Читать книгу Der Club der Unzertrennlichen - Skandinavien-Krimi - Elsebeth Egholm - Страница 8
OKTOBER 1997
Оглавление»Bist du sicher, dass das geht? Ich kann doch mit der Bahn fahren.«
Isabel schaute auf die Uhr, während Mettes Volvo Geländewagen über den Randersvej dröhnte. Pernille hatte das Angebot angenommen, sie nach der Beerdigung in ihr Haus in Risskov zu begleiten. Pernilles vierzehnjähriger Sohn Thomas verbrachte das Wochenende bei seinem Vater.
»Natürlich. Wir haben jede Menge Platz. Ich muss nur kurz bei Mackies vorbeischauen. Da gibt es gute Pizzen zum Aufbacken. Donald und Marie sind verrückt danach.«
»Und was ist mit Malthe?«
Mette lächelte Isabel im Rückspiegel strahlend vor Mütter-lichkeit an.
»Der ist noch zu klein für Pizza, damit du’s weißt.«
»Aber die muss doch sicher erst mal belegt werden«, warf Pernille dazwischen.
»Ich freue mich darauf, ihn kennen zu lernen«, sagte Isabel höflich über Mettes acht Monate alten Sohn. Sie hatte keine Ahnung von Kindern und wusste nicht, in welchem Alter die was zu sich nehmen konnten.
Das Auto legte eine scharfe Kurve ein. Fast hätten die Bremsen dabei aufgekreischt. Pernille klammerte sich auf dem Beifahrersitz an ihren Sicherheitsgurt, und auch Isabel hinten schnallte sich an. Sie hatte ganz vergessen, dass Mette Auto fuhr wie andere Leute auf dem Rummelplatz Autoscooter.
Sie waren länger im Gasthaus geblieben, als sie erwartet hatten. Isabel hatte eingesehen, dass sie die für den folgenden Tag angesetzte Probe mit einem der Geiger des Konservatoriums absagen musste. Sie hatte im Grunde auch gar keine Lust, nach Kopenhagen zurückzufahren. Und auch Pernille schien nicht von Heimweh nach ihrer Wohnung in der Tunøgade geplagt zu werden.
»Dann kommt doch mit«, hatte Mette gesagt. »Für eine, die Henkell Trocken mag, ist immer Platz.«
»Freixenet«, korrigierte Pernille, die nicht einmal im Traum auf die Idee kommen würde, Henkell Trocken zu trinken, was Mette übrigens sehr gut wusste.
»Das wird uns nicht auseinander bringen«, sagte Mette friedlich.
Im Wagen schwieg Pernille eine Weile, während Mette erst zu Mackies Pizzeria und dann zum Haus in Risskov fuhr. Eine nervöse Anspannung schien sich der Freundinnen bemächtigt zu haben.
»Ich hoffe, sie hat sich noch verlieben können«, sagte Mette plötzlich.
»Wer denn?«, fragte Isabel, die genau wusste, von wem hier die Rede war.
»Ich glaube nicht, dass Solveig jemals richtig verliebt war. Nicht in den Jahren, in denen ich sie gekannt habe.«
Das stimmte. Das wusste Isabel. Sie starrte in die Oktoberdunkelheit und auf die sparsame Straßenbeleuchtung. Es hatte Männer gegeben, natürlich hatte es das. Aber niemals hatte sie Solveigs Augen mit dieser besonderen Glut leuchten sehen; niemals hatten sie ihren selbstständigen eigenen Tanz aufgeführt, wie verliebte Augen das nun einmal machen, ob wir das wollen oder nicht.
Isabel dachte daran, wie lange sie selber schon nicht mehr verliebt gewesen war. Wenn sie jetzt sterben müsste, würden die anderen vielleicht auch sie bedauern.
Pernille murmelte eine unverständliche Bemerkung. Sie ist müde, dachte Isabel. Sie waren alle müde. Vielleicht hätte sie doch lieber gleich nach Kopenhagen zurückfahren sollen.
Mette blinkte und bog in eine stille Wohnstraße ab.
