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Eiserne Hand?
ОглавлениеAls die Pandemie in der chinesischen Region Einzug hielt, wurde Wuhan von Anfang an zum Spielplatz zweier unterschiedlicher Plots: einer sanitären, von der Regierung genehmigten Version von Ereignissen – und einer ganz anderen Realität vor Ort. Privatpersonen posteten Handyvideos, als in der Stadt die Quarantäne mit brutaler Gewalt verhängt wurde. Nachbarn und Passanten wurden durch Korridore getrieben und wie im Holocaust des Zweiten Weltkriegs in Lieferwagen getreten. Einfache Arbeiter schrien Menschen an, hämmerten dabei mit Brettern Türen von Wohngebäuden zu und schränkten sie so massiv in ihrer Bewegungsfreiheit ein. Die Videos von den schrecklichen Bildern wurden alle in YouTube eingestellt. Doch parallel zu diesen schockierenden Bildern veröffentlichten in der Zwischenzeit staatlich kontrollierte Medien einen steten Strom fröhlicher Videoschnipsel, die angebliche Viruspatienten zeigten, die neben ihren Krankenhausbetten tanzten, sowie glückliche Mitarbeiter des Gesundheitswesens, die sich die Haare rasierten, um damit die Hygiene zu fördern.
Von da an wurde es immer schlimmer. Mindestens drei chinesische Bürgerjournalisten (Fang Bin, Chen Qiushi, Xu Zhiyong), die über das Virus berichtet haben, sind ebenfalls in Haft verschwunden, so dass ihr Aufenthaltsort lange Zeit unbekannt blieb. Ein ehemaliger Fernsehjournalist der chinesischen Regierung filmte dabei sogar seine eigene Verhaftung; das Video kann noch immer auf YouTube angeschaut werden (obwohl es in China wahrscheinlich zensiert wird). Nachdem der Essayist und Aktivist Xu Zhiyong die Reaktionen des chinesischen Präsidenten Xi Jinping auf das Virus kritisiert hat, befindet er sich ebenso in “geheimer Haft”, wobei dem Juristen eine 15-jährige Haftstrafe wegen “Subversion” droht.
Abb. 2
Das Coronavirus
Nach mehreren panischen Wochen hat der chinesische Präsident Xi Jinping dann eine Propagandaoffensive gestartet, um sein Handeln sowohl einer zunehmend wütenden Bevölkerung als auch einer skeptischen Welt im Ausland zu erklären. Denn wegen seiner Verzögerungstaktik und seiner zurückhaltenden Informationspolitik wurde der Präsident zunehmend nicht nur im Ausland, sondern auch von Chinesen immer öfter kritisiert. Daraufhin drängte Xi Jinping sein Politkomitee aggressiv auf eine Gegendarstellung, die den vorbildlichen chinesischen Umgang mit dem Virus sowie Beweise für die Tugenden des autoritären Systems zeigen sollte. Die Zentralregierung in Peking versprach, für die Zuschauer überall dort vorbildlicher aufzutreten, wo Wuhan-Beamte bislang versagt hatten.
Beamte der Zentralregierung haben dann sowohl der Öffentlichkeit als auch externen Gruppen wie der Weltgesundheitsorganisation (WHO) mehr Transparenz zugesagt und sogar eine “Whistleblower-Hotline” in die äußerst beliebte “WeChat-Messaging-App” eingeführt. Doch sind solche Maßnahmen ungefähr so überzeugend wie ein Chef des organisierten Verbrechens, der eine “Start Snitching”-Kampagne startet. Mangelnde Transparenz und die Angst, sich in das teils undurchsichtige Gewebe von Xi Jinpings China einzumischen, können für eine Krise nicht einfach weggeworfen werden. Transparenz ist kein Fenster, das nach dem Willen des Staates geöffnet und geschlossen werden kann, wenn er dies für nützlich hält. Selbst wenn die Behörden der Zentralregierung möglicherweise wirklich Transparenz wollten – schon allein, damit sie selbst wissen, was los ist. Aber sie wollten offensichtlich trotzdem keine auf ganzer Linie, sondern nur zu diesem einen spezifischen Thema.