Читать книгу Theorie und Praxis des Generalstreiks in der modernen Arbeiterbewegung Inauguraldissertation - Elsbeth Georgi - Страница 13

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[78] Vgl. z. B. Briand, a. a. O. p. 6; Resolution der Kommissionsminderheit (Prot. int. Kongr. Paris 1900, p. 32); ebenda p. 7; Prot. int. Kongr. Amsterdam 04, p. 28-30; ähnlich die Allemanisten (vgl. Richard, Mouvement socialiste, 1899, I. p. 619 ff.); Congrès corporatif de Marseille 1892; Conféd. générale du travail (vgl. "Antimilitarismus und Generalstreik", Beilage zu Nr. 11 der "Wahrheit"); "Weckruf" (28. Mai 04, "Der Generalstreik").

Der Zweck des Generalstreiks besteht zum großen Teil in der Wirkung auf die Arbeiter selbst, der des politischen Massenstreiks fast ausschließlich in der Wirkung auf ihre Gegner.

Doch selbst diese hauptsächlichsten Unterscheidungspunkte ergeben keine feste Grenzlinie. Denn die Tatsachen der als Generalstreiks und der als politische Massenstreiks rubrizierten Unternehmungen und Projekte stehen sich oft außerordentlich nahe. Der einzige wirklich durchgreifende Unterschied zwischen Generalstreik und politischem Massenstreik besteht überhaupt nicht in objektiven Merkmalen, sondern in der subjektiv umschriebenen Stellung und Funktion des Klassenstreiks, in dem subjektiv ihm zugewiesenen Rang innerhalb der proletarischen Bewegung.

Ein Klassenstreik heißt nämlich Generalstreik, sobald er als "seule lutte qui soit digne de la classe ouvrière",[79] als das prinzipiell-proletarische, weil vom Parlamentarismus unabhängige[80] Hauptmittel aller und jeder proletarischen Betätigung auftritt (so bei den Anarchisten, revolutionären Syndikalisten).[81] Dabei beschränken sich die Ergänzungswaffen des Klassenkampfs teils nur auf die übrigen Mittel der "direkten Aktion", (also Boykott, Sabot, bewaffneter Widerstand),[82] unter ausdrücklichem Ausschluß des Streiks zu politischen Zwecken;[83] teils umfassen sie aber neben allem anderen auch die parlamentarische Tätigkeit und den Streik zu politischen Zwecken,[84] und sei es eventl. auch nur, damit bei der Anwendung des letzteren den Arbeitern die Bedeutung der Massenaktion und des eigentlichen Generalstreiks klar werde.[85]

[79] Léon Quatrehomme, ouvrier typographe (Enquête sur l'idée de patrie et la classe ouvrière, p. 337).

[80] Vgl. z. B. E. Th., "Der Parteitag von Jena"; Friedeberg, "Parlamentarismus und Generalstreik", p. 26, 27; Thesing, a. a. O.; Kautsky, "Maifeier und Generalstreik"; Prot. int. Kongr. Amsterdam 04, p. 26, 28, 30, 71; Roland-Holst, "G-str. u. Sozd.", p. 157; Umrath, a. a. O. p. 19, 20. Nicht nur die Idee des Generalstreiks sei "concetto genuinamento operaio, che la classe lavoratrice ha ricavato dall' esperienza della vita" (Labriola, "Riforme e Rivoluzione sociale", p. 211; ähnl. Briand, p. 4, 5; Kautsky, a. a. O.; derselbe, "Die soziale Revolution" I. p. 51), sei das Produkt "de la mentalité ouvrière elle même", entspreche einer "profonde intuition populaire" (Louis, p. 293 ff.), sondern auch die Anwendung stehe "en dehors de toute direction politique" (Richard, "Manuel socialiste", p. 78, 79).

[81] Als stärkste, wirksamste, entscheidenste Waffe erscheint der Klassenstreik z. B. in der Resolution der Allemanisten (Prot. int. Kongr. Amsterdam 04, p. 29, 30), in der Resol. der Kommissionsminderheit (Prot. int. Kongr. Paris 1900, p. 32), in der Auffassung der "Lokalisten" (vgl. Bericht im Vorwärts vom 18. Juli 06 über die Generalversammlung der "Freien Vereinigung der Bauarbeiter Berlins und Umgebung" am 15. Juli 1906) usw. — Nach dem Bericht der Étudiants socialistes révolutionnaires internationalistes de Paris an den internationalen revolutionären Arbeiterkongreß, der 1900 in Paris stattfinden sollte (aber verboten wurde), ist der (gewaltsame) allgemeine Ausstand "unter den gegenwärtigen Verhältnissen das beste und sicherste Mittel zur Herbeiführung der sozialen Revolution" (vgl. Eltzbacher, p. 5, 6).

