Читать книгу Theorie und Praxis des Generalstreiks in der modernen Arbeiterbewegung Inauguraldissertation - Elsbeth Georgi - Страница 15

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[118] "La démocratie ... opprime la minorité qui porte en elle l'avenir. La tactique de combat syndicaliste n'a aucun égard à la masse, qui ne veut pas vouloir, et met au premier rang ceux qui sont décidés à agir" (Pouget, cit. bei Bourdeau, p. 44; vgl. auch Lagardelle, "Die syndikalistische Bewegung in Frankreich", und Deville, "Revolutionärer und reformistischer Sozialismus in Frankreich", p. 26, 27). Jaurès (vgl. "Aus Theorie u. Praxis", p. 119 ff., und "Grève et Révolution" [Humanité, 5. Nov. 05]), der diesen Standpunkt ursprünglich bekämpfte, macht den Syndikalisten doch insoweit Konzessionen, als er zugibt, "la grève générale en France ... pourra communiquer à la masse lourde de la démocratie l'animation concentrée dans la classe ouvrière organisée. Elle pourra même abreger l'agonie du régime capitaliste".

Treten politische und wirtschaftliche Forderungen zusammen auf[119] so kann der Gesamtdruck hierdurch verringert oder verstärkt werden, je nach der Stellungnahme der Unternehmerschaft. Ist diese von vornherein zu unbedingter Ablehnung der wirtschaftlichen Forderungen entschlossen, so wird sie sich kaum für die Durchsetzung der politischen Wünsche bemühen, wenn deren Erfüllung den Streik doch noch nicht beendigen würde. Liegt den Unternehmern aber die politische Forderung selbst am Herzen, so kommen sie vielleicht ausnahmsweise den Arbeitern in ökonomischer Hinsicht entgegen, um deren Streikfähigkeit zu steigern.[120]

[119] Bei den meisten polit. M-streiks traten die Arbeiter auch mit spez. wirtschaftlichen Forderungen an die Unternehmer heran: schon beim Plug-Plot; in Belgien, usw.; auch 1894 von einem Teil der österr. Sozialdemokratie für den projektierten Wahlrechtsstreik geplant (vgl. Hueber, Prot. Parteitg. Wien 94, p. 58, Adler, Prot. Parteitg. Wien 05, p. 131).

[120] Dies soll in Rußland vorgekommen sein (vgl. z. B. Roland-Holst, "Der politische Massenstreik in der russischen Revolution", p. 216).

Ähnlich wie "zu den verschiedenen Arten des Streiks, der offenen Arbeitsunterbrechung, verhält sich der Klassenstreik zu denen der versteckten, der trotz formeller Weiterarbeit tatsächlichen Arbeitsunterbrechung, zu den Arten des verschleierten Streiks.

Seine legale Form bildet die sogenannte passive Resistenz oder Dienstobstruktion. Durch verabredete, peinlichste Befolgung eines den Betriebserfordernissen nicht, resp. nicht mehr angepaßten Dienstreglements wird der Arbeitseffekt so herabgesetzt, daß tiefgreifende Betriebsstörungen oder Betriebslähmungen eintreten, die den Wirkungen einer direkten Arbeitsverweigerung völlig gleichen. In großem Maßstab wurde diese Methode bisher nur im Eisenbahnbetrieb angewandt (in Italien und Österreich, wo sie völlig den Effekt eines Massenstreiks ausübte.[121] Die Dienstobstruktion ist wirklich eine "verteufelt schlaue Idee ..., wenn sie auch in der Praxis, weil zu fein zugespitzt, bald schartig werden kann";[122] "steht und fällt" sie doch mit dem Reglement, nach dessen zweckmäßiger Revision sie entweder erlöschen, oder den ihr eigentümlichen Boden formeller Legalität verlassen und in den Sabot[123] übergehen muß. Der Sabot bedeutet "systematisch langsam arbeiten oder Pfuscharbeit liefern",[124] "Unsichermachung des Betriebs, Zerstörung von Produktionsmitteln",[125] ist also völlig verwerflich.

