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Die Hochzeit wurde in dem großen Gartenlokal von Mielenz in der Lindenstraße gefeiert. Da man wegen der kühlen Witterung nicht mehr im Freien sitzen konnte, war die Tafel in dem Billardsaal hergerichtet worden, und Herr Mielenz, der es sich zur Ehre gerechnet, daß »der olle Zibulke« das Essen bei ihm bestellt, sorgte dafür, daß alles zur Zufriedenheit der Gäste ausfallen mußte.

Das Lokal lag dem Zibulkeschen Hause schräg gegenüber, und so hatte sich trotz aller Geschäftigkeit Herr Mielenz doch die Zeit nehmen können, die Abfahrt des Brautpaares und der nächsten Verwandten nach der Jerusalemer Kirche zu beobachten. Als die Hochzeitskutsche mit den beiden Schimmeln vorgefahren war, hatte sich die ganze Einwohnerschaft vor der Haustür versammelt, hatte jedoch vorläufig nur Liese, das Dienstmädchen, bewundern können, wie sie weißen Sand und etwas Grünes streute, das wohl Blumen vorstellen sollte, aber – nach Gutachten der Frauen – nur Radieschenblätter waren. Ein kleiner Knabe, der dieses Grün essen wollte, begann zu heulen, und da seine Mutter fürchtete, daß er sich vergiftet habe, versetzte sie ihm als Gegenmittel eine Tracht Prügel und entgiftete auf diese Weise auch gleich noch ein paar ältere Kinder, die in dem Verdacht standen, das verdächtige Grün, das ja Schierling sein konnte, zuerst in den Mund gesteckt und dadurch für den kleinen Knaben das schlechte Beispiel gegeben zu haben.

Dann erschien zur allgemeinen Freude Gustchens Mops vor der Haustür und glotzte die Versammlung erstaunt an. Von allen Seiten wurde er sofort gelockt, und atemlose Spannung entstand, als er sich ein Stückchen weiter vorwagte und ihm der Portierjunge aus dem Nachbarhaus dann den Rückweg abschnitt.

»Heite is Marcht uff’n Bellejangsplatz – da loofen die Schinder ’rum – Halsband hat er nich um – schwupp! kann ihn eener wechjefangen haben! Wat will sie denn jetz ooch noch mit die fette Töle?« sagte der Portierjunge, dessen Haß auf den Mops allgemein anerkannt wurde, denn oft genug hatte dieser Knabe, der nach seiner Einsegnung vor dem Hause fegen mußte, seinem berechtigten Unwillen über das Tier Luft gemacht. Als der Hund die Rinnsteinbrücke überschritten hatte, auf dem Fahrdamm zum Bewußtsein seiner gefährlichen Lage kam und nun rückwärts wollte, den Weg aber abgesperrt fand, griff ihn plötzlich ein wild und verwegen aussehender Bursche im Genick und setzte ihn blitzschnell durch das heruntergelassene Fenster in die Hochzeitskutsche.

Der Beifall war so gewaltig, daß Herr Zibulke oben am Fenster erschien, verwundert auf das Gekreisch der Frauen und Kinder hörte und verdutzt den Kopf schüttelte, als man ihm zurief: »Die Braut soll endlich ’runterkommen, der Breitjam sitzt schon in’n Wagen!«

Der Diener mußte seinen Platz neben dem Kutscher verlassen, absteigen und den Hund herausnehmen. Liese, die das Johlen wieder vor die Haustür gelockt, nahm Mufti in Empfang, wickelte ihn in ihre Schürze und trug ihn hinauf. Gleich darauf aber kam sie eilig wieder herausgelaufen, rannte dem Belle-Alliance-Platz zu und kehrte dann in einer Droschke erster Klasse zurück, die nun hinter der Hochzeitskutsche Aufstellung nahm. So, nun wußte man doch daß »der olle Zibulke« mit seiner »noch Olleren« auch fahren und den Weg zur Kirche nicht zu Fuß machen werde – offenbar hatte er, mit Rücksicht auf das zahlreiche Publikum, noch im letzten Augenblick den Entschluß gefaßt, sich eine Droschke zu leisten.

