Читать книгу Der Club der Unzertrennlichen - Skandinavien-Krimi - Elsebeth Egholm - Страница 11

APRIL 1981

Оглавление

PERNILLE

Er war nicht immer da. Absolut nicht. Andererseits war auch sie nicht immer da. Manchmal mussten sie und Solveig ihr Luxusbad auf einen anderen Wochentag verlegen oder es ganz einfach ausfallen lassen.

Aber wenn er da war, dann passierte immer etwas mit ihr. Etwas Unerklärliches. Alles schien plötzlich besser auszusehen. Die Welt wurde ganz einfach schöner, und alle ihre dummen Probleme kamen ihr klein und lösbar vor.

Eigentlich wusste sie nicht viel mehr über ihn als damals, vor einigen Monaten, als er sie unters Wasser gedrückt hatte. Natürlich hatten sie manchmal am Beckenrand miteinander gesprochen, aber zumeist hatte es nur Blickkontakt und Lächeln und Grüße gegeben. Bis vor sechs Wochen, als er dann plötzlich nicht mehr gekommen war. Warum, konnte sie sich einfach nicht vorstellen.

Pernille ließ ihren Blick suchend durch das Becken wandern, in dem Solveig bereits umherplatschte. Auch an diesem Tag war er nicht gekommen. Vielleicht würde er nie wieder auftauchen, und sie kannte doch nur seinen Vornamen.

»Komm schon, Niller. Träum hier nicht rum!«, rief Solveig mit Lehrerinnenstimme.

Aber Pernille hatte noch immer keine richtige Lust, und deshalb setzte sie sich an den Beckenrand, ließ ihre Füße ins Wasser baumeln und ihre Gedanken in alle möglichen Richtungen schweifen.

Eigentlich war sie vor allem mit der Angst beschäftigt. Sie habe eine Angstneurose, hatte der Psychiater gesagt. Und das werde sich erst ändern, wenn sie selber die Kontrolle übernehme und sich einfach weigere, sich von dieser Angst tyrannisieren zu lassen. Er könne nicht mehr für sie tun und meinte, ihr Zustand sei nicht so schlimm, dass er ihr Medikamente verschreiben müsse. Immerhin ein Segen. Sie hätte sich auch geweigert. Wer wollte schon wie ein Zombie durch die Gegend laufen? Dann lieber ab und zu einen Angstanfall durchstehen.

»Verzeihung, aber ist der Stuhl neben dir noch frei?«

Das kam so unerwartet, dass sie zusammenfuhr.

Sie schaute hoch. Da stand er. Mit einem neckenden Lächeln in seinen Paul-Newman-Augen und nach der Dusche mit nassen Haaren. Er war nicht besonders groß. Aber er hatte etwas an sich, das ihn sehr präsent erscheinen ließ. Sie hatte versucht, sein Alter zu erraten und ihn auf einige Jahre älter als sich selber geschätzt, aber trotzdem nahm er seinen Platz im Raum ein wie ein richtiger Mann.

Pernille nickte nur.

»Natürlich.« Und dann platzte es aus ihr heraus:

»Wo hast du die ganze Zeit gesteckt?«

Sofort bereute sie es. Das war zu offensichtlich gewesen. Zu deutlich. Jetzt würde er sicher fragen, ob sie ihn vermisst habe.

Doch er setzte sich einfach nur und starrte mit ernster Miene das Becken an.

»Ich hatte persönliche Probleme, um die ich mich kümmern musste«, sagte er.

Ihr wurde ganz seltsam zu Mute, sie wusste jedoch nicht, warum.

»Ich hoffe, du hast sie lösen können.«

Er erwiderte ihren Blick. Sie konnte seine Miene nicht deuten. Er sah aus, als habe sie ihn mit irgendeiner Bemerkung verletzt.

»Irgendwie schon . . . ich hoffe, es war die richtige Lösung.« Dann saßen sie in unbeholfenem Schweigen da. Sie hatten noch nie ernsthaft miteinander gesprochen. Pernille platschte wieder ein wenig mit den Füßen im Wasser.

Er räusperte sich.

