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Bei Zibulkes war Polterabend gewesen. Alle Bewohner des Hauses hatten vor der Tür alte Schüsseln und Töpfe zerschmettert und sich durch Kreischen und Rufen kenntlich zu machen versucht, damit »der olle Zibulke« merkte, welcher von seinen Mietern Gustchen das Hochzeitsglück am meisten gönnte.

Frau Zibulke hatte in der guten Stube auf dem Sofa gesessen und auf die Stimmen draußen gelauscht. »Det is die Reimann, die eben wat zerteppert hat und jetz so jauxt – die denkt, du wirst ihr wieder nich steigern, wenn sie ’n ollen Milchtopp ohne Schnauze vor die Türe schmeißt. Aber da chneidet sie sich – die rujeniert ja mehr Jummischeiben ins Jahr, als du Miete von sie kriegst!«

»Weeß ick, kenn’ ick! Rege dir heite bloß nich uff, Mutter«, sagte Herr Zibulke. Er saß, die Beine in den großkarierten Hosen übereinandergeschlagen, in der Ecke beim Ofen und besah sich die Einrichtung des Zimmers, das er sonst das ganze Jahr nicht betrat, weil er sich darin immer unbehaglich fühlte. Und ihm schien es, daß dieser Raum früher doch viel hübscher gewesen war, damals, als er sich in jungen Jahren zuerst eingerichtet hatte. Da war ein Mahagonischränkchen gewesen mit goldrandigen Tassen und Porzellanfiguren, kleine Bilderchen, Daguerreotypen von den Eltern und Lithographien. Aber als dann Gustchen herangewachsen war, hatte seine Frau den »ollen Krimskrams« nicht mehr gemocht, und sie hatten sich modern eingerichtet. Man hatte ein Klavier gekauft, auf dem niemand spielte, ein Zylinderbüro, auf dem ein Tintenfaß prangte, in das niemals Tinte gekommen, weil es zu schade dazu war; dann die Plüschgarnitur mit den »Franchen« – die eigentlich ebenfalls für den Gebrauch zu schade war und deshalb sonst durch Leinenbezüge geschützt wurde. Über dem Sofa hing ein Regulator, der immer stillstand, rechts und links davon befanden sich die Öldrucke Kaiser Wilhelms I. und seiner Gemahlin, und auf dem Vertiko, in einer blauen Glasvase, die Herr Zibulke in einer Würfelbude auf dem Spandauer Bock gewonnen, steckte ein Strauß künstlicher Blumen, die von den Hüten seiner Frau stammten. Zwischen den beiden Fensterchen stand eine Kommode, bedeckt mit einer Decke, die Gustchen im Laufe etlicher Jahre selbst gehäkelt hatte, darauf ein rundes Glas mit einem Goldfisch, der gleich allen seinen Vorgängern die »Miereneier« – wie Frau Zibulke die getrockneten Ameisenpuppen nannte – nicht fressen wollte, deshalb auch gar nicht mehr gefüttert wurde. Starb er, so wurde ein neuer Fisch gekauft, der dann um die künstliche rote Korallenbank, mit der man sein Heim geziert, melancholisch kreiste, die Miereneier wieder ausspuckte, wenn er sie durch Zufall einmal geschluckt, und schließlich, nach längerer oder kürzerer Zeit, eines Morgens tot auf dem Rücken trieb. Und neben diesem Glase lag ein dickes, ledergebundenes Album mit den Fotografien derer, für die die »Gute Stube« geschaffen worden war, von Leuten, die daheim auch eine »Gute Stube« hatten und die Zibulkes nicht für voll genommen hätten, wenn sie nicht solch eine »kalte Pracht« besessen.