Jetzt verschwand der Diener im Hause, alle reckten die Hälse, Stille trat ein, denn nun mußte das Hochzeitspaar kommen. Und es kam: Ferdinand, in schwarzem gutsitzendem Rock mit dem glänzenden Zylinder, sah so stattlich aus, daß allen weiblichen Personen plötzlich das Herz schwach wurde.

»Een scheener Mann – wat könnte der for ’ne Braut haben!«

Und die Blicke glitten auf Gustchen, die – ganz in weißer Seide – wie ein Anhängsel neben ihm aussah. Die lange Schleppe fegte das festliche Grün zusammen, und der Diener gab sich alle Mühe, sie zu fassen und zu tragen, erreichte dies aber erst, als Gustchen schon halb im Wagen war. Und während er die Schleppe noch ordnete, stand Ferdinand da und hielt allen Blicken ruhig stand. Ach, wie vielen Mädchenaugen begegnete er, die ihn liebevoll-vergrämt ansahen – doch die, die er zu suchen schien, war nicht darunter. Dann bückte er sich plötzlich, um mit dem hohen Hut in die Kutsche zu kommen, und stieg ein. Der Diener schlug die Tür zu, der Kutscher knallte mit der Peitsche, und die Menge stob auseinander, denn die Schimmel zogen sofort scharf an.

Und nun fuhr die Droschke vor, und das Ehepaar Zibulke, das hinter der Haustür gestanden, trat auf die Straße. Man hatte nicht erwartet, daß es einen so würdigen Eindruck machen könnte, war daher einigermaßen erstaunt, und erst als die Droschke davonratterte, machte sich dieses Erstaunen Luft. »Der Mann würde janz anders intaxiert werden, wenn er sich nicht immer in Pantinen und Hemdsärmeln uff die Straße zeigte!«

»Und ooch die Olle nich, ick dachte wunder, wie die sich uffjetakelt haben würde, aber da hat sie bloß ihr jutes Schwarzes anjehabt!«

»Wenn sie ihre Juste so’n Mann koofen, kann sie sich natürlich nischt Neiet machen lassen!«

»Reden Sie doch nich – die Leite sind immer sparsam jewesen, d’rum haben sie’s ja ooch zu wat jebracht!«

»Und det det Meechen, die Juste, sich nich den ersten besten nimmt, sonnern eenen, der ihr jefällt, is doch ooch zu bejreifen!«

»Bloß der Mann hätte ihr lieben sollen, aber der is ja nur nach’s Jeld jejangen, und darum hätten wir’n ausfeifen sollen. Aber nee, da steht die janze Jänseherde und verdreht die Oojen in’ Koppe wie ’ne Zieje, wenn sie jemolken wird!«

Es war gut, daß der Gemüsehändler, der das gesagt, sich gleich darauf in seinen Keller verziehen konnte, denn alles, was weiblich war, nahm nun erregt gegen ihn Partei.

Unterdessen fuhren, von allen Seiten kommend, vier Droschken vor dem Portal vor, während die leere Hochzeitskutsche noch einmal eine Runde um die Kirche machte, bis sich die Schimmel endlich soweit beruhigt hatten, um auf ihren Plätzen still zu stehen. Auch hier war eine große Schar Neugieriger, die das Brautpaar erwartet hatten und nun die Anfahrt der Hochzeitsgäste beobachteten. Als alle Einlaß gefunden, drängte noch eine große Anzahl anderer nach, die sich dann seitwärts auf entlegenen Bänken oder oben auf dem Chor niederließen.

Dort, von einem Pfeiler verdeckt, saß auch Röschen Schmidt. Das heftige, lautlose Weinen linderte ihren Schmerz, sie gewann allmählich ihre Fassung wieder, und als das junge Paar dann die Kirche verließ, stand sie ruhig und ernst vor dem Portal, den Blick auf Ferdinand gerichtet.

Er sah sie, blieb aber völlig unbeweglich, wandte auch nicht den Kopf, als gleich darauf ein paar andere aufgeregte Mädchen, die in der Menge standen, ihm etwas nachriefen. Und dann rollte der Wagen davon, die Droschken fuhren der Reihe nach vor und brachten die Gäste nach der Lindenstraße, wo alle in Mielenz’ Gartenlokal verschwanden.

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