»Hier sind wir. Nicht Villa, Volvo und Wauwau, sondern Kids, Carport und Katze«, sagte Mette in betont munterem Tonfall. Sie fügte hinzu: »So drückt mein Mann das immer aus.«
Isabel hatte die Familie in Risskov nur wenige Male besucht. Zum einen war sie nicht gerade begeistert von Mettes Mann, Donald. Zum anderen war sie auch von Siamkatzen nicht gerade begeistert. Und da Mette sieben zur Zucht – und bisweilen mehrere Würfe Junge – hatte, empfand sie das als akzeptable Entschuldigung für sich. Wenn sie dann noch auf die beiden Kinder verwies, auf die neunjährige Marie, die von ebenso undurchschaubarem Wesen war wie ihr Vater, und auf Malthe, der noch zu klein war, um ihr besonders viel zu sagen, dann wurde die Entschuldigung vielleicht noch besser. Aber so gut sie auch sein mochte, sie war eben doch nur eine Entschuldigung.
Die Katzen hatte sie ansonsten total vergessen. Was die Katzen aber nicht lange hinnahmen. Kaum hatten die drei Freundinnen das Haus betreten, als auch schon drei blauäugige, silberglänzende Wesen auf sie zujagten und sich an Mettes Beinen anschmiegten, während sie die Fremden aus feindseligen, saphirblauen Augen musterten. Ihr Miauen brachte die Luft zum Zittern.
»Hallo, Barnaby, he, Oliver und Dodger«, grüßte Mette, während die Katzen sie in ihr unsichtbares Netz aus Zuneigung einspannen. Die anglophile Mette hatte sie allesamt nach Personen aus den Romanen von Charles Dickens benannt.
»Ja, du meine Güte, da haben wir ja den ganzen Leichenzug«, sagte eine Stimme hinter ihnen. Isabel drehte sich um.
»Hallo, Donald, long time, no see.«
Mettes Mann trat einen Schritt vor. Instinktiv wich Isabel einen Schritt zurück. Pernille erhielt den ersten Wangenkuss. Danach ließ auch Isabel ihre Wangen kurz streifen. Donalds Haut war glatt und duftete nach irgendeinem schweinisch teuren Wässerchen.
»Das mit eurer Freundin tut mir Leid.«
Er schien das Wort »Freundin« mit einer für Isabels Ohren spöttischen Distanz auszusprechen.
»Danke«, murmelte sie. »Es war ein ziemlicher Schock.«
»Mmm«, sagte er und blickte sie aus seinen viel zu intelligenten Augen an, die sie immer so sehr an die blöden Siamkatzen erinnerten.
Dieses Gefühl überkam sie wie ein Déjà-vu-Erlebnis. Das Gefühl, das sich immer einstellte und sie durcheinander brachte, wenn sie mit Mette und Donald und den übrigen Angehörigen der Kinder- und Tierwelt dieser beiden zusammen war. Dabei, dachte Isabel, schienen sie allesamt fast unmerklich in einen anderen Tonfall überzuwechseln.
Er war Amerikaner und er war ungeheuer intelligent. Er war außerdem ein Prahlhans und ein Mistkerl, davon war Isabel ehrlich überzeugt, auch wenn sie von seinem beharrlichen Blick hinter den diskreten Brillengläsern fasziniert war. Diskret und teuer, wie alles an ihm, vom Mulberry-Halstuch bis zu der breit geriffelten Cordhose, die er garantiert bei Ralph Lauren gekauft hatte, einer anderen von seinen Lieblingsmarken. Wenn er Haare auf dem Kopf gehabt hätte, wäre er sicher der Typ gewesen, der nur zu dem Zweck nach London fliegt, um sie sich schneiden zu lassen. Aber dieses Problem hatte sich gelöst, denn er war zwar in mancher Hinsicht ein gut aussehender Mann, aber er hatte auch eine Vollglatze, was ihn maßlos ärgerte, das wusste Isabel.
»Bitte, nehmt Platz. Seine Hoheit hat sich schon gesetzt«, forderte Donald sie auf und flatterte mit ausgestrecktem Arm in Richtung Küche davon. Dort saß ein Baby in einem hohen Kinderstuhl und schaute die Besucherinnen mit ernster Miene an.
»Setzt euch doch einfach ins Warme«, fügte Mette atemlos hinzu, während sie ihren Mantel an einen Haken hängte. »Marie und ich müssen noch schnell die Raubtiere füttern.«
Sie verpasste ihrem Sohn einen lauten Schmatz und lief, gefolgt von den Katzen, über den Flur zur Waschküche. Das ungeduldige Geschrei der Tiere hallte im ganzen Haus wider.
Über Donald ließ sich vieles sagen, aber Gäste brauchten bei ihm niemals lange zu darben.