[82] Der letzte Anarchistenkongreß (3. Aug. 1907 in Amsterdam) betrachtete übrigens, gemäß der Resolution Malatesta, die Gewerkschaften und den Generalstreik zwar "als mächtige revolutionäre Mittel, aber nicht als Surrogat der Revolution"; über diesen beiden dürfe man nicht "die direkteren Mittel im Kampf gegen die militärische Macht vergessen" (vgl. Frankf. Ztg. Sept. 07).

[83] Sobald der Generalstreik "zum Hilfsmittel politischer Aktionen herabsinkt" ("Weckruf", 28. Mai 04, vgl. auch z. B. Friedeberg, "Weltansch." Nr. 37, 40; derselbe: "Parlamentarismus und Generalstreik", p. 3; Sorel, a. a. O. p. 23, 24; usw.) bedeutet er für die Anarchisten höchstens eine "kindliche Naivetät" ("Weckruf", 9. Jan. 04, "Wo wollen wir hin? Der Generalstreik"), die dazu führe, "den kraftvollen Gedanken des proletarischen Kampfes ... zu verwässern" (Friedeberg, "Weltansch."; ähnl. Franz Winter, "Brief aus Österreich" ["Weckruf", 9. Jan. 1904]; "Der Generalstreik" ["Weckruf", 28. Mai 04]).

[84] Der Generalstreik "non sostituice, nè elimina l'uso degli altri mezzi risolutivi che la storia suggerisce, e che lo sciopero o condiziona o rafforza o potenzia"; denn der Generalstreik sei die "forma specifica della rivoluzione proletaria e delle successive conquiste che alla rivoluzione menano" (Labriola, a. a. O.).

[85] Winter, a. a. O.: "die Arbeiterschaft wird schon dahinter kommen, daß mit ihm (dem Kl-str.) nicht nur politische Rechte, sondern auch nützliche ökonomische Vorteile ... erobert werden können"; ähnl. das Anarchistenblatt "Neues Leben" (cit. in der Allg. Ztg. 19./4. 02); ferner "Weckruf" (9. Jan. 04, "Wo wollen wir hin? Der Generalstreik"); Berth (vgl. Notes Bibliograph. du Mouvement socialiste, I. et 15. XI. 05, p. 374 ff.).

Ein Klassenstreik heißt aber politischer Massenstreik, sobald er als bloßes Hilfsmittel im proletarischen Kampfe auftritt,[86] nur aus Zweckmäßigkeitsgründen angewandt,[87] dem Parlamentarismus höchstens koordiniert, fast regelmäßig subordiniert[88] wird. Dabei bedeutet er meist überhaupt nur ein ausnahmsweises Hilfsmittel, das, wie Turati sagt, "niemals zum normalen Kampfmittel des Proletariats erhoben werden darf", die "ultima ratio",[89] die letzte, äußerste Kraftanstrengung in extremen Fällen.[90]

[86] Prot. Parteitg. Jena 05, Zetkin, p. 324, Bebel, p. 338; Adler (Prot. Parteitg. Wien 1894, p. 105).

[87] Hilferding, "Zur Frage des Generalstreiks", p. 141 ff.; Delory, P. O. F. (Congrès général des Organisations socialistes françaises Paris 1899, p. 246 ff.); Umrath, a. a. O.; Kommissionsresolution des int. Kongr. Zürich, 1893 (cit. Prot. Parteitg. Jena 05, p. 302).

[88] Prot. int. Kongr. Amsterdam 04, p. 24 ff.; Liebknecht, (Prot. Parteitg. Jena 05, p. 327); Zetkin (Prot. Parteitg. Bremen 04, p. 196); Bebel (Prot. Parteitg. Mannheim 06, p. 227-241); Resolution der ital. Integralisten (vgl. Olberg, "Der Parteitag von Rom"); Congrès général ... Paris 1899, p. VII, 236-60; Kautsky, "Die soziale Revolution", p. 50; ders. "Maifeier und Generalstreik"; Zetkin (vgl. Vorwärts 23. Aug. 05); Luxemburg, "Und zum dritten Mal das belgische Experiment"; Hilferding, "Zur Frage des Generalstreiks", p. 141; Umrath, a. a. O.; Jaurès, "Aus Theorie und Praxis", p. 97-121.

[89] Z. B. v. Elm, (Prot. Gwft. Kongr. Köln 05, p. 226); ähnl. Adler (Prot. Parteitg. Wien 05, p. 129); Bernstein, "Politischer Massenstreik und Revolutionsromantik".

[90] Z. B. v. Elm, "Die Gewerkschaftsdebatte auf dem Mannheimer Parteitag"; Kautsky, "Maifeier und Generalstreik"; Prot. Parteitg. Wien 1894, p. 105 (Resolution Adler); Prot. Parteitg. Wien 03, p. 126; Prot. Parteitg., Wien 05, p. 66 ff., 121; Prot. int. Kongr. Amsterdam, p. 8, 24 ff.