»Ich wollte fragen, ob du vielleicht nachher noch Zeit für einen Kaffee hast.«

In ihrer Überraschung schaute sie ganz schnell auf die Uhr. Wenn sie das Dampfbad sausen ließ, dann hatte sie bis zur Vorlesung Zeit genug. Und an sich konnte sie auch die Uni sausen lassen. Diese Stunde Wissenschaftstheorie konnte ja wohl noch warten. Außerdem war sie fast schon dazu entschlossen, ihr Geschichtsstudium an den Nagel zu hängen, sich einen Job zu suchen und sich in Ruhe zu überlegen, was sie mit ihrem Leben wirklich anfangen wollte.

»Das lässt sich machen. Wo wollen wir denn hin?«

In der Nähe gab es eigentlich kein passendes Café.

»Bist du mit dem Rad hier?«

Natürlich war sie das.

»Kennst du das Casablanca?«

»Diesen eleganten Laden mit den Spiegeln? Doch. Da war ich einmal«, gab sie zu.

»Dann treffen wir uns dort in einer Dreiviertelstunde. Ich bin mit dem Wagen da.«

»Er hat einen Wagen«, sagte sie verärgert zu Solveig, als sie danach unter der Dusche standen. Trotzdem konnte sie ihre Spannung nicht verbergen.

Solveig machte ein entsetztes Gesicht.

»Soll das heißen, dass er sich nicht überlegt hat, dass der private Automobilverkehr der größte Umweltverbrecher ist? Glaubst du, er engagiert sich kein bisschen für öffentlichen Nahverkehr und Pedalkraft?«

Pernille warf einen Schwamm, der mit gedämpftem Klatschen auf Solveigs Hinterteil auftraf.

»Du bist ja bloß neidisch!«

»Natürlich bin ich neidisch. Wenn du dir einen stinkreichen Heini mit eigener Erbfirma und eigenem Jaguar gekrallt hast, dann sterbe ich hier noch vor Neid. Vor allem, weil du das überhaupt nicht zu würdigen weißt«, sagte Solveig und warf den Schwamm zurück. Pernille fing ihn auf und ließ ihn in den Eimer für die benutzten Schwämme fallen. Sie sagte vage:

»Ich weiß so viele andere Dinge zu schätzen.«

»Als da wären? Gemütlichkeit zu Hause, Natur, Spaziergänge und Ehrlichkeit?«, schlug Solveig mit Anspielung auf ihren sonntäglichen Lieblingszeitvertreib vor, da lasen sie in den Zeitungen die Kontaktanzeigen.

»Was gibt’s dagegen einzuwenden?«, fragte Pernille verletzt.

Solveig blickte sie an. Zu Pernilles Überraschung waren ihre Augen feucht geworden. Oder war das nur Einbildung?

Ihre Umarmung ging ganz schnell. Nur eine kurze Berührung und ein feuchter Wangenkuss, als sie noch im Evaskostüm dastanden. »Pass gut auf ihn auf, Niller. Wenn er der Richtige ist, dann halt ihn um Himmels willen fest, und lass ihn nie im Leben wieder los.«

Das Café Casablanca sah tagsüber nicht so cool aus wie abends. Das Tageslicht schien die Magie der Spiegel viel leichter zu durchschauen und damit den Drang der Gäste, zu sehen und gesehen zu werden, auf eine ganz andere, unbarmherzige Weise bloßzustellen.

»Willkommen in den Achtzigern«, grüßte Poul. Er stand am Tresen und wartete auf sie.

»Angezogen siehst du ganz anders aus«, stellte sie fest, und beide lachten leicht nervös.

Aber das war die Wahrheit. Plötzlich ging ihr auf, dass sie ihn immer nur in seiner dunkelblauen, ziemlich neutralen Badehose und mit nassen Haaren gesehen hatte. Und jetzt stand er plötzlich vor ihr und zeigte einen Stufenschnitt wie ein schwedischer Schlagerstar und richtige Herrenhosen mit Bügelfalte und passendem Pullover über hellblauem Hemd – hier war nicht die Rede von Jeans und T-Shirt.

Sie versuchte ihn nicht anzustarren. Sein Aussehen sollte sie nicht umwerfen. Wir sind schließlich zur Toleranz erzogen, dachte sie und hoffte insgeheim, dass diese Toleranz auch noch weiter reichen würde.

Sie bestellten Cappuccino. Während die Kaffeemaschine die Milch in Schaum verwandelte, musterte Poul Pernille von der Seite her mit einem undefinierbaren Lächeln.

