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In der zehnten Abendstunde, als das Hochzeitsfest seinen Höhepunkt erreicht hatte, nickte Ferdinand Gustchen zu und verschwand mit ihr, ohne daß es weiter auffiel. Draußen vor dem Haustor hielt eine geschlossene Droschke, die sie rasch bestiegen. Der Kutscher riß dem Gaul den Blecheimer von der Schnauze, stieg auf und fuhr mit dem jungen Ehepaar davon.

Ein feiner Sprühregen fiel, von den Bäumen am Landwehrkanal rieselten die gelben Blätter ins Wasser – man spürte, der Herbst hatte jetzt endlich die Herrschaft angetreten. Nun bog die Droschke bei der alten Weide in die Flottwellstraße ein, gelangte an der häßlichen, unendlich langen Mauer des Eisenbahnkörpers in die Dennewitzstraße und fuhr dann in der dort herrschenden Dunkelheit vorsichtig und langsam weiter, um endlich in die Bülowstraße einzubiegen. »Det is ja noch allens unbebaut, ick finde mir hier mit dem Jaul nich zurechte«, rief der Kutscher in den Wagen, als Ferdinand auf das Klopfen mit dem Peitschenstiel den Wagenschlag öffnete.

»Fahren Se man noch ’n Stücksken – bei die Steinmetzstraße is’s!« rief Gustchen ihm zu. Und so ratterte der Wagen noch ein wenig weiter und hielt dann plötzlich mit hartem Ruck.

»Hier muß et sind«, sagte der Kutscher. »Sehen Se mal selbst nach, ick kann nich von’n Bock ’runter!«

Überall hinter Bretterzäunen wurden Hunde rebellisch. Aus dem Neubau, vor dem die Droschke hielt, kam ein kühler Duft von Mörtel und Ölfarbe. Und plötzlich löste sich aus der Dunkelheit eine Gestalt, trat in den Lichtschein der Wagenlaterne, und Gustchen fuhr erschrocken zurück, als sie den dicken Knotenstock eines Mannes und das neben ihm an der Leine gehaltene Untier von Hund erblickte.

»Ick bin der Neubauwächter«, sagte der Mann, »wenn Sie Herr Koblank sind, denn is hier richtig, denn steigen Sie man aus. Ihre Liese sitzt schon oben in die Wohnung und jrault sich zu Tode. Ick jratuliere ooch dem jungen Paar! Warten Se, ick hole bloß meine Latichte aus’n Flur und bind’ den Hund an, denn führe ick Ihnen ’ruff; Kutscher, Sie können ja nu durch die Potsdamer Straße zurück, da braucht der Jaul hier nich bei die Dunkelheit umzudrehen, und da haben Sie doch wenigstens ’n paar Laternen unterwegs!«

Ferdinand half Gustchen aus dem Wagen, drückte dem Kutscher zu dem Fuhrlohn einen Taler in die Hand und zog dann, als die Droschke abfuhr, seine Frau über Schutt- und Steinhaufen nach. Aber da kam schon der Wächter mit der auf den Bauch geschnallten Laterne, die einen scharfen Petroleumgeruch verbreitete.

»Fassen Sie mir an’n Arm, junge Frau, und kieken Se immer uff die Erde, ick dreh’ die Latichte so, det Sie allens sehen und nich stolpern können. Drinne in’t Haus is hell, ick habe die Stearinlichte uff die Treppe anjestochen, denn det Haus hat noch keen Jas nich, wenn ooch die Leitung schon jelegt is.«

Endlich waren sie im Innern des Hauses, stiegen zum ersten Stockwerk hinauf, und mit einem Freudengeschrei kam ihnen die verängstigte Liese entgegen. »Jott sei Dank, det Se da sind, Fräulein Juste – Frau Koblank wollt’ ick sagen! Det is ’ne Jejend, wie konnten Sie man bloß hierherziehen! Det is ja uff’s Land, uff’s Dorf! Scheeneberg is janz dichte bei.«

Der Wächter lachte. »Die möcht’ ick uff’n Pfeifenkopp haben, die Beene über’n Abjuß«, sagte er.

