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Der Beginn des Aufstandes

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Die Regierung in Khartum unter dem Generalgouverneur Rauf Pascha wurde schließlich auf diese neue Bewegung Mohammed Ahmeds, der wegen seiner Frömmigkeit großen Zulauf bekommen hatte, aufmerksam und beschloss, diesem bedenklichen Treiben ein Ende zu bereiten. Zunächst wurde nur ein Bekannter Mohammed Ahmeds, der in Diensten der Regierung stehende Bey Abu Saud, mit einem Dampfer auf die Insel Abba geschickt, um den neuen Propheten zur Rechtfertigung nach Khartum zu holen. Er wurde von Mohammed Ahmed zunächst zwar freundlich empfangen. Als er Mohammed Ahmed aber in vorsichtig zurückhaltender Weise aufforderte, ihn auf den Dampfer zu begleiten, um die gegen ihn „wohl fälschlich“ verbreiteten Gerüchte vor dem Herrn des Landes persönlich zu widerlegen, sprang Mohammed Ahmed wild empor, schlug sich mit der geballten Faust auf die Brust und rief mit lauter Stimme: „Durch Gott und des Propheten Gnade bin ich der Herr des Landes! Nie werde ich Khartum betreten, um mich zu verantworten!“ (Slatin 1896, S. 129). Erschreckt über diesen Zornesausbruch verließ Abu Saud die Insel und kehrte nach Khartum zurück, wo er dem erstaunten Generalgouverneur das Misslingen seiner Mission in allen Einzelheiten berichtete. Daraufhin schickte Rauf Pascha, vom Ernst der Lage überzeugt, zwei Kompanien mit zwei Offizieren unter dem Oberkommando von Abu Saud gegen den widerspenstigen Derwisch. Er versprach demjenigen Offizier, der zuerst des Rebellen habhaft werde, den Rang eines Majors. Damit legte er bereits den Grund für die Zwistigkeiten zwischen den beiden ranggleichen Offizieren und verhinderte von vornherein ein gemeinsames Vorgehen. Der Dampfer war am Abend kaum bei der Insel Abba angekommen, als sich die beiden ehrgeizigen Offiziere mit ihren Kompanien ausschiffen ließen, um getrennt gegen die Niederlassung Mohammed Ahmeds, den sie für wehrlos hielten, vorzugehen. Inzwischen hatte dieser bereits einige wenige seiner Anhänger sammeln können, die mit ihrem Leben für die heilige Sache einstehen wollten. In finsterer Nacht rückten die beiden Offiziere, die mit den Terrainverhältnissen ganz und gar nicht vertraut waren, getrennt auf sumpfigen Wegen vor und griffen die Hütten, in denen sie den Rebellen und seine Anhänger zu überraschen hofften, mit heftigem Salvenfeuer an, wobei sie sich aber im Dunkel der Nacht nur selber beschossen. Ahmed und die Seinen hatten ihre Hütten schon längst verlassen und sich in der Nähe im hohen Gras verborgen gehalten. Nur mit Schwertern, Spießen und Knüppeln bewaffnet stürzten sie sich nun auf die verwirrten und ganz kopflos gewordenen Feinde. Die meisten Soldaten von den Regierungstruppen wurden erschlagen und nur wenigen gelang es, schwimmend den Dampfer zu erreichen. Abu Saud Bey, dem der Schrecken von seiner letzten Begegnung mit Mohammed Ahmed noch in den Gliedern saß, ließ die Anker lichten und kehrte mit der Hiobsbotschaft nach Khartum zurück.

Mohammed Ahmed und seine Anhänger waren zwar überglücklich über ihren ersten errungenen Sieg, beschlossen aber, um den nun drohenden weiteren Angriffen der Regierung zu entgehen, sich aus der gefährlichen Nähe Khartums in den Süden Kordofans zurückzuziehen. Dort angekommen wiederholte sich der erstaunliche Sieg der ersten Tage der Rebellion auf der Insel Abba. Denn der Mudir (Gouverneur) von Faschoda, Raschid Bey, griff, ohne einen Befehl aus Khartum abzuwarten, die Rebellen sofort an, bevor sie noch Zeit gefunden hatten, sich zu verstärken. Unter Außerachtlassung aller militärischen Vorsichtsmaßregeln marschierte er mit seinen schwer bewaffneten Truppen los, geriet in einen Hinterhalt und wurde gänzlich vernichtet. Man hatte nicht einmal Zeit gefunden, die auf den Kamelen verladenen Kugelraketen aufzustellen. Raschid Bey und sein Stab verteidigten sich zwar heldenmütig, wurden aber von den wütenden Glaubenskriegern erbarmungslos getötet. Durch diesen erneuten Sieg stieg das Ansehen des Mahdi, wie er sich jetzt öffentlich nannte, und die Leute strömten ihm in Massen zu. Doch all diese Leute waren arm und suchten bei ihm Unterstützung für ihren Lebensunterhalt. Die reichen und wohlhabenden Leute zogen sich dagegen von den Rebellen zurück, da sie um ihr Vermögen besorgt waren, diesem „Schmutz der Welt“, der sie nach Auffassung der Anhänger des Mahdi nur daran hinderte, „die wahren Freuden des Paradieses zu erkennen“ (Slatin 1896, S. 134).