[121] Vgl. Rdsch. Soz. Mh. Juni 05, p. 557-558; Olberg, "Nachträgliches zum Eisenbahnerstreik", p. 380, 381; Rudolf Graf Czernin, "Die Bekämpfung der passiven Resistenz", p. 7 ff.

[122] Soz. Prx. 1905, Nr. 22.

[123] Sabot = Hemmschuh, Radschuh, Bremse. — Lagardelle ("Die syndikalistische Bewegung in Frankreich", p. 119) nennt das englische Ca'canny als Ursprung der Sabotage; letztere müsse man übrigens "als ein Kampfmittel der Verzweiflung betrachten, welches in das System der an sich nötigen Werkstättearbeiten, das der Syndikalismus aufstellt, nicht gehört".

[124] Aus der Taktik der Confédération générale du Travail (vgl. "Antimilitarismus und Generalstreik", Beilage zu Nr. 11 der "Wahrheit").

[125] "Weckruf" 05, cit. in der N. Z. Z. vom 12./10. 05, Nr. 283.

Auch Demonstration und Insurrektion sind häufig mit Arbeitsniederlegung verknüpft und kommen dann, da sie zudem meist Ziele verfolgen, wie sie auch bei gewissen Klassenstreiks begegnen, diesen äußerst nahe.

Wenn z. B. die Versammlungs- oder Straßendemonstration durch Arbeitsruhe verstärkt wird,[126] so verwandelt sie sich bei genügender Ausdehnung und genügender Dauer in den demonstrativen Klassenstreik. Insbesondere kann dies bei der Maifeier der Fall sein. Die Maifeier war ursprünglich wohl als ein kurzer demonstrativer Weltstreik geplant.[127] Entstammt sie doch der gleichen Quelle, wie der anarchistische Generalstreik selbst;[128] möglich auch, daß der internationale Arbeiterkongreß in Paris 1889 für die internationale Kundgebung zum 1. Mai 1890 die Arbeitsruhe im Sinne hatte; doch enthielt er sich jeder Vorschrift über die Form der Kundgebung;[129] auch auf den folgenden nationalen und internationalen Kongressen wurde die Arbeitsruhe nur als "würdigste" und "wirksamste", daher erstrebenswerteste Form der Maifeier, keineswegs als deren Bedingung hingestellt.[130] Da zudem, neben Tendenzen zur Abschaffung der Maifeier[131] auch Bestrebungen aufgetaucht sind, aus praktischen Gründen von der Arbeitsruhe überhaupt ganz abzusehen,[132] so läßt sich die Maifeier höchstens als "tentative de grève générale",[133] nur ganz ausnahmsweise als wirklicher Klassenstreik ansehen.

[126] Durch die Arbeitsruhe soll die Wirkung der Demonstration in Bezug auf Eindrücklichkeit und Propagandakraft vertieft werden (vgl. Eckstein, p. 361; "'Der politische Streik' und der Staatsanwalt", a. a. O.; Bericht der Delegation der sozialdemokratischen Arbeiterpartei Rußlands ... p. 51; A. Rudolph, "Zur Maifeier"; Bernstein, "Pol. M-str. u. pol. Lage", p. 33, 34; ders. "Der Kampf in Belgien und der politische Massenstreik", p. 415, 416; Block, p. 563; Cohnstaedt, a. a. O.; Bömelburg (Prot. Parteitg. Jena 05, p. 233); Prot. Parteitg. Bremen 04, p. 193; Prot. Parteitg. Wien 1894, p. 62.

[127] Die Maifeier ist eine Demonstration "für die gesetzliche Einführung des achtstündigen Arbeitstags, für die Klassenforderungen des Proletariats und für den Weltfrieden" zwecks Aufrüttelung der "öffentlichen Gewalten" (vgl. die Protokolle der int. Kongr. von Amsterdam 04, p. 53 ff.; Paris 1889, p. 123; Brüssel 1891; Zürich 1893, p. 35; London 96, p. 29; Prot. Parteitg. Jena 05, p. 141).

[128] Im Dez. 1888 beschloß der Kongreß der Federation of Labour in St. Louis, am 1. Mai 1890 eine Kundgebung für die Arbeiterforderungen zu veranstalten (vgl. z. B. Flugschrift zum 1. Mai 1895 [Buchdruckerei des Schweizerischen Grütlivereins]).