Auf dem ovalen Tisch vor dem Sofa, den sonst eine Visitenkartenschale aus Alabaster zierte – in der aber auch Stecknadeln, Hornknöpfchen und Zigarrenabschnitte gesammelt wurden –, standen jetzt die Hochzeitsgeschenke von der Verwandtschaft: eine hohe Salonpetroleumlampe mit rotseidenem Schirm, eine Fächerpalme, ein gestickter Haussegen unter Glas und Rahmen, eine Hausapotheke, ein Porzellan-Amor, ein Bowlenglas mit Schöpflöffel und sechs Trinkgläsern, dann ein germanisches Trinkhorn auf Metallständer – das waren die Hauptprachtstücke, und es hatte Gustchen einige Mühe gemacht, festzustellen, was nach ihrer Ansicht dieses oder jenes Stück gekostet haben konnte. »Na, wenn man morgen allet ooch jut klappen möchte«, hatte Herr Zibulke dann gesagt, als Liese einen ganzen Wäschekorb voller Topfscherben hereinbrachte, den sie vor der Tür zusammengekehrt. »Wenn man die Hochzeitskutsche pünktlich da sein wollte und keen Pladderregen wäre, sonst is det for den Mosjöh von Schwiejersohn ’ne Entschuldigung, nich zu kommen. Späne hat er mir jenuch jemacht!«

Herr Zibulke hatte ganz ungeniert so sprechen können, denn Ferdinand war schon gegangen, weil er »für morgen ausschlafen wollte«, wie er als Entschuldigung gesagt hatte. Die Familie war also unter sich, und niemand hatte sich deshalb Zwang auferlegt. Am wenigsten Herr Zibulke selbst, der den ganzen Abend vor sich hingeschimpft hatte: »Der junge Mann hat sich injebildet, ick werde ihm am Ende die Bockbrauerei oder sonstwat koofen! Et wollte janich in seinen Kopp ’rin, als ick ihm auseinanderpolkte, det er froh sein könnte, det ick ihn als Verwalter von det neie Haus in die Bülowstraße jebrauchen könnte. Da hat er doch mit Justchen det allerscheenste Leben und kann den Hauswirt spielen. Und ick brauche mir keenen Fremden anzunehmen, der mehr zu die Mieter als zu mir hält!«

»Vater, du tust jrade so, als wenn ick nischt jetan hätte«, hatte Frau Zibulke gesagt. »Wat jlaubste woll, wat for ’ne Zucht jewesen is, bis die Wohnung injerichtet war. Justchen wollte doch alles janz modern haben, mit Stores und Muschelbettstellen. Wir haben uns beede die Hacken abjeloofen, bis wir allet beisammen hatten, wahr, Justchen? Nu is aber ooch allet scheen, nu kannste dir freuen, so’n Marmorwaschtisch hat keene in die janze Verwandtschaft!«

»Jeld jenuch hat’s ooch jekostet!«

»Na – eenmal und nich wieder, du hast ja man bloß eene Tochter, und die willste doch jlücklich machen!«

»Jewiß doch, wenn er ihr man jlücklich macht!«

Er hatte zu seiner Tochter hingeblickt, die neben der Mutter auf dem Sofa gesessen und den ganzen Abend kein Wort gesprochen hatte. Wie eine glückliche Braut sah sie wirklich nicht aus. Die Lippen waren fest zusammengekniffen und der Blick der dunklen Augen starr und feindselig.

Sie hatte auch jetzt nichts erwidert, war nur ein Weilchen später vom Sofa gerutscht, als fehle ihr die Kraft aufzustehen, und hatte sich nach der Tür gewandt.

»Wo willste hin, Justchen?«

»Ick jeh’ ooch schlafen, Mutter, jeh du man ooch, morjen is een schwerer Tach for uns alle!«

Die Mutter hatte ihr nachgesehen. »Ick möchte wahrhafij wissen, wie allet mal kommt!«

»Ick ooch«, hatte Herr Zibulke gesagt.

»Sie hat ihn sich ja ausgesucht, nu soll sie sehen, wie sie mit ihm fertig wird.«

»Da is mir nich bange vor«, hatte seine Frau erwidert, »in diese Hinrichtung is se janz nach mir, du hast ja ooch ’n Borschtenkopp jehabt, aber ick habe ihn doch dusemang kahl jekriegt.«

»Scheener aber biste dabei ooch nich jrade jeworden!«

»Wat heeßt scheen heitzutage?«

»Na, denn wollen wir man ooch in die Klappe kriechen, Mutter!« Und er hatte das Glas mit Rotwein, das er sich zur Feier des Tages geleistet, ausgetrunken und war ihr in die enge Schlafstube nachgeschlurft.

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