»Vielleicht sind wir beide anders, als wir erwartet hatten.«

Sie war noch nicht auf die Idee gekommen, dass ihr Aussehen ihn seinerseits überraschen könnte. Sie war ja schließlich normal angezogen. Alle Welt trug Anorak und Jeans. Na ja, unter dem Anorak hatte sie ja den selbst gestrickten Pullover mit den vielen kleinen Mustern. Und die selbst gestrickten Socken. Und den Rucksack mit der Atomkraft-nein-danke-und der Smiley-Plakette.

Sie schob verstohlen den Rucksack, den sie auf den Boden gestellt hatte, etwas weiter weg und merkte, dass sie keine Lust hatte, den Anorak auszuziehen, obwohl sie schwitzte. O verdammt. Das war ja ein netter Anfang.

Wieder musterte er sie neckend. Und dann lachte er mit seinen türkisblauen Augen, die immer so gut zum Boden des Schwimmbeckens passten, und alles, die ganze Klamottenfrage, war plötzlich nur noch gleichgültig.

»Was, zum Henker«, sagte er. »Schlips und Kragen oder Entenfüße, daraufkommt es ja wohl nicht an.«

Sie entspannte sich ein wenig mehr. Der Cappuccino wurde serviert. Sie wusste nie, ob sie zuerst umrühren oder ihn einfach so trinken sollte wie einen Irish Coffee. Sie hielt sich an Pouls Beispiel. Gab ein wenig Zucker hinein und rührte um. Nicht so sehr, dass der Schaum ganz verschwand, sondern so, dass er sich mit dem Kaffee vermischte und hellbraun wurde, nicht mehr weiß.

Sie setzten sich in eine der braunen Nischen auf der rechten Seite des Tresens.

»Das haben sie doch toll eingerichtet, findest du nicht? Ich glaube, sie haben die ganze Einrichtung aus Paris geholt«, sagte er.

Pernille schaute sich um in dem Café, dessen Wände mit französischen Plakaten aus den zwanziger und dreißiger Jahren geschmückt waren.

»Es sieht jedenfalls sehr französisch aus«, gab sie zu und spürte wieder, wie die Nervosität ihr unter die Haut kroch. Unfreiwillig fröstelte sie.

Das sah er und beugte sich vor, über den Tisch.

»Du bist hier nicht die Einzige, die nervös ist. Ich glaube sogar, dass ich noch nervöser bin als du«, sagte er auffällig langsam und ruhig. Er schien das Verhalten in Situationen, in denen die Nerven Arger machen können, trainiert zu haben.

Sie blickte ihn überrascht an und machte sich an ihrer Kaffeetasse zu schaffen.

»Wieso in aller Welt solltest du das sein?«

»Weil für mich viel auf dem Spiel steht.«

»Hast du eine Wette laufen, oder was?«

Er schüttelte den Kopf.

»So ist das nicht. Das ist kein Jux.«

»Aber was ist es dann?«

Er sprang auf.

»Was hältst du von einem Glas Wein? Ich glaube, ich könnte jetzt eins vertragen.«

Pernille schaute automatisch auf die Uhr.

»Es ist erst drei.«

Und sofort kam sie sich reichlich spießig vor.

»Na gut. Ein einziges Glas Weißwein.«

Bald daraufkehrte er mit zwei Gläsern zurück. Weiß für sie, rot für sich selber. Er setzte sich.

»Dann können wir auch besser anstoßen«, sagte er, noch immer auf diese langsame Weise. Doch jetzt sah sie die kleinen Schweißperlen auf seiner Oberlippe.

Sie sagte vorsichtig:

»Ich glaube, du wolltest mir etwas erzählen.«

Er faltete auf dem Tisch die Hände und setzte sich gerade, wie vor einem wichtigen Diskussionsbeitrag zu irgendeiner Fernsehdebatte.

»Ich habe während der vergangenen sechs Wochen versucht, dich mir aus dem Kopf zu schlagen. Aber das ist mir nicht gelungen.«

Sie wollte schon etwas sagen, freute sich aber, als er die Hand hob, um sie daran zu hindern.

»Lass mich erst ausreden. Du musst wissen, wer ich bin. Ich bin altmodisch. Ich glaube an Treue in einer Beziehung. Und an Offenheit. Ich wohne seit zwei Jahren mit einem Mädchen zusammen. Wir kennen uns seit dem Gymnasium, und ich habe ihr erzählt, dass ich mich in eine andere verliebt habe.«

Er starrte zur Decke hoch, als könne er dort seine weiteren Worte finden. Dann streckte er die Hand nach seinem Glas aus und trank es mit einem einzigen Zug halb leer.

