Читать книгу Die Angst vor dem Fremden - Erhard Oeser - Страница 7

|15|Einleitung

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Ursprünglich war der aus dem Griechischen stammende Begriff „Xenophobie“ in der naturwissenschaftlich orientierten Anthropologie und Humanethologie eher harmlos auf die Angst (phobos) vor einem Fremden (xenos) bezogen, die sich, ohne eine direkte Bedrohung erfahren zu haben, ab einem gewissen Kindesalter fast ausnahmslos bei allen Völkern zeigt. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts hat jedoch dieser Begriff über seine biologische Bedeutung hinaus eine grundsätzliche Erweiterung im Sinn eines kulturellen und politischen Phänomens erfahren. Im Jahre 1901 taucht er in Anatole Frances Roman „Monsieur Bergeret à Paris“ auf. Im Zusammenhang mit der Dreyfus-Affäre bezeichnete der französische Schriftsteller die antisemitischen Demagogen als „misoxènes, xénophobes, xénoctones et xénophages“; das heißt: „Fremdenhasser, Fremdenfeinde, Fremdentöter und Fremdenfresser“ (France o. J., S. 101). In dieser erweiterten, verallgemeinerten Bedeutung hat er noch zusätzlich eine Spezialisierung erfahren. Man spricht heutzutage von „Islamophobie“, „Arabophobie“, „Turkophobie“, „Negrophobie“ usw. – Begriffe, deren gemeinsamer Nenner die Fremdenfeindlichkeit darstellt.

Abgesehen davon, dass die wissenschaftlichen Disziplinen, die sich mit dem Phänomen der Xenophobie beschäftigen, immer selbst einem bestimmten Kulturkreis angehören und damit einer gewissen Subjektivität unterliegen, ist diese Fragestellung mit scheinbar unüberbrückbaren Kontroversen und historischen Belastungen behaftet. Das gilt sowohl für biologisch-naturwissenschaftliche Ansichten als auch für kulturwissenschaftlich-geisteswissenschaftliche Konzepte, die beide in der Vergangenheit selbst ein gerüttelt Maß Schuld an der heutigen Situation trugen. Denn sowohl die Anthropologie, die naturwissenschaftlich orientierte Menschenkunde, als auch die Ethnologie, die kulturwissenschaftliche Völkerkunde, haben in der Vergangenheit dem europäischen Kolonialismus und dem in Fanatismus ausgearteten christlichen Missionierungsdrang eine Rechtfertigung für jene unbeschreiblichen Gräueltaten geliefert, die man heute nur allzu gerne unter dem |16|Deckmantel des „christlichen Abendlandes“ der Vergessenheit überantwortet.

Die Angst vor dem Fremden

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