Читать книгу Berufsbildung (E-Book) - Philipp Gonon, Emil Wettstein - Страница 3
Vorwort des Herausgebers
ОглавлениеNach über 30 Jahren hat Emil Wettstein sein im Jahr 1987 bei Sauerländer erschienenes Buch über die Entwicklung der Berufsbildung überarbeitet und durch Ausführungen über die jüngste Geschichte ergänzt. In diesen 30 Jahren hat die Schweizer Berufsbildung eine ihrer schwierigsten Phasen durchlebt, als nach der Lehrstellenkrise in den 1990er-Jahren eine Kantonalisierung der Berufsbildung drohte. Sie hat mit dem neuen Bundesgesetz von 2002 aber auch eine Aufwertung erfahren, die zum nationalen und internationalen Erfolg der letzten Jahre geführt hat.
Die Überarbeitung der Ausgabe von 1987 war wichtig, um die letzten Entwicklungsetappen nachzuzeichnen und auch einige Aspekte aus der Vergangenheit neu zu beleuchten. Möglich wurde dies auch dank wissenschaftlicher Untersuchungen zur Geschichte der Berufsbildung, die ab den 1990ern durchgeführt wurden und dank denen nun ein breiteres wissenschaftliches Fundament für die Rekonstruktion der Geschichte der Berufsbildung in der Schweiz zur Verfügung steht.
Die Notwendigkeit und Dringlichkeit dieser Neufassung des Werks von Emil Wettstein rühren aber auch daher, dass erkannt wurde, wie wichtig es ist, die historische Dimension zu berücksichtigen, wenn man verstehen will, wie die Berufsbildung in der Schweiz im Detail funktioniert. Bei der Aufgliederung ihrer Komplexität kommt man nicht um die historischen Faktoren herum, denn nur mit ihnen lassen sich einige Besonderheiten des Schweizerischen Berufsbildungssystems erklären.
Die Anerkennung der Berufsbildung kontrastiert jedoch auch stark mit dem Nichtwissen vieler Akteure über ihre Vergangenheit, denn historische Aspekte wurden lange ignoriert oder ins Anekdotische verklärt. Wer von den Akteurinnen und Akteuren der Berufsbildung kennt schon die Jahreszahl des ersten Berufsbildungsgesetzes und wie viele können die damals schwierigen jahrzehntelangen Verhandlungen zwischen der Politik und Wirtschaft schildern, bis schliesslich und endlich das erste Schweizer Berufsbildungsgesetz 1930 verabschiedet und 1933 in Kraft gesetzt werden konnte. Damit war der entscheidende Wendepunkt erreicht: Das duale System und die öffentlich-private Partnerschaft, die richtigerweise so gepriesen werden, festigten sich und etablierten sodann ein Gleichgewicht, das grosso modo heute noch besteht.
Die Sichtweise auf die Geschichte der Berufsbildung begann sich zu ändern, und es ist kein Zufall, dass historische, rechtliche und systemspezifische Aspekte der Berufsbildung in den letzten Jahren in die Curricula der Ausbildung von Berufsbildungsverantwortlichen Eingang gefunden haben.
Anderseits haben die jüngsten internationalen Erfolge des Schweizer Modells ein verstärktes Interesse für deren geschichtliche Hintergründe hervorgerufen. Bei der Begegnung mit Expertinnen und Experten aus anderen Ländern, die das Schweizer System kennenlernen möchten, zeigt es sich, dass der historische Ansatz bei der Darstellung oft unverzichtbar ist. In den Gesprächen mit ausländischen Partnern tauchen oft auch interessante Fragen auf: Wie konnte die Schweiz ein duales Berufsbildungsmodell entwickeln? Warum sind die Schweizer Unternehmen bereit, sich so stark für die Berufsbildung junger Menschen zu engagieren? Diese Fragen können nur beantwortet werden, wenn man einen Blick zurück in die eidgenössische Vergangenheit wagt.
Diese Vergangenheit reicht – wie Emil Wettstein in seinem Buch sehr schön nachzeichnet – bis weit ins Mittelalter zurück, als die Zünfte für das Erlernen eines Berufs die Lehre einführten.
Die Vergangenheit zeigt aber auch, welche Fortschritte nach scheinbar geringfügigen Entscheidungen und vielen Kompromissen erzielt werden konnten. So ist schliesslich um die Jahrhundertwende von 1900 aus der traditionellen Lehre der Zünfte das duale System entstanden, das wir heute kennen.
Das überarbeitete Buch von Emil Wettstein bietet somit eine solide Grundlage, die viele Eigenheiten des Schweizer Berufsbildungssystems begreiflich machen und dabei helfen kann, dessen heutige Funktionsweise besser zu verstehen. Es enthält eine Vielzahl präziser und klar dargestellter Informationen in einer eingängigen Textstruktur. Ergänzend wird eine umfassende Liste mit Dokumenten angeführt, anhand deren Interessierte die angesprochenen Themen im Internet weiter vertiefen können.
Wir wünschen diesem Buch anhaltenden Erfolg und vor allem, dass das Wissen über die Entwicklung der Berufsbildung auch bei den verschiedenen Akteurinnen und Akteuren stärker ins Bewusstsein rückt. Denn dies ist unerlässlich, wenn wir das Schweizer System besser verstehen und so auch besser lenken sowie an die Herausforderungen der Zukunft anpassen wollen.
Stephan Campi
Nationaler Leiter Ausbildung
Eidgenössisches Hochschulinstitut für Berufsbildung EHB