[129] Prot. Int. Kongr. Paris 1889, p. 123.

[130] Kampffmeyer, "Zur Maifeierfrage"; Protokolle der int. Kongresse Brüssel 91; Zürich 93, p. 35; London 96, p. 29; Amsterdam 04, p. 53 ff.

[131] So z. B. auf der 9. Generalvers. des Zentralverbandes der Schiffszimmerer Deutschlands im Mai 05; doch wurde der diesbezügl. Antrag abgelehnt (vgl. Vorwärts, 25. 5. 05).

[132] Vgl. Prot. Gwft. Kongr. Köln 05; man wollte die Feier auf den Abend (Resolution Schmidt auf dem Gewerkschaftskongr. Köln), oder auf den ersten Sonntag im Mai verlegen (vgl. Prot. Gwft. Kongr. Köln; Rdsch. Soz. Mh., Juni 05, über den Kongr. der belg. Arbeiterpartei Ostern 05; Prot. int. Kongr. Brüssel 1891), wie dies tatsächlich in einigen Ländern geschehen ist (Prot. int. Kongr. Amsterdam 04, p. 53 ff.).

[133] Briand, "La grève générale et la révolution", p. 14.

Hingegen wird die Insurrektion wohl stets mit Arbeitsruhe verknüpft sein. Bei früheren Revolutionen, zur Zeit der Vorherrschaft der handwerksmäßigen Technik, mag die Arbeitsruhe freilich nur eine geringe Rolle gespielt haben, denn die unterbrochene Handwerksarbeit läßt sich nicht allzuschwer wieder aufnehmen, und wo etwa doch eine ernstliche Störung eintrat, berührte diese, wegen der Enge des Marktgebiets, nur einen verhältnismäßig kleinen Kreis; bei der heutigen industriellen Entwicklung aber dürfte die Revolution fast notwendig mit dem Klassenstreik verbunden sein.[134]

[134] Ein Beispiel hierfür scheint die russ. Revolution zu bieten.

Neben der Verweigerung der Produktionskraft des Proletariats tritt die allgemeine Zurückziehung seiner Konsumkraft aus dem bürgerlichen Wirtschaftsleben sowohl wegen der geringen proletarischen Kaufkraft, als auch wegen der fast unüberwindlichen Schwierigkeiten selbständiger Verproviantierung an Bedeutung vollständig zurück.[135] — Praktisch ebenso erfolglos ist die Zurückhaltung von Leistungen gegenüber dem Staat, sei es auf dem legalen Weg der parlamentarischen Steuerverweigerung oder des Boykotts steuerbelasteter Waren,[136] sei es in rechtswidriger Weise durch die militärische Dienstverweigerung oder eigenmächtige Steuerverweigerung.

[135] Schon in der Chartistenbewegung wurde "exclusive dealing" und "run on the banks for gold" (Gammage, p. 109), während der österr. M-streikdebatten Bezugsbeschränkung auf Konsumvereine und Kleinhändler vorgeschlagen (Prot. Parteitg. Wien 1903, p. 122ff.); es tauchte in Österreich auch der Plan auf, einen ev. pol. M-str. durch Verweigerung des Wohnungszinses zu unterstützen (Prot. Parteitg. Wien 1894, p. 105). Das Umgekehrte liegt bei den "Hungerstreiks" vor, wo nur das eigene Leben einer Gefahr ausgesetzt wird, um hierdurch zu demonstrieren, um "durch Imponderabilien, durch Furcht vor Skandalen, durch Erweckung menschlicher Empfindungen doch einen Eindruck zu erzielen" (vgl. Liebknecht, Prot. Parteitg. Bremen 04, p. 195).

[136] "Abstinence from all excisable articles" (Gammage) schon bei den Chartisten geplant, ähnl. in der österr. Wahlrechtsbewegung vorgeschlagen (Prot. Parteitg. Wien 03, p. 122ff.).

Theorie und Praxis des Generalstreiks in der modernen Arbeiterbewegung Inauguraldissertation

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