»Wir können sicher schon mal anstoßen, auch wenn die Gnädige noch mit Füttern beschäftigt ist«, sagte Donald. Er schenkte Rotwein ein, trank ihnen höflich zu und erkundigte sich nach der Beerdigung. Pernille erzählte bereitwillig. Isabel merkte, dass der Wein ihr bis in die Zehen hinunter gut tat und dass von unten die Wärme in ihr aufstieg. Versuchsweise griff sie nach Malthes kleiner Hand. Die schob sich weich und willig in ihre, während der Kleine mäuschenstill dasaß und die Gäste anstarrte. Er hatte ungeheure Ähnlichkeit mit Mette. Klein, schmächtig und dunkelhaarig, aber mit einem alabasternen Schimmer auf der Haut.
»Er hat ihren Teint«, sagte Donald, als habe er Isabels Gedanken gelesen.
»Wessen Teint?«
Mette kam zurück, gefolgt von Marie.
»Deinen, mein Schatz. Schneewittchen an einem frostklaren Tag.«
Marie schnaubte verächtlich und lehnte sich an den Rahmen der Küchentür.
»Komm herein, und sag Guten Abend«, sagte Mette lächelnd. »An Isabel kannst du dich doch sicher erinnern, oder? Und Pernille kennst du auch.«
Das Kind rührte sich nicht und starrte zuerst Isabel und dann Pernille an. Sie hatte die Augen ihres Vaters.
»Hallo«, murmelte sie fast unhörbar und ging dann zum Tisch, um die Pizzakartons zu öffnen.
»Hast du keine mit Peperoni gekauft, Mette?«
Isabel hatte immer schon darüber gestaunt, dass Marie ihre Mutter beim Vornamen nannte. Das hatte niemand sie so gelehrt. Sie tat es einfach.
»Doch, natürlich hab ich. Ist die nicht dabei?«
»Ich kann sie nicht finden . . . falls du nicht die hier meinst.«
Marie hielt Mette den Karton unter die Nase.
»Die sieht doch ganz richtig aus«, nickte Mette.
Wortlos nahm das Kind zwei Stück Peperoni von der Pizza. Darunter lagen kleine grüne Pfefferkörner.
»Du hast die mexikanische gekauft«, sagte Marie mit hasserfüllter Stimme. »Die kann ich nicht ausstehen.«
Mit diesen Worten verließ sie die Küche.
»Du meine Güte«, murmelte Pernille. »Was für eine kleine Dame!«
Mette setzte sich mit verletzter Miene.
»Ich habe doch ausdrücklich um Peperoni gebeten«, sagte sie dann.
»Aber offenbar nicht deutlich genug«, meinte Donald.
Isabel hatte gehofft, dass Donald sich zurückziehen würde, wenn die Kinder im Bett lagen. Doch erst, als der Kaffee getrunken und der letzte Rest Wein verschwunden war, erhob er sich und wünschte eine gute Nacht.
»Ich muss noch ein Projekt zu Ende bringen, deshalb überlasse ich euch jetzt euch selber und eurem Gewissen«, teilte er mit einer kleinen Verbeugung mit.
Mette lächelte ehefrauenhaft, als er ihr einen Kuss auf die Stirn drückte.
»Later, honey.«
Sie hörten dem gedämpften Saxofonspiel im Radio ein wenig zu. Dann erhob sich Mette, und Isabel ging davon aus, dass das das Zeichen zum Aufbruch war, und sie und Pernille ins Gästedoppelbett folgen sollten.
»Moment noch«, sagte Mette über ihre Schulter gewandt und erschien gleich darauf mit einer Flasche Hennessy XO und drei Gläsern. »Sollen wir uns nicht erst die richtige Bettschwere geben?«
Pernille hob eine Augenbraue.
»Donalds?«
»Morgen gibt’s Ärger. Aber daran wollen wir jetzt nicht denken.« Mit diesen Worten öffnete sie die Flasche und goss die warme, würzige Flüssigkeit in die Gläser.
»Auf Solveigs Leben. Auch wenn es nur kurz war, hat es doch große Freude bereitet. Jedenfalls uns anderen«, fügte sie leise hinzu.
»Und obwohl es an Verliebtheiten mangelte, hatte es auch seine lichten Momente. Die muss es einfach gehabt haben«, erklärte Isabel.
»Es gibt auf der Welt noch andere Dinge als Verliebtheit«, sagte Mette.
»Was denn?«, fragte Isabel neckend.
»Sex.«
Pernille prustete los.
»Ausnahmsweise sprichst du mir voll aus der Seele.«
Aber Mette war ernst geblieben.
»Ich glaube aber auch nicht, dass Solveig ein Sexualleben hatte«, sagte sie leise.