»Ich bin vor drei Wochen ausgezogen. Ich wollte das so.«

Pernille schwieg. Dann nahm auch sie ihr Glas, trank und merkte, wie der Wein ihr das Sprechen ein wenig leichter machte.

»Ich weiß nicht, was ich sagen soll.«

Er lächelte, fast wie um Entschuldigung zu bitten.

»Du sollst eigentlich gar nichts sagen. Und du sollst dich auch nicht für mein Privatleben verantwortlich fühlen und glauben, ich wolle dich unter Druck setzen. Taktisch gesehen war es sicher dumm von mir, dir alles zu erzählen.«

Er holte sehr tief Luft.

»Ich hätte dich vielleicht lieber mit süßen Reden und billigem Portwein locken sollen. Aber in der Liebe war ich noch nie ein großer Taktiker«, fügte er leise hinzu.

Pernille schluckte und klammerte sich an ihrem eigenen Glas an. Sie schwiegen eine Weile. Sie versuchte, ihre Gefühle auszuloten. Eigentlich, fand sie, müsse sie mit Pouls Freundin solidarisch sein und Mitleid mit ihr haben. Aber sie kannte diese Frau nicht und stellte fest, dass es ihr absolut egal war, dass irgendwo in der Stadt eine verschmähte Geliebte saß und sich nach ihm sehnte. Das einzige, was sie empfand, war Dankbarkeit. Darüber, dass sie hier sitzen, ihn ansehen und spüren konnte, wie sie nacheinander brannten und wie die Kraft der Pole sie immer weiter über den Tisch zog, der plötzlich nur noch eine dumme, unpassende Sperre war.

»Gut, dass du den Wein geholt hast«, sagte sie endlich. »Soll ich nicht eine ganze Flasche besorgen?«

Er lächelte erleichtert und erhob sich.

»Das sollst du auf keinen Fall. Jetzt gebe ich einen aus.«

Zeit und Raum schienen plötzlich keine Bedeutung mehr zu haben. Es schien nichts anderes mehr zu geben als Pernille und Poul.

Sie redeten. Plapperten drauflos, über alles Mögliche, während sie in Wirklichkeit nur an diesem Tisch sitzen und einander in die Augen starren und sich freuen wollten, lächeln und lachen, die ganze Zeit, bis ihnen schließlich die Wangenknochen wehtaten.

Poul ging auf die Handelshochschule und studierte Wirtschaftswissenschaften. Das konnte sie nicht begreifen, sagte sie. Verstand nicht, was irgendwen ins Wirtschaftsleben locken konnte. Konnte auch nicht verstehen, wie sie sich für jemanden erwärmen konnte, der sich für eine solche Ausbildung entschieden hatte. Sie studierte Geschichte, war überzeugte Sozialistin und müsste ihn eigentlich verabscheuen. Das fanden sie sehr komisch.

Schließlich hatten sie keinen Wein mehr, und sie mussten die Entscheidung treffen, die die ganze Zeit über ihnen in der Luft geschwebt hatte.

»Ich kann dich nicht zu mir nach Hause einladen, ich wohne im Moment nämlich bei meinen Eltern«, sagte er.

Damit hatte er ihr den Ball zugespielt. Eine innere Stimme sagte ihr, dass sie seine Achtung gewinnen könnte, wenn sie es ihm nicht zu leicht machte. Aber dazu hatte sie verdammt noch mal keine Lust.

»Ich hab ein Zimmer, wenn du damit leben kannst. Aldersrovej. Ich lad dich zu einem Tee ein.«

»Kaffee.«

»Tut mir Leid. Ich hab bloß Tee . . . aber ich kann sicher bei den Nachbarn etwas klauen.«

Als sie mit dem Taxi nach Trøjborg fuhren, wobei ihr Fahrrad hinten an einem Gestell befestigt war, dachte sie kurz darüber nach, wie Poul reagieren würde, wenn Asger zu Hause wäre. Asger studierte Theologie. Und zwar seit elf Jahren. In seinem Zimmer standen zwei riesige gebrauchte Fernsehapparate, an denen ein selbstklebender Zettel mit der Aufschrift: »Nimm zwei für 9,95« befestigt war. Dann gab es noch Jes und Lars, die beiden Kommilitonen, die niemals spülten und Töpfe und Pfannen so lange benutzten, bis die Spaghetti Löcher in den Boden fraßen und die Essensreste zum Leben erwachten. Abends lasen sie einander laut Comics vor, wenn sie in ihren gegenüberliegenden Zimmern bei offener Tür im Bett lagen, und riefen alle schönen Comicausdrücke quer über den Flur: Kadonk, urggh, Schwisch, Uach, Wambam. Jes war schwul, und Pernille hatte das Gefühl, dass Lars demnächst sein Coming-out haben würde.

