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Zwei Systeme im Wettbewerb

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Wie gesagt − die Bundesbeschlüsse legen nicht fest, wie die berufliche Qualifizierung erfolgen soll. Im Gewerbe entwickelte sich in den 1890er-Jahren eine rege Diskussion, ob dem schulischen Weg via Vollzeitausbildungen an Fachschulen und Lehrwerkstätten oder eher dem betrieblichen Weg im Lehrbetrieb mit begleitendem Theorieuntericht an berufsorientierten Fortbildungsschulen den Vorzug gegeben werden soll. Nach Studienreisen und verschiedenen «Enquêtes» [1882a] fordern 1887 massgebende Mitglieder des Schweizerischen Gewerbevereins die Einrichtung von Lehrwerkstätten zur Hebung der Konkurrenzfähigkeit des einheimischen Handwerks. 1895 wird aber zugunsten der Meisterlehre entschieden: Der Schweizer Gewerbeverein beschliesst, die Einrichtung von Lehrwerkstätten nur noch als Ergänzung zur Meisterlehre zu unterstützen, beispielsweise wenn es an fähigen Meistern zur Ausbildung des Nachwuchses fehlt. Als Grund für den Entscheid zuungunsten der Lehrwerkstätten werden die grossen Kosten dieser Einrichtungen für die Öffentlichkeit und die Lehrlinge selbst erwähnt.

Die Diskussion um den besseren Weg zur Vermittlung einer beruflichen Grundbildung flackert immer wieder etwas auf, wobei sich die Argumente nicht stark verändern. In den 1970er-Jahren, als die Berufslehre heftig kritisiert wird und es an Lehrstellen mangelt, wird die Diskussion um die beiden Wege zum Inhalt emotionaler Debatten zwischen «links» und «rechts». In politischen Vorstössen, die in mehreren Volksinitiativen gipfeln, wird die Ergänzung der von den Arbeitgebern dominierten Betriebslehre durch staatlich geregelte und finanzierte Lehrwerkstätten gefordert. Das Stimmvolk lehnt diese Forderungen durchwegs ab.

Inzwischen erstarkt − unbesehen von der grossen Politik − eine neue Entwicklung: In der Westschweiz ist ab 1967 von einer «formation mixte entreprise-école» die Rede. Im Kanton Genf wird 1969 die «apprentissage combiné» gesetzlich geregelt. Bundesrat Brugger erwartet 1971 «die Weiterentwicklung der Meisterlehre zur ‹kombinierten Lehre›». Bei der Revision 1978 ist von der Ablösung des dualen Systems durch ein «triales» die Rede. (Bundesrat 1977, 683)

Mehr zu Berufs- und Fachschulen im 18. und 19. Jh. in Kap. 21, zu Berufsschulen im 20. Jh. in Kap. 22

Für die Industrie ist die kombinierte Lehre nichts Neues: In der Industrie werden seit Jahrzehnten ein oder zwei Jahre (betriebsinterne) Lehrwerkstätte mit zwei bis drei Jahren Lernen in der Produktion kombiniert. 1978 werden die im BBG 1963 erstmals erwähnten «Einführungskurse» obligatorisch erklärt, jedoch mit der Möglichkeit, sich davon zu befreien (Art. 16 BBG 1978). In den 1990-er Jahren entstehen zuerst in Genf, später auch im Tessin und in der Deutschschweiz Einrichtungen, in denen im ersten Lehrjahr Theorie und Praxis vermittelt wird, bevor die Lernenden dann ihre Ausbildung in einem Betrieb fortsetzen. [Basislehrjahr] Anderseits lassen manche öffentlichen Lehrwerkstätten die Lernenden im letzten Lehrjahr in Betrieben arbeiten.

Die berufsorientierten Fortbildungsschulen werden Anfang des 20. Jahrhunderts in Berufsschulen umbenannt und 2004 in Berufsfachschulen. Da es in diesem Buch in erster Linie um die Entwicklung im 20. Jahrhundert geht, verwende ich meist den Begriff «Berufsschule» Wt

Kurz − es kommt zu Mischformen zwischen der klassischen Meisterlehre und der schulisch organisierten Ausbildung. Im BBG 2002 wird festgehalten, dass die Betriebslehre «in der Regel» an drei Lernorten stattfindet: Berufsschule, Lehrbetrieb und einem «dritten Lernort», in dem nicht Aufträge der Kunden die Strukturierung des Lernens bestimmen, sondern didaktische Überlegungen.

Aus dem «Nebeneinander» oder sogar «Gegeneinander» ist ein «Miteinander» im Entstehen, allerdings nur auf der didaktischen Ebene. Faktoren wie die Bestimmung der Zahl der Ausbildungsplätze und damit der Bildungsmöglichkeiten der Jugendlichen bleiben klar in der Hand der Lehrbetriebe.

Berufslehre versus Lehrwerkstätte – siehe Kapitel 27

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