Garten, das Gefühl beobachtet zu werden, der Einbruchsversuch begleitet vom Auftauchen des

" Citroen - Mannes " bei ihr vor dem Haus. Dann das komische Benehmen von Danielle auf dem Flohmarkt und und und.... Sie sahen sich an. " Das ist wirklich zarbi", meinte Nicole.

" Da haben wir noch Diskussionsbedarf. Aber jetzt meine Liebe, müssen wir unbedingt nach Hause. Heute Nachmittag muss ich die Tomaten einkochen und Henry hat versprochen den Pool sauber zu machen. Wir telefonieren, mach dir nicht so viele Gedanken. Alles wird sich klären."

mon dieu, quelle petitesse= mein Gott, eine Kleinigkeit

assurance = Versicherung écoutez monsieur = hören Sie, mein Herr

veuillez me suivre = folgen Sie mir bitte

bien sûr = natürlich

maman, regarde = Mama, schau mal!

C'est bizarre là, ma mie = das ist ja seltsam, Liebling

écoute...compris = hör zu ... verstanden

marchand = Händler

zarbi = bizarre = verrückt

Mord in der Gascogne

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