Als solch extremer Fall erscheint einerseits die soziale Revolution; und zwar wird dem politischen Massenstreik eine um so bedeutendere Rolle "in den revolutionären Kämpfen der Zukunft"[91] zugewiesen, je mehr das Vertrauen auf die ökonomisch-automatische Einführung des Sozialismus verschwindet, der Glaube an den gewaltsamen Charakter der sozialen Umwälzung bestehen bleibt,[92] zugleich aber auch die "Revolution im Heugabelsinn"[93] an Kredit verliert. Durch die Entdeckung des politischen Massenstreiks soll daher das bis anhin verschwommene Bild von der proletarischen Revolution Leben und Farbe gewonnen haben.[94] Daneben wird der politische Massenstreik übrigens unter Umständen auch noch zu gelegentlicher Unterstützung des Klassenkampfs in seinen vorrevolutionären Stadien vorgesehen.[95]

[91] Kautsky, "Allerhand Revolutionäres", p. 738; ders. "Die soziale Revolution" ("Formen und Waffen der sozialen Revolution"); Umrath, p. 19, 20; Enquête, p. 208; Roland-Holst, "G-str. u. Sozd.", p. 169; Parvus, "Staatsstreich und politischer Massenstreik", p. 394; Willert, Guesdist (Prot. int. Kongr. Amsterdam, 04, p. 27). — Über den Kl-str. als modernen Ersatz für die Erhebung: Bissolati, "Das Ergebnis der italienischen Wahlen", p. 958; vgl. auch Eckstein, p. 360.

[92] Vgl. Roland-Holst, a. a. O., p. XII ff.

[93] Liebknecht (Prot. Parteitg. Jena 05, p. 327); vgl. auch Briand (Congrès général ... Paris 1899, p. 156); Parvus, a. a. O.; Kautsky, "Allerhand Revolutionäres", p. 694; Prot. Parteitg. Bremen 04, p. 193; ">Der politische Massenstreik< und der Staatsanwalt", Bericht über die Verhandlung im Prozeß gegen Löbe (wegen Abdruck der Bernstein'schen Rede), im Vorwärts, 1. Beilage zu Nr. 196, 23. Aug. 05. — Andere, wie z. B. Hue (vgl. "Partei und Gewerkschaft"), Vliegen (vgl. "Der zehnte Parteitag der niederländischen Sozialdemokratie"), Bömelburg (vgl. Prot. Gwft. Kongr. Köln 05) glauben, daß es auch noch andere "schärfere" Mittel zur ev. Herbeiführung der Katastrophe gäbe, als den Klassenstreik, und daß der Augenblick diese schon mit sich bringen werde.

[94] Dies rühmt z. B. Roland-Holst, a. a. O. p. 182 ff.

[95] So spricht z. B. Roland-Holst (p. 95 ff.) vom pol. M-str. am Anfang (zur Erwerbung), im Verlauf des politischen Kampfes (zur Erhaltung von Rechten) und am Schluß desselben (als soziale Revolution, während z. B. nach der Leipziger Volkszeitung vom 8. März 04 (cit bei David, "Rückblick auf Jena") der Klassenstr. einzig für die soz. Revolution in Frage käme.

Andererseits erscheint die Bedrohung der sozialen Evolution als der extreme Fall, der die ausnahmsweise Anwendung des politischen Massenstreiks rechtfertigen könne. Und entsprechend dem Parlamentarismus, den er schützen soll, erscheint hierbei auch der politische Massenstreik entweder als wirksamster, wenn auch nicht einziger "Faktor eines stetigen, organischen Fortschritts auf dem Wege .. der proletarischen .. Emanzipation",[96] oder geradezu als Voraussetzung des Sozialismus überhaupt.[97]

[96] Bernstein, "Ist der politische Streik in Deutschland möglich?"; Kampffmeyer, "Der Generalstreik und die Eroberung der ökonomischen Macht"; Bernstein, "Pol. M-str. u. pol. Lage", p. 8 ff., 34; ders. "Politischer Massenstreik und Revolutionsromantik"; Bernstein als Zeuge im Prozeß gegen Löbe, a. a. O.; v. Elm (Prot. Parteitg. Jena 05, p. 323; Jaurès, a. a. O.; — Olberg, "Der italienische Generalstreik", p. 22. — Hilferding, p. 142; Destrée und Vandervelde, p. 22; Bebel (Prot. Parteitg. Jena 05).

[97] "Hinter dem allgemeinen Wahlrecht muß stehen der Wille zum Generalstreik" (Hilferding, a. a. O. p. 139 ff.), der Generalstr. müsse die "regulative Idee" im Klassenkampf sein; z. B. von Vliegen ("Der Generalstreik als politisches Kampfmittel") als "Phrase" abgelehnt; (vgl. oben p. 14).

Theorie und Praxis des Generalstreiks in der modernen Arbeiterbewegung Inauguraldissertation

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