Читать книгу Sternbilder - Erik Simon - Страница 14
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»Bekanntlich ist es unmöglich, die Grenze der Lichtgeschwindigkeit zu überschreiten«, sagte Professor Stock, und Professor Stein nickte beifällig, worauf Prof. Stock fortfuhr: »Das ist seit Kleinsteins Relativitätstheorie unumstößlich bewiesen und sollte jedem Physiker bekannt sein. Was sage ich – jedem Physiker? Das weiß doch jedes Schulkind auf der Retta!«
Und wieder nickte Prof. Stein zustimmend. Er nickte übrigens mit dem rechten Kopf, denn der linke schlief gerade. Zwar war Prof. Stein im Gegensatz zu den meisten Rettanern Linksköpfer, aber bei einem derart trivialen Thema brauchte er den intelligenteren Kopf natürlich nicht. Er wandte sich an Prof. Stocks Assistenten, dessen beide Köpfe vor Scham schon ganz gelbgrün waren: »Sehen Sie, wenn Sie ausländische Literatur lesen, so ist das durchaus lobenswert. Aber es geht eben nicht an, daß Sie jede hirnverbrannte Theorie auch unseren Studenten beibringen wollen. Was Sie da gelesen haben, ist doch offensichtlicher Unsinn. Sie müssen kritischer sein!«
Kain-Abel Doppelkopf, der Assistent, beruhigte sich nach Prof. Steins beschwichtigenden Worten etwas, und seine Köpfe nahmen wieder ihre normale blaugrüne Färbung an. Wenn Prof. Stein sein Chef wäre, wäre alles viel harmloser verlaufen, aber leider bestand keine Aussicht, in absehbarer Zeit von Prof. Stock wegzukommen. Der Gedanke daran machte ihm seine beiden Herzen schwer. Doch er unternahm einen letzten Versuch, sich zu rechtfertigen.
»Dieser Dr. Tscherepaschkin schreibt aber, es könnte vielleicht Teilchen geben, die jenseits der Lichtgeschwindigkeit existieren …«
»Dieser Dr. Tscherepaschkin ist ein Scharlatan!« erboste sich Prof. Stock. »Wie es scheint, muß ich Ihnen diese trivialen Dinge tatsächlich noch einmal erklären. Es ist eine Schande!«
Kain-Abel Doppelkopf wollte protestieren, aber sein Chef begann schon in irrsinnigem Tempo Formeln zu schreiben und dazu zu sprechen.
»Es gilt also
Dabei ist m die Masse eines Körpers, wenn er sich mit der Geschwindigkeit v bewegt und die sogenannte »Ruhemasse« m0 hat. c ist die Lichtgeschwindigkeit. Das ist doch wohl klar?! Je mehr wir uns der Lichtgeschwindigkeit c nähern, desto kleiner wird der Nenner des Bruches, und m wird folglich größer. Bei v = c schließlich müßte der Nenner gleich Null werden, also würde die Masse wegen m0 → ∞ unendlich groß – bei einer von Null verschiedenen Ruhemasse, versteht sich. Schon v = c ist nur möglich, wenn die Ruhemasse m0 gleich Null ist, wie es für die Photonen zutrifft.«
An dieser Stelle schlief auch der rechte Kopf von Prof. Stein ein, aber kurz darauf erwachte der linke.
Prof. Stock fuhr unbeirrt fort: »Und wenn die Masse m schon bei Lichtgeschwindigkeit unendlich groß wird, wie soll sie da diese Grenze überschreiten können? Größer als unendlich kann sie schließlich nicht werden!«
»Ja, mir ist völlig klar, daß gewöhnliche Teilchen, also Teilchen mit imaginärer Ruhemasse, sich nicht langsamer als mit Lichtgeschwindigkeit bewegen können. Für sie ist es wirklich die unterste Grenze. Aber könnte es nicht Teilchen geben, die eine reelle Ruhemasse haben? Für sie wäre die Lichtgeschwindigkeit dann die obere Grenze, die sie nicht überschreiten könnten.«
»Und wo sind sie, Ihre langsamen Teilchen?« erkundigte sich Prof. Stock. »Es gibt sie nicht, und basta! So begreifen Sie doch endlich, daß sich Teilchen mit imaginärer Masse – und andere gibt es nicht! – nicht langsamer als mit Lichtgeschwindigkeit bewegen können! Sie können sich beliebig schnell bewegen; ihre Masse wird dabei immer kleiner, und das ist experimentell bewiesen. Aber nicht beliebig langsam! Sie können die Lichtgeschwindigkeit nicht unterschreiten! Und Teilchen mit reeller Masse sind einfach undenkbar, es existiert kein einziger Hinweis dafür, daß es sie irgendwo im Weltall geben könnte. Schließlich heißt auch die sogenannte ›Ruhemasse‹ nicht deshalb so, weil das Teilchen ruhen könnte, sondern ist eine reine Abstraktion. Es gibt kein Teilchen, das die Grenze der Lichtgeschwindigkeit zu kleineren Geschwindigkeiten hin überschreiten könnte. Und ich dulde es nicht, wenn den Studenten etwas anderes beigebracht wird.«
»Sie müssen das einsehen«, sagte Prof. Steins linker Kopf begütigend.
Der Assistent Doppelkopf nickte, um endlich in Ruhe gelassen zu werden. »Ja«, sagte er und kratzte sich zwischen den Köpfen, woran man sieht, daß er sehr verlegen war. Schließlich erklärte er: »Sie haben recht. Es gibt nur Teilchen mit imaginärer Ruhemasse, und sie können sich nicht langsamer als mit Lichtgeschwindigkeit bewegen. Wir können diese Grenze nicht überschreiten.«
Er nickte noch immer, langsam, zögernd, höchstens mit dreifacher Lichtgeschwindigkeit.