»Und ’n Vers drunter«, ergänzte Ferdinand die Redensart.

»Da – wie heeßen Sie eijentlich?«

»Schimpkus!«

»Da – Schimpkus, haben Se wat! Liese, jeben Sie dem Mann ’n paar Flaschen Bier, hier haben Se ooch noch ’n juten Ziehjarren. So – und nu wollen wir mal!«

Damit ging Ferdinand aus dem Entree in die Berliner Stube, wo die neue Salonstehlampe brannte und Gustchen vor dem über der Kommode hängenden Spiegel sich den Schleier und den Myrtenkranz abzumachen versuchte.

»Mit det Biest reiße ick mir noch die janzen Haare vom Koppe«, sagte sie verzweifelt, »wie mir det der Balbier festjemacht hat – als sollte ick nu in alle Ewigkeit so ’rumrennen!«

»Liese wird’s schon abkriegen«, sagte Ferdinand, »denn wenn ick komme, nehme ick ’ne Schere, und denn is’s kaputt, und du kannst’s nich mehr verjlasen lassen!«

Er ging von einer Stube in die andere und besah sich die Einrichtung beim Schein eines Stearinlichtes. Jewiß, det sieht alles nach wat aus, dachte er, so muß et woll sind bei reiche Leite!

Da war außer der Berliner Stube, wo die Betten standen, ein Vorderzimmer, das als kalte Pracht eingerichtet war, daneben ein anderes Zimmer, mit einem altdeutschen Büfett und einem großen Eßtisch in der Mitte; dann, durch eine kleine Tür aus der Berliner Stube erreichbar, ein schmales langes Zimmer, in dem Schränke und ein Nähtisch standen. Aus der Schlafstube führte ein enger Korridor nach der Küche mit einer Kabuse, in der Lieses eiserne Bettstelle aufgeschlagen war.

»Na«, sagte er, als er wieder zu seiner Frau kam, die jetzt im Unterrock und mit neuen Filzpantoffeln an den Füßen, mit Liese beschäftigt war, das weiße Seidenkleid über zwei Stuhllehnen auszubreiten – »na, in die Wohnung kann man sich ja reene verloofen! Wenn du noch Hunger hast – da vorne uff’n Tisch stehen ’n janzer Baumkuchen und ’ne Torte, Appelsinen sind ooch da!«

»Det wird nich anjerührt«, sagte Gustchen, »det is for morjen, wenn jemand kommt. Ick bin nich hungrig, und du hast ja bei Mielenz jekriegt! Liese hat ihr Teil ooch weg – also, man nischt veraasen, wat denkste woll, wat det allens jekostet hat!«

»Wenn ick noch könnte, denn würd’ ick mir jar nich jenieren und den Baumkuchen ratzekahl uffressen«, sagte Ferdinand, »aber ick bin knippeldicke voll und überhaupt nich for Süßigkeiten. Liese, sind denn keene Rollmöpse da oder ’ne saure Jurke? Nee – na, dadran hätten Sie ooch denken können, die kann man immer noch essen! Seid ihr denn noch nich mit dem Talar da fertig, wenn det Jestelle da so in die Mitte von die Stube etwa stehen bleiben soll, jarantiere ick for nischt, wenn ick jejenrenne, wenn ick in die Nacht mal uffstehen muß. Liese, machen Se, det Se jetz ’rauskommen, ick will in die Posen, sonst ziehe ick mir vor Ihnen aus!«

»Jehen Se man, Liese, wir machen’s morjen weiter, da müssen wir det Kleid hinten uffplätten«, sagte Gustchen. »Und dann machen Sie morjen früh ’n recht scheenen starken Kaffee, und bleiben Sie hinten mit in die Küche, denn Sie können hier nich durchrennen, bis wir uffjestanden sind. Ju’n Nacht, ju’n Nacht – danke, jleichfalls – Sie ooch! Stellen Se sich die Weckeruhr uff sieben!«

Koblanks

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