Sie hoffte wirklich, dass keiner von den Nachbarn zu Hause sein würde.

Aber das waren sie natürlich. Denn es war jetzt inzwischen Abendbrotzeit, und Jes und Lars kochten, die ganze Treppe bis zum fünften Stock stank schon nach Knoblauch und Büchsentomaten.

»Hiiimmel, Perniiiille, was hast du denn da mitgebracht? Ist der für mich?«, fragte Jes und musterte Poul von Kopf bis Fuß.

Poul reichte ihm höflich die Hand und stellte sich vor. Lars wischte sich ganz schnell die Hände am Spüllappen ab und machte eine übertriebene Verbeugung.

»Ja, entschuldigt bitte das Chaos. Wir sind nämlich Künstler. Da darf man das.«

Pernille schaute Poul nicht an, sondern lief weiter über den Flur zu ihrem eigenen Zimmer.

»Jetzt hole ich Kaffee«, sagte sie nervös und glaubte plötzlich, seine Gedanken lesen zu können, als er auf dem Boden die Matratze mit der bunten mexikanischen Decke, die tönerne Öllampe und an der Decke die chinesische Reislampe sah. In einer Ecke standen ihre Chinaschuhe, die sie als Pantoffeln benutzte.

Sie hatte schon die Tür erreicht, als er die Hand nach ihr ausstreckte, sie um die Taüle fasste und sie an sich zog. Sie spürte, wie ihr Herz ängstlich unter ihrer Bluse umherhüpfte, und wehrte sich nervös. Aber er hielt sie fest, beharrlich und entschlossen.

»Ganz ruhig«, murmelte er. »Das ist doch alles egal. Hab keine Angst.«

Das war der erste Kuss. Nur ein Kuss. Aber er war auch Balsam für ihre ausgefransten Nervenenden, und sie hatte sich danach gesehnt.

»Ist die Tür abschließbar?«, flüsterte er ihr ins Ohr.

Sie hakte den Riegel ein, und er zog sie zur Matratze. Für einen Moment spielte sie mit dem Gedanken, ihm zu erzählen, dass sie zwei Matratzen hatte und eine neben die andere legen könnte. Aber sie hatte jetzt Angst vor einer Unterbrechung. Angst davor, die Magie könne verschwinden. Diese zerbrechliche Magie, die immer dann verflog, wenn das Gegenüber die Socken anbehalten wollte.

Doch das passierte nicht. Die Magie war wie eine treue Zuschauerin, als sie einander ungeduldig die Kleider vom Leib rissen.

»Jetzt kann ich dich viel besser kennen lernen«, murmelte er.

Und sie liebten einander, als ob das Wort »später« nicht existiere.

Doch später kam. Als sie immer noch in der gegenseitigen Wärme lagen und sein Gesicht so dicht an ihrem war, wie es noch kein Gesicht geschafft hatte, so lange sie sich erinnern konnte.

»Ich möchte dir noch etwas sagen«, murmelte er.

Wieder setzte ihr Herz aus. Eine bange Ahnung machte sich bemerkbar.

»Was denn?«

Er seufzte.

»Es ist wirklich nicht wichtig. Für mich wenigstens nicht.« Ihre Angst wuchs.

»Was denn?«

Er küsste sie sanft, wie zur Beteuerung.

»Ich bin zweiter Vorsitzender bei der KU.«

Im ersten Moment, als er das gesagt hatte, empfand sie nichts. Aber tief in ihr spürte sie, dass ein Haken zuschnappte.

»Bei der Konservativen Jugend-Union?«, fragte sie dumm. Denn der Name dieser Erzfeindin war ihr schließlich nur zu vertraut.

Der Club der Unzertrennlichen - Skandinavien-Krimi

Подняться наверх