Der Mahdi schickte nun Flugschriften nach allen Richtungen aus, in denen er seine Siege als Wunder des Himmels und als Beweise seiner göttlichen Sendung darstellte. Er forderte alle Gläubigen zum Dschihad, dem Heiligen Krieg, auf und versprach all denjenigen, die im Kampf für Gott und die Religion fallen sollten, die ewigen himmlischen Freuden, den Überlebenden aber vier Fünftel der gemachten Beute. Das letzte Fünftel behielt er sich zur freien Verfügung vor, aber nur, um es unter die ihm neu zuströmenden Anhänger verteilen zu können.

Die Regierung in Khartum konnte nach der Niederlage Raschid Beys den Ernst der Lage nicht mehr verkennen und rüstete eine Expedition unter dem Befehl von Jusuf Pascha aus, eines erfahrenen und für seinen Mut bekannten Mannes. Das Heer, das insgesamt aus 4000 Mann bestand, verließ im März 1882 Khartum in Richtung Kordofan, wo der Generalgouverneur Unterstützung durch ein Bataillon Infanterie und durch irreguläre Freiwillige verlangte. Bei der Anwerbung der Freiwilligen in Kordofan hatte man aber mit den größten Schwierigkeiten zu kämpfen. Einerseits wollten die Leute aus Pietät nicht gegen den frommen Mann ins Feld ziehen, andererseits hatten sie beim Kampf gegen den gänzlich vermögenslosen Mahdi und seine armen halb verhungernden Anhänger keinerlei Aussicht auf Beute. Nach äußersten Anstrengungen gelang es schließlich, zusammen mit dem geforderten Bataillon regulärer Infanterie und einer schwachen Truppe von irregulären Freiwilligen, das aus Khartum kommende Heer auf 6000 Mann zu verstärken. Mit dieser gut ausgerüsteten Streitmacht zog nun Jusuf Pascha gegen die Anhänger des Mahdi. Er und die meisten seiner Offiziere waren sich des Sieges vollkommen sicher. Denn was hatten sie auch von den hungernden, von Krankheit geschwächten, halb nackten Leuten zu fürchten! Was konnte ihnen der Fakir mit seinen undisziplinierten und schlecht bewaffneten Leuten anhaben? Sie fanden es daher nicht der Mühe wert, die Dornenhecken zum Bau einer Seriba, eines im Sudan üblichen befestigten Lagers, herbeizuschleppen. Dornenloses Gebüsch, das man nachlässig in die Erde steckte, musste ausreichen, um das Lager einzugrenzen. Doch die halb nackten hungrigen und von Krankheiten geschwächten Leute des Mahdi, von ihm bis zur Raserei aufgestachelt, überfielen vor dem ersten Morgengrauen das nur nachlässig geschützte Lager Jusuf Paschas. Der Verhau wurde ohne Mühe überschritten oder auseinandergeworfen und die aus dem Schlaf emportaumelnden, vor Schrecken starren, bis zur Sinnlosigkeit verwirrten Soldaten wurden in Massen erschlagen. Der Pascha und seine Offiziere wurden meist noch im Nachtgewand vor ihren Zelten umgebracht, das ganze demoralisierte Heer wurde zersprengt und die zerstreuten Haufen hingeschlachtet.


Abb. 4: Ein „Ansar“ oder Glaubenskrieger des Mahdi (aus Slatin 1896)

Seit mehr als 60 Jahren war der Sudan zu dieser Zeit unter der Herrschaft der Türken und Ägypter. In dieser langen Reihe von Jahren hatten sich zwar manchmal einige Araberstämme geweigert Steuern zu zahlen und waren dafür gezüchtigt worden, nie aber hatte es bisher jemand gewagt, sich in dieser Weise gegen die Herren des Landes aufzulehnen und ihnen in aller Form den Krieg zu erklären – „und nun trat ein bettelarmer, frommer, bisher unbekannter Fakir auf, Mohammed Ahmed, und erfocht mit einer Hand voll halbverhungerter, fast unbewaffneter Anhänger Sieg auf Sieg! Ja, es konnte nicht anders sein! Er hatte wahr gesprochen! Er musste der erwartete, der von Gott gesandte Meister, el Mahdi el Monteser sein!“ (Slatin 1896, S. 137). Der Zulauf zum Heer der Rebellen wuchs nach diesem Sieg ins Unermessliche. Alle mit der Regierung Unzufriedenen – existenzlose Individuen, Sklaven, die sich über ihre Herren zu beklagen hatten, wieder andere, welche von den Gerichten verfolgt wurden, viele andere, von religiösem Fanatismus angetrieben – schlossen sich ihm an; dazu kamen die Beutelustigen, denen der Mahdi die glänzendsten Versprechen für diese und die andere Welt machte, und schließlich strömten ihm besonders viele professionelle Sklavenhändler zu. Alle diese Leute waren tüchtige Krieger, an alle möglichen Strapazen gewöhnt und durch die vielen Sklavenkriege im Waffenhandwerk geübt. Der Mahdi versprach ihnen nicht nur Beute und Freiheit des Sklavenhandels, sondern er weckte in ihnen einen so starken religiösen Fanatismus, dass sie sich auf sein Wort hin sogar in den Tod stürzten.

Das Reich des Mahdi

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