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Teuflische Absichten?
ОглавлениеWährend Influenzaviren ansonsten besonders Kleinkinder und alte Menschen gefährden, war es bei A/H1N1 auffällig, dass gerade die als Soldaten oder Freiheitskämpfer infrage kommenden 20- bis 40-Jährigen von dem Virus dahingerafft wurden. Gab es dafür besondere Gründe? Während der Virologe Jeffrey Karl Taubenberger den Erreger der Spanischen Grippe 2005 in der Fachzeitschrift “The Lancet” rekonstruierte, vertrat er die Ansicht, dass “kurz vor 1918 ein komplettes Influenzavirus von Vögeln auf den Menschen übergegangen” sei. Doch andere Forscher widersprachen ihm und vermuteten bei A/H1N1 eine Rekombination mit Gensegmenten aus Schweine-Influenzaviren; irgendjemand musste den Vogelvirus mit dem Schweinevirus künstlich zusammengebracht haben. Zudem konnte bei A/H1N1 eine genetische Verbindung zur seit 1872 in den USA grassierenden Pferdeinfluenza ausgemacht werden, und sieben von acht Genen des Virus hatten eine große Ähnlichkeit mit Influenzagenen, die man nur bei Vögeln in Nordamerika fand.
Im Herbst 1918 kehrte die “Büchse der Pandora” nach Kansas zurück, und Regierungsbeamte ergriffen rasch Maßnahmen gegen die Ausbreitung der Krankheit durch A/H1N1. Samuel J. Crumbine (1862-1954) war der Sekretär des “State Board of Health” und startete eine Kampagne, um die Öffentlichkeit in Kansas über die Grippe und die Vorsorgemöglichkeiten zu informieren. Doch trotz dieser Maßnahmen wurden in Kansas immer noch Hunderte von Todesfällen gemeldet, und schließlich mussten Gesundheitsbeamte einzelne Städte in Quarantäne stellen. Durch die Schließung von Schulen, öffentlichen Versammlungen, Theatern, Gottesdiensten und die Begrenzung der Anzahl an Personen in Geschäften hofften die Regierungsbeamten in Kansas, den Ausbruch zu begrenzen und wollten verhindern, dass noch mehr Menschen erkrankten.
Doch war solch eine “teuflische Absicht” 1918 überhaupt schon möglich?
Der römische Medizinschriftsteller Aulus Cornelius Celsus (25 v. Chr.-50 n. Chr.) bezeichnete bereits vor 2.000 Jahren den Speichel, durch den die Tollwut übertragen wird, als “Virus” und berief sich dabei auf babylonische Texte, die aus seiner Zeit noch einmal bis 2.000 Jahre in die Vergangenheit zurückreichten. Der erste Nachweis eines tierischen Virus im Industriezeitalter gelang indes 1898 Friedrich Loeffler (1852-1915) und Paul Frosch (1860-1928), die das Maul- und Klauenseuche-Virus entdeckten. Man hatte sich also schon seit mindestens 20 Jahren mit Viren auseinandergesetzt, auch bei der Kriegsführung. Denn in den USA war es im Sommer 1765 der britische Feldmarschall Jeffrey Amherst (1717-1797), der den Eingeborenen zwei pockenverseuchte Decken als “Biowaffe” unterjubelte, das Ganze mit den Worten: “Wir müssen jede Methode anwenden, um diese abscheuliche Rasse auszulöschen.” Danach starben Tausende von Indianern. Eine Methode, die ganz offensichtlich auch im Ersten Weltkrieg angewendet wurde. Das könnten zumindest jüngste Erfahrungen in den USA noch einmal bestätigen.
Abb. 5
Spanische Grippe in Europa
Im Frühjahr 2009 breitete sich ein neuartiger Subtyp des H1N1-Virus mit der Bezeichnung “A/California/7/2009 (H1N1)” zunächst in Nordamerika aus und verursachte bald darauf eine Pandemie. Offiziell hieß es, die pandemische Variante des Virus (pdmH1N1) sei angeblich in mexikanischen Schweinefarmen entstanden, wofür man sogar eine 2016 publizierte Studie in Auftrag gegeben hatte. Tatsächlich erhielten am 15. September 2009 vier Hersteller von Influenzaimpfstoffen (CSL Limited, Novartis Vaccines and Diagnostics Limited, MedImmune LLC, Sanofi Pasteur) von der amerikanischen “Food and Drug Administration” (FDA) die Zulassung für die Verwendung von monovalenten Influenza-A-Impfstoffen (H1N1). Wie die Entwicklung der zulassungsfähigen Impfstoffe den Pharmaunternehmen in so kurzer Zeit gelingen konnte, bleibt ein Rätsel.
Zwischen 2010 und Januar 2015 wurden, laut der EudraVigilance-Datenbank der Europäischen Arzneimittelagentur, allerdings mehr als 1.300 Fälle bei geimpften Personen bekannt, die nach der Behandlung Narkolepsie bekamen. Das ist eine lebenslang andauernde neurologische Erkrankung, die zu einer Störung des Schlaf-Wach-Rhythmus führt und sich durch eine übermäßige Tagesschläfrigkeit auszeichnet. In Schweden wurde daraufhin 2016 ein Gesetz für die Entschädigung von Betroffenen verabschiedet, während man den 86 aufgetretenen Fällen in Deutschland kaum Beachtung schenkte. Mit 29.700 Basenpaaren ist das Coronavirus allerdings viermal größer als A/H1N